Für den Klimaschutz kann der Umstieg auf erneuerbare Energien gar nicht schnell genug gehen. Doch der Kohleausstieg ist für die betroffenen Regionen, die über Jahrzehnte für Wachstum und Prosperität standen, mit vielen, manchmal schmerzhaften Brüchen verbunden. Der von der EU vorgeschlagene “Just Transition Mechanism” beschäftigt sich mit der Frage, was diese Gemeinden wirklich benötigen. Damit, was nach der Kohle kommt und wie der Strukturwandel nachhaltig, gerecht und klimaneutral gestaltet werden kann.
Ende 2018 war in Deutschland „Schicht im Schacht“. Die letzte Steinkohlezeche in Deutschland, Prosper Haniel in Bottrop, stellte die Förderung ein. Auch der schrittweise Ausstieg des Braunkohleabbaus in Deutschland ist überfällig und beschlossen. Deutschland steht damit längst nicht allein. Der sogenannte Strukturwandel verbindet die Lausitz und das Rheinische Revier in Deutschland mit vielen Regionen in Europa.
Kohleausstieg in Europa: Parallelen – aber kein Patentrezept
Daher haben wir uns vier Kohleregionen in Deutschland, im griechischen West-Mazedonien, im polnischen Schlesien und im Südwesten Bulgariens genauer angeschaut. Welche Sorgen und Ängste haben die Menschen in den verschiedenen Revieren? Welche Gemeinsamkeiten gibt es? Wie kann ein gerechter und sinnvoller Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft gelingen?
Mit unserem Bericht „Just Transition to Climate Neutrality“ wollen wir dazu beitragen, einen gerechten und nachhaltigen Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu gewährleisten.
Schritt 1: Ein definierter Schlusspunkt für den Kohleausstieg
Von grundlegender Bedeutung ist der konkrete und schnelle Ausstieg aus der Kohleverstromung. Nur ein klarer Zeitplan mit einem verbindlichen und ehrgeizigen Kohle-Ausstiegsdatum verschafft Investor:innen, Arbeitnehmer:innen, Anwohner:innen notwendige Planungssicherheit. Ein klarer Pfad hilft, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Hier kann man aus den schmerzhaften Erfahrungen im Ruhrgebiet oder im Saarland lernen. Dort wurde der Kohleausstieg — mit zum Teil gravierenden witschaftlichen Folgen — über Jahrzehnte hinausgezögert.
Schritt 2: Richtig in den Kohleausstieg investieren
Der European Green Deal muss den Regionen finanzielle Hilfe bieten. Entscheidend ist jedoch, wie diese Mittel eingesetzt werden. Mit dem Geld betroffenen Arbeitnehmer:innen zu helfen kann nur ein erster Schritt sein, um den sozialen Frieden zu wahren. Noch wichtiger wäre es, Impulse für eine Neuausrichtung zu initiieren. Der Übergang erfordert Vorabinvestitionen, die nicht immer von privaten Investor:innen allein getätigt werden können.
Schritt 3: Vielfalt fördern
Nach dem Zusammenbruch großer Industrien ruhen die Hoffnungen oftmals auf der Ansiedelung neuer Großbetriebe anderer Branchen. Diese Gedanke ist zwar nachvollziehbar, zeigt in der Praxis aber oft nur kurzlebige Effekte. Investitionen in Forschung, Entwicklung und die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen machen Regionen widerstandfähig gegenüber wirtschaftlichen Veränderungen. Die Diversifizierung sollte auf der Grundlage der ökologischen Nachhaltigkeit erfolgen, damit langfristige, hochwertige Arbeitsplätze entstehen.
Schritt 4: Auf lokales Know How setzen
Die Kohleregionen haben jahrzehntelang zum Wohlstand Europas beigetragen. Wir müssen sicherstellen, dass diese Regionen vom Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft profitieren. Lokale Vertreter:innen und nationale Institutionen spielen eine Schlüsselrolle. Gemeinschaften sind eher bereit, Strategien finanziell mitzutragen und ihre Umsetzung zu unterstützen, wenn sie die treibende Kraft hinter der Entwicklung waren. Die Gemeinden haben einen besseren Blick dafür, was sie brauchen, was sie wollen.
Schritt 5: Langfristig denken
Übergangsstrategien und ‑pläne sollten durch eine quantifizierte, transparente und objektive Analyse gestützt werden. Wir brauchen ein formuliertes Ziel, wie wir echte ökologische Nachhaltigkeit erreichen. Um sicherzustellen, dass der Übergang eine dauerhafte Perspektive für die Regionen schafft.
Just Transition – So geht der Kohleausstieg gerecht, nachhaltig und klimaneutral
Dennoch gibt es Parallelen – aber kein Patentrezept. Wir wollen mit unserem Bericht „Just Transition to Climate Neutrality“ dazu beitragen, einen gerechten und nachhaltigen Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu gewährleisten. Mit dem EU-Vorschlag des „Just Transition Mechanism” ist die Diskussion über die Zukunft der europäischen Kohleregionen eröffnet – wir werden sie gemeinsam mit Vertreter:innen der Regionen in Brüssel weiter führen.
Haben wir nicht schon ein gerechtes Gesetz zum Kohleausstieg?
Nein. Das Gesetz zum Kohleausstieg, das die Bundesregierung Ende Januar 2020 verabschiedete, ist leider weit entfernt von einem gerechten und nachhaltigen Kohleausstieg. Meine Kollegin Viviane erklärt hier an welchen Stellen das Kohleausstiegsgesetz zu wünschen übrig lässt. Wenn ein gerechter Kohleausstieg gelingen soll, muss unbedingt nachgeschärft werden.
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