Wöl­fe in der EU: Poli­ti­sches Kal­kül statt sach­li­cher Debatte


Wolf im Wald
Mal wieder: Debatte um den Wolf in der EU © Ralph Frank / WWF

In Brüs­sel gibt es kei­ne Wöl­fe – abge­se­hen von Poli­ti­kern im Schafs­pelz, die nicht nur dem Wolf ans Fell wol­len. Auf EU-Ebe­ne wird der­zeit ernst­haft dis­ku­tiert, ob der Schutz­sta­tus des Wol­fes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt wer­den soll. Ver­tre­ter der EU-Mit­glied­staa­ten haben die Wei­chen dafür gestellt, den Schutz­sta­tus des Wol­fes abzu­sen­ken. Der ver­meint­li­che Grund: zuneh­men­de Nutz­tier­ris­se. Als Natur­schüt­ze­rin lässt mich die­se popu­lis­ti­sche Debat­te erschau­dern. Weni­ger Wöl­fe bedeu­ten nicht auto­ma­tisch weni­ger tote Scha­fe. Die Initia­ti­ve ist ein durch­schau­ba­rer Ver­such, den Arten­schutz zu schwächen.

Ein Blick auf die Fakten

Rund 1,6 Mil­lio­nen Scha­fe leben in Deutsch­land. Sie enden in der Regel im Schlacht­hof. Eine Mil­li­on Tie­re, vor allem Läm­mer, lan­den jähr­lich beim Metz­ger. Wöl­fe erbeu­ten im glei­chen Zeit­raum zwi­schen 3000 und 4000 Tiere. 

Das ist bit­ter für deren Besit­zer, die um ihre Tie­re fürch­ten! Es sei aller­dings auch erwähnt, dass Schä­fer unge­fähr die zehn­fa­che Zahl durch ande­re Ereig­nis­se wie Krank­hei­ten oder Abstür­ze jedes Jahr ver­lie­ren. Die wenigs­ten Scha­fe ster­ben wegen Wölfen.

Die Zah­len sind ein­deu­tig. Trotz­dem bringt es wenig, den Kon­flikt klein­zu­re­den. Natür­lich stellt uns das das Zusam­men­le­ben von Nutz­tie­ren und Beu­te­grei­fern vor Her­aus­for­de­run­gen. Es bringt aber nichts, die Zahl der Wöl­fe zu redu­zie­ren. Die Lösung muss hei­ßen, den Schutz von Scha­fen, Zie­gen und ande­ren Nutz­tie­ren zu verbessern.

Die Rol­le der Poli­tik und Lobbyisten

Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen wer­den oft unter dem Druck von Lob­by­is­ten getrof­fen – in die­sem Fall der Agrar­lob­by. Der­zeit ver­su­chen eini­ge EU-Län­der, den Schutz­sta­tus des Wol­fes zu lockern, was eine Ände­rung der Ber­ner Kon­ven­ti­on von 1979 erfor­dern wür­de, in der sich die Lan­der ver­pflich­tet hat­ten, für die „Wie­der­her­stel­lung und Wah­rung des güns­ti­gen Erhal­tungs­zu­stan­des“ bedroh­ter Arten zu sor­gen. Die Details regeln dann die euro­päi­sche Flo­ra-Fau­na-Habi­tat Richt­li­nie (FFH) bezie­hungs­wei­se auf natio­na­ler Ebe­ne das Bundesnaturschutzgesetz.

Vom Ver­fah­ren ist das Gan­ze also nicht unkom­pli­ziert. Im Novem­ber kön­nen die EU-Umweltminister:Innen nun bei der nächs­ten Sit­zung des EU-Minis­ter­ra­tes einen ent­spre­chen­den Ände­rungs­an­trag zur Ber­ner Kon­ven­ti­on ein­brin­gen. Erklär­tes Ziel: den Schutz für den Wolf lockern und ihre Zahl ins­ge­samt reduzieren.

Kei­ne Lösung durch weni­ger Wölfe

Ich bezweif­le, dass sich dadurch die Zahl der Nutz­tier­ris­se redu­zie­ren lie­ße. Unter­su­chun­gen zei­gen, dass über 90 Pro­zent der Nutz­tier­ris­se redu­ziert wer­den kön­nen, wenn Wei­de­tie­re geschützt wür­den.  Pro­ble­ma­tisch sind nur eine gerin­ge Zahl an Wöl­fen, die schon ein­mal ein unge­schütz­tes Nutz­tier erfolg­reich geris­sen haben (das nennt man in der Fach­spra­che dann ‚food-con­di­tio­ned‘ ). Die­se Wöl­fe las­sen sich von Zäu­nen, Hüte­hun­den und andern Her­den­schutz­maß­nah­men dann nicht mehr so ein­fach abhal­ten. Hier gilt es anzu­set­zen. Die Maß­nah­men rei­chen von Ver­grä­mung bis hin zum Abschuss. Aber dafür braucht es kei­ne Geset­zes­än­de­run­gen. All das ist auf Basis der gegen­wär­ti­gen Geset­zes­la­ge bereits mög­lich. Hier­für hat das Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­um inner­halb des bestehen­den euro­päi­schen Rechts­rah­mens eine Schnell-Abschuss­re­ge­lung ein­ge­führt, die ein ver­ein­fach­tes Ver­fah­ren für sol­che Fäl­le ermög­licht. Aller­dings gilt es hier einen Leit­fa­den mit den Bun­des­län­dern aus­zu­ar­bei­ten, damit zeit­na­her und unbü­ro­kra­ti­scher in einem Kon­flikt­fall gehan­delt wer­den kann.

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Her­den­schutz statt Abschuss

Ich hal­te es für naiv, dass durch eine Redu­zie­rung der Wöl­fe auch der zeit­auf­wen­di­ge, mit Kos­ten ver­bun­de­ne Her­den­schutz ver­nach­läs­sigt wer­den könn­te. So naiv sind aber auch die Agrar­lob­by­is­ten in Brüs­sel nicht. Ich befürch­te viel­mehr, dass die Cau­sa Wolf nur ein ers­ter Ver­such ist, die Flo­ra Fau­na-Habi­tat-Richt­li­nie ins­ge­samt zu schlei­fen. Nach den Atta­cken auf den Wolf wer­den Ver­su­che auf Otter, Luch­se, Greif­vö­gel und ande­ren „unbe­que­men“ Wild­tie­ren fol­gen. Des­halb gilt es den Anfän­gen zu wehren.

Mensch und Wolf: Koexis­tenz statt Populismus

Die Dis­kus­si­on um den Wolf darf nicht dazu die­nen, den Arten­schutz zu unter­gra­ben. Bes­se­re Ent­schä­di­gungs­re­ge­lun­gen und eine stär­ke­re Nut­zung von EU-För­der­mit­teln für den Her­den­schutz sind der rich­ti­ge Weg. Eine Lega­li­sie­rung der Jagd auf Wöl­fe, wie der Euro­päi­sche Gerichts­hof kürz­lich bestä­tig­te, ist nicht ver­ein­bar mit EU-Recht.

Koexis­tenz ist har­te Arbeit – popu­lis­ti­sche Schnell­schüs­se brin­gen uns nicht weiter.

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4 Kommentare

  1. Dietrich Pax
    5. Oktober 2024
    Antworten

    hal­lo Frau Klen­zen­dorf, popu­lis­ti­sche Debat­ten las­sen auch mich erschau­dern. Bit­te des­halb mehr Sach­lich­keit in der Einleitung.
    Der Schutz­sta­tus kann, wie Sie mut­maß­lich wis­sen, nur bei einem “guten Erhal­tungs­zu­stand” abge­sekt wer­den. Nach­dem wir in Deutsch­land mehr als ca. tau­send erwach­se­ne Wöl­fe haben (ca. der­zeit 1800) ist die­ser Zustand erreicht. Des­halb ist es gebo­ten, den Schutz­sta­tus abzu­sen­ken und ein sinn­vol­les Wolfs­ma­nage­ment zu beginnen.
    Hier­bei ist ins­be­son­de­re die Bewei­dungs­pfle­ge von Kleinbiotopen/Trittsteinbiotopen zu berück­sich­ti­gen, wel­che nur mit klei­nen Her­den (meist Scha­fen) mög­lich ist. Hier könn­te das akti­ve “Anler­nen” von Wöl­fen an nicht bewei­de­ten Flä­chen mit Elek­tro­zäu­nen ziel­füh­rend sein. Wöl­fe, wel­che wei­ter­hin die Zäu­ne über­win­den, müs­sen, juris­tisch ein­fach, ent­nom­men wer­den kön­nen. Auch wäre eine zeit­lich (z.B. 1–2 Wochen), räum­lich (z.B. 500 m um Gehöf­te und Wei­den) und men­gen­mä­ßig (z.B. max. 1/3 des Bestan­des) genau limi­tier­te Jagd sinn­voll. Dadurch könn­ten wir den Wolf in Deutsch­land in einem guten Erhal­tungs­zu­stand erhal­ten, ohne ande­re Arten (durch Nicht mehr Bewei­dung) zu schä­di­gen, und eine hohe Akzep­tanz sowohl in der Bevöl­ke­rung, als auch bei den Tier­hal­ten­den erlangen.

  2. Jörg
    5. Oktober 2024
    Antworten

    Deutsch­land, Euro­pa und die gan­ze Welt wer­den immer mehr zu einer Agrar- und Lob­by­dik­ta­tur. Es wer­den ganz schlim­me Zei­ten auf unse­re Natur und Mit­ge­schöp­fe zukommen.

    • Dirk Priesmeier
      6. Oktober 2024
      Antworten

      Der Wolf ist in sei­ner Art doch gar nicht gefähr­det, aber die Nutz­tie­re der Bau­ern. Das nimmt man in Kauf, gehö­ren ja zur Agrar­lob­by. Der Wolf wird sich ohne Beja­gung immer wei­ter aus­brei­ten. Das Bau­ern­ster­ben geht wei­ter, aber kei­nen inter­es­siert es.

  3. Nurel Kestel
    8. Oktober 2024
    Antworten

    Wöl­fe gehö­ren zum Kreis­lauf der Natur. Da der Mensch sie in Dtl. fast aus­ge­rot­tet hat, gehört es zu sei­ner Pflicht ihn streng zu schüt­zen, damit sich in den Wäl­dern ein neu­es öko­lo­gi­sches Gleich­ge­wicht (ohne unnö­ti­ge Schie­ße­rei der Jäger) auf­bau­en kann.
    Wöl­fe sind die natür­li­chen Jäger. Aus mei­ner Sicht läuft die Job­ver­tei­lung momen­tan verkehrt.
    Ich unter­schrei­be den Ansatz in Wolf-siche­re Umzäu­nun­gen zu inves­tie­ren. Und bin zudem per­plex, dass in der Zeit der stän­dig ver­bes­ser­ten tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten bis­her noch kei­ne opti­ma­le Absi­che­rung für die Schä­fer und ihre Schaf­her­den gewähr­leis­tet wer­den konnte.

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