Hät­te, hät­te, Lieferkette


Verbesserungswürdig: Die unternehmerische Sorgfaltspflicht nicht nur bei Kakao. © Gabriel Vanerio / WWF Ecuador

Unser Wohl­stand hat sei­nen Preis. Und wir wis­sen alle, dass  er maß­geb­lich von der Nut­zung unse­rer natür­li­chen Res­sour­cen abhängt. Die Rech­nung zah­len nicht nur die Konsument:innen, son­dern auch Bäuer:innnen, die im Pes­ti­zid­ne­bel ihre Gesund­heit rui­nie­ren und Näher:innen, die für einen Hun­ger­lohn Bil­lig-T-Shirts pro­du­zie­ren. Unser Kon­sum geht auf Kos­ten von Wäl­dern, Mee­ren und Moo­ren und allem was dar­in lebt oder ver­sucht zu über­le­ben. Nichts Neu­es. Also: Höchs­te Zeit, dass sich was ändert.

Das dach­te sich auch die EU-Kom­mis­si­on und leg­te bereits im Febru­ar 2022 den Ent­wurf eines soge­nann­ten Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes vor. Die Richt­li­nie hat das Ziel, Unter­neh­men stär­ker in die Pflicht zu neh­men. Sie sol­len sicher­stel­len, dass ent­lang ihrer Lie­fer­ket­te Umwelt- und Sozi­al­stan­dards ein­ge­hal­ten und Men­sch­rech­te respek­tiert wer­den. Sorg­falts­pflicht nennt sich das Gan­ze. Eine gute Idee und eigent­lich eine Selbstverständlichkeit.

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Nicht nur die Tex­til­in­dus­trie muss sich stär­ker um Sozi­al- und Umwelt­stan­dards küm­mern. Im Bild: Baum­wol­le aus Paki­stan. © Asim Hafeez / WWF-UK

Ver­hand­lungs­ma­ra­thon

Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen einig­te sich EU-Kom­mis­si­on, Par­la­ment und Minis­ter­rat im Dezem­ber 2023 im so genann­ten Tri­log infor­mell auf einen Ent­wurf. Ein in der EU übli­ches Rou­tin­ever­fah­ren. Damit war der Weg für das Lie­fer­ket­ten­ge­setz eigent­lich frei. Eigent­lich. Doch Brüs­sel hat­te die Rech­nung ohne die FDP gemacht. Die grätsch­te in letz­ter Minu­te vor der ent­schei­den­den Abseg­nung des EU-Rates dazwi­schen. Denn Deutsch­land pflegt sich bei Ent­schei­dun­gen zu ent­hal­ten, wenn sich die Par­tei­en inner­halb der Regie­rung nicht eini­gen kön­nen. Das kommt lei­der häu­fi­ger vor und es waren wie­der ein­mal die Frei­en Demo­kra­ten, die dies­mal in aller­letz­ter Minu­te eine Voll­brem­sung hin­leg­ten. Eine Ent­hal­tung kommt einer Gegen­stim­me gleich. Nun dürf­te es einer Par­tei, die sich „libe­ral“ nennt, argu­men­ta­tiv schwer­fal­len, klar­zu­stel­len, war­um sie sich der Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten und Umwelt­schutz ent­ge­gen­stellt. Die Minis­ter Mar­co Busch­mann und Chris­ti­an Lind­ner ver­such­ten es auch gar nicht ernst­haft und spra­chen von einem „Büro­kra­tie­mons­ter“, das den Mit­tel­stand und den Stand­ort Deutsch­land bedro­he. Dabei hat­ten sie selbst bis zuletzt an For­mu­lie­run­gen mitgefeilt.

Hal­tung der Wirtschaft

Tat­säch­lich ist den Wirt­schafts­li­be­ra­len wohl ein Kla­ge­recht gegen­über Unter­neh­men, ein Dorn im Auge. Kom­men die Kon­zer­ne ihrer Sorg­falts­pflicht nicht nach, dro­hen Buß­gel­der bis zu fünf Pro­zent des Jah­res­um­sat­zes. Das könn­te der Grund sein, war­um Wirt­schafts­ver­bän­de wie der BDI,  der Arbeit­ge­ber­ver­band BDA ‚die DIHK oder der Außen­han­dels­ver­band und ande­re Spit­zen­ver­bän­de die Geset­zes­in­itia­ti­ve scharf kri­ti­sie­ren und Nach­bes­se­run­gen einfordern.

Die Vor­be­hal­te der Fir­men­bos­se waren erwart­bar. Aller­dings ist die Stim­mungs­la­ge in der deut­schen Wirt­schaft kei­nes­wegs ein­deu­tig. Einer aktu­el­len Erhe­bung zufol­ge hal­ten 80 Pro­zent der befrag­ten Fir­men die Auf­la­gen des EU-Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes für rea­li­sier­bar. Zwar ent­ste­hen Mehr­kos­ten, die meis­ten Manager:innen rech­nen aber mit einem Return on Invest­ment.  Vor, aber auch nach der Blo­cka­de, haben sich vie­le Unter­neh­men direkt an die Poli­tik gewandt, damit Deutsch­land für das Gesetz stimmt. Dar­un­ter kei­nes­falls nur wel­che aus der grü­nen Nische, wie Vau­de, son­dern auch Tchi­bo, Bay­er, KiK und Aldi Süd.

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Blo­ckier­tes Lieferkettengesetz

Es ist mehr als offen­sicht­lich, dass sich die FDP. ein­mal mehr auf Kos­ten ihrer Koali­ti­ons­part­ner pro­fi­lie­ren will und sich als Ret­ter des deut­schen Mit­tel­stands auf­spielt. Kein Wun­der, denn schließ­lich kämpft die Fünf-Pro­zent-Par­tei selbst ums par­la­men­ta­ri­sche Über­le­ben. Sie ris­kiert mit ihrer Blo­cka­de­tak­tik aus innen­po­li­ti­schem Kal­kül aller­dings, dass sich Deutsch­land auf euro­päi­scher Ebe­ne kom­plett zum Dep­pen macht. Die Reak­tio­nen auf das destruk­ti­ve Vor­ge­hen waren entsprechend.

In einer glo­ba­li­sier­ten Welt tra­gen wir eine Mit­ver­ant­wor­tung wie unse­re Pro­duk­te her­ge­stellt wer­den.  Eine künst­le­ri­sche Annä­he­rung lie­fert Sebas­tião Sal­ga­do mit sei­nem neu­en Foto­band. Mit sei­ner kämp­fe­ri­schen Foto­gra­fie doku­men­tiert er die Welt der Arbeit. 
© Sebas­tião SALGADO / Taschen

Deutsch­land hat­te die Richt­li­nie im mona­te­lan­gen  Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren mit­ge­tra­gen und Erleich­te­run­gen für mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men ermög­licht. Der für das Ver­fah­ren zustän­di­ge Arbeits­mi­nis­ter Huber­tus Heil war nach dem „No Go“ sei­nes Koali­ti­ons­part­ners ent­spre­chend bedient und sprach von einer „ideo­lo­gisch moti­vier­ten Blo­cka­de“. Womit er sicher nicht falsch liegt.

Modell Deutsch­land

Zum Hin­ter­grund gehört, dass es in Deutsch­land anders als im Rest Euro­pas bereits ein Lie­fer­ket­ten­ge­setz gilt. Das hat­te schon die Regie­rung unter Ange­la Mer­kel im Juni 2021 ver­ab­schie­det.  Die Vor­ga­ben für die Unter­neh­men hier­zu­lan­de sind zwar weni­ger streng als in der geplan­ten euro­päi­schen Rege­lung, aber sie betref­fen eben nur die Fir­men hier­zu­lan­de. Ein EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz hät­te für glei­che Spiel­re­geln in Euro­pa und damit für mehr unter­neh­me­ri­sche Chan­cen­gleich­heit gesorgt. Hät­te, hät­te Lieferkette…

Ein Satz mit x

Nach­dem sich das Schei­tern des Gesetz­ent­wur­fes abzeich­ne­te, nahm die bel­gi­sche Rats­prä­si­dent­schaft die Abstim­mung kurz­fris­tig von der Tages­ord­nung. Doch das Manö­ver konn­te den Gesetz­ent­wurf nicht mehr ret­ten. Wegen der wider­sprüch­li­chen Hal­tung aus Deutsch­land gin­gen auch ande­re Län­der auf Abstand.  Für die Annah­me des Geset­zes wäre eine dop­pel­te Mehr­heit im Euro­pa­rat nötig gewe­sen. Das heißt, es hät­te nur in Kraft tre­ten kön­nen, wenn nicht nur die Mehr­heit der Mit­glieds­län­der zuge­stimmt, son­dern die­se zugleich die Mehr­heit der euro­päi­schen Bevöl­ke­rung reprä­sen­tiert hät­te. Das war wohl nix. Ende Febru­ar lehn­te der EU-Rat den Vor­schlag ab. Ein schwe­rer Rück­schlag für die Bemü­hun­gen um eine nach­hal­ti­ge­re und gerech­te­re euro­päi­sche Wirtschaft.

Über­ra­schen­der Kompromiss

Dass es Mit­te März doch noch zu einem Kom­pro­miss kam, war für vie­le eine Über­ra­schung. Deutsch­land blieb bei sei­ner Ent­hal­tung, aber ande­re Staa­ten wie Frank­reich und Spa­ni­en lenk­ten ein. Aller­dings kam dabei nur ein deut­lich abge­schwäch­tes Regel­werk her­aus. Zunächst gilt das Gesetz nur für Fir­men mit min­des­tens 1.000 Mit­ar­bei­tern und einem Jah­res­um­satz von 450 Mil­lio­nen Euro. Zudem wur­den die Über­gangs­fris­ten noch ein­mal ver­län­gert und die Haf­tungs­re­geln bei Ver­stö­ßen aufgeweicht. 

Müh­sam ernährt sich das Eich­hörn­chen! Wir begrü­ßen, dass letzt­lich über­haupt eine Eini­gung über das Lie­fer­ket­ten­ge­setz zustan­de gekom­men ist. Die­se stark abge­schwäch­te Ver­si­on sen­det aller­dings ein fata­les Signal an alle Men­schen, die nun wei­ter­hin unter Miss­stän­den in den Wert­schöp­fungs­ket­ten lei­den müs­sen. Vie­len Dank Herr Lind­ner. Für nichts!

 

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