Den Weg aus der Kohle sucht Deutschland in einem sozialverträglichen Prozess. Hier in Bulgarien entscheidet ein Oligarch über den Kohleaustieg.
Das Gefängnis in Bobov Dol ist eines der am modernsten wirkenden Gebäude. Hier blättert kein Putz von den Wänden, fehlen keine Fenster, laufen keine Risse vom Boden bis hin zum Dach. Damit sticht das Gefängnis hervor gegenüber den vielen halb oder ganz verfallenen Häusern der bulgarischen Stadt, rund 1,5 Stunden südwestlich Sofias. Und, weil es direkt neben der Kohlemine liegt. Denn hier, in den Provinzen Pernik und Kjustendil, wird Braunkohle gefördert.
Wenn der Oligarch über Strukturwandel entscheidet
Die Kohleförderung und die Nähe zur Hauptstadt sind aber fast schon wieder alles, was diese Region mit ihrem deutschen Counterpart, der Lausitz, vergleichbar machen. Denn auch, wenn die Lausitz ebenfalls einen Strukturwandel weg von der Kohle durchlebt – die bulgarische Version gestaltet sich anders. Und keinesfalls nachahmenswert. Während man den Weg aus der Kohle in Deutschland in einem gesamtgesellschaftlichen und sozialverträglichen Prozess sucht, entscheidet in Bulgarien ein Oligarch.
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Ihm gehören alle Minen, Tagebaue, Kraftwerke des Landes. Das weiß jeder, auch wenn es nicht richtig offiziell ist. Und er hat im vergangenen Jahr von heute auf morgen, eine Mine in Bobov Dol stillgelegt. Von heute auf morgen, erzählt man hier. Für die Beschäftigten gab es noch eine Kompensation in Höhe einer Monatszahlung. Dann war Schluss. Keine Übergangsregelung, kein vorzeitiger Ruhestand. „Die Regierung hat gesagt, das ist die Realität, wir brauchen euch nicht mehr – und das war’s“, berichten die früheren Bergleute Ivaylo Antonov und Kiril Minev den Teilnehmern einer Projektreise aus Griechenland, Polen und Deutschland, die im Juni in Bobov Dol zu Gast waren.
Herkulesaufgabe Kohleausstieg
Das Projekt, das von den WWF-Büros der vier Staaten ins Leben gerufen wurde und vom Bundesumweltministerium gefördert wird, untersucht in den Kohleregionen der teilnehmenden Länder, wie ein umwelt- und sozialverträglicher Wandel aussehen kann. In Bulgarien, so scheint es, ist das verglichen mit Deutschland eine Herkulesaufgabe. Das liegt zu einem großen Teil an der wirtschaftlichen Lage Bulgariens, dem ärmsten Land der EU. Und es liegt sicher auch an dem hohen Grad an Korruption.
Derzeit kommt die Primärenergie noch etwa zur Hälfte aus der Kohle. Dabei hat das Land gute Voraussetzungen für Wind und Sonne. Und der Beruf des Bergarbeiters hat zwar einen guten Ruf, viel mehr als der Rest der Bevölkerung verdient man als Bergmann aber nicht. Antonov und Minev bekamen gerade einmal rund 350 Euro im Monat.
Ausweg Tourismus?
Die Kohleregion südwestlich von Sofia hätte auch viel Potenzial für Tourismus. Wanderwege führen durch Nationalparks mit schneebedeckten Bergen, heiße Thermalquellen haben ein paar Resorts angezogen. Doch noch kommen nicht genug Touristen, um die Region wirtschaftlich auf die Beine zu stellen. Die Kohleindustrie allerdings tut das auch schon lange nicht mehr.
Ein Problem, das jedenfalls war ein Fazit von den Teilnehmern der Projektreise, scheint auch die passive Haltung kommunaler und regionaler Verwaltung zu sein. Statt selbst aktiv zu werden, wartet man hier. Auf den nächsten großen Investor, der alles ändert. Dass damit neue Abhängigkeiten geschaffen werden, wird erst einmal ausgeblendet.
Was es stattdessen bräuchte, wäre eine Vielfalt aus Initiativen für eine nachhaltige und stabile Regionalwirtschaft. Zumindest im Kleinen fängt Bobov Dol damit an: In der technischen Oberschule, in der früher das Bergbau-Handwerk gelehrt wurde, steht seit einigen Monaten eine Solaranlage auf dem Dach. Nun werden die Schülerinnen und Schüler darin ausgebildet, Photovoltaik zu installieren und warten.
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