War­um die EU-Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie uns alle angeht


Biodiversität in Europa: Eine Gruppe von Zieseln
Die Ziesel interessieren sich sehr für Biodiversität - es geht um`s Überleben © Wild Wonders of Europe / Konrad Wothe / WWF

Wäh­rend es in der Welt gera­de eher um das schöns­te Design eines Mund-Nasen­schut­zes und die Anzahl an Ein­käu­fern in einem Super­markt geht, hat die EU eine Stra­te­gie zu einem der wich­tigs­ten The­men unse­rer Zeit ver­öf­fent­licht: zur Bio­di­ver­si­tät in der Euro­päi­schen Union.

Wer bei Bio­di­ver­si­tät jetzt zuerst an den Regen­wald in Bra­si­li­en oder die Tier­welt in Neu­see­land denkt liegt nicht falsch. Genau­so gibt es aber auch eine unglaub­li­che bio­lo­gi­sche Viel­falt bei uns in Euro­pa, die unser Leben maß­geb­lich beein­flusst. Wer sich mal die Zeit nimmt und sich im Wald, auf dem Acker vor der Stadt oder im haus­ei­ge­nen Gar­ten genau umschaut, ent­deckt ver­schie­dens­te Vögel, Pil­ze und Insekten.

Noch gibt es allein in Deutsch­land 48.000 Tier­ar­ten, fast 10.000 Pflan­zen- und mehr als 14.000 Pilz­ar­ten. Die­se Arten­viel­falt ist jedoch zuneh­mend bedroht. Wir befin­den uns im größ­ten Arten­ster­ben seit dem Ende der Dino­sau­ri­er­zeit, in einem vom Men­schen ver­ur­sach­ten Pro­zess. So sind in Deutsch­land nach dem Bericht zur Lage der Natur 2020 nur noch ein Vier­tel der Arten und weni­ger als ein Drit­tel der Lebens­raum­ty­pen intakt.

Fischotter
Bio­di­ver­si­tät in Euro­pa: Fisch­ot­ter © Ralph Frank / WWF

Umso drin­gen­der war es, dass die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on nun end­lich eine Stra­te­gie umsetzt, wie sie mit die­sem Bio­di­ver­si­täts­ver­lust umgeht. Und zukünf­tig Schmet­ter­lin­ge, Ler­chen, Hum­meln, Korn­blu­men, Biber, Fle­der­mäu­se und alle ande­ren Lebe­we­sen vor unse­ren Türen schüt­zen will.

Des­halb ist die Stra­te­gie so unglaub­lich wich­tig – aber was steht nun eigent­lich drin?

Erst ein­mal erkennt die neue EU-Stra­te­gie die bio­lo­gi­sche Viel­falt als Grund­la­ge für das mensch­li­che Wohl­erge­hen an. Ein­fach gesagt: Mei­ne, dei­ne, unse­re Gesund­heit ist abhän­gig von der Gesund­heit unse­rer Bio­di­ver­si­tät. Die Stra­te­gie ent­hält die kla­re Bot­schaft, dass der Schutz der bio­lo­gi­schen Viel­falt der Schlüs­sel ist, um die Wider­stands­kraft unse­rer Gesell­schaft zu stär­ken. Denn durch die Zer­stö­rung natür­li­cher Öko­sys­te­me wird der Kon­takt zwi­schen Men­schen und der wil­den Tier- und Pflan­zen­welt immer enger. Dies begüns­tigt das Ent­ste­hen von neu­en Krank­hei­ten (Zoo­no­sen). So erle­ben wir es auch gera­de am Bei­spiel COVID-19. Intak­te natür­li­che Öko­sys­te­me kön­nen das Risi­ko der Über­tra­gung sol­cher Krank­hei­ten auf den Men­schen verhindern.

Damit erkennt die EU-Kom­mis­si­on schon mal eine wich­ti­ge Tat­sa­che: Es braucht jetzt schnel­le, ehr­gei­zi­ge und trans­for­ma­ti­ve Maß­nah­men zur Hil­fe für unse­re bio­lo­gi­sche Viel­falt! Denn bei vie­len Arten sind Ver­lus­te und Schä­den schon ein­ge­tre­ten und es ist unklar wie vie­le von die­sen repa­ra­bel sind.

Und wel­che kon­kre­ten Ver­pflich­tun­gen umfasst die Strategie?

Die Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie sieht den Schutz von 30 Pro­zent der euro­päi­schen Land- und Mee­res­flä­che bis 2030 vor. Ein Drit­tel davon wie­der­um sol­len „strikt geschützt“ sein. Zusätz­lich will die Kom­mis­si­on bis 2021 ver­bind­li­che Zie­le zur Wie­der­her­stel­lung von zer­stör­ten Öko­sys­te­men setzen.

Biodiversität EU: Adler mit gefangenem Fisch: Greifvögel könnten wieder ins Visier geraten
Bio­di­ver­si­tät in Euro­pa: der See­ad­ler © Wild Won­ders of Euro­pe /Staffan Wid­s­trand / WWF

Die Stra­te­gie the­ma­ti­siert aber auch bestehen­de Richt­li­ni­en. Wie bei­spiels­wei­se die Was­ser­rah­men­richt­li­nie, bei der es um umwelt­ver­träg­li­che Was­ser­nut­zung geht. Die­se Richt­li­ni­en gibt es teil­wei­se schon lan­ge, aber sie basie­ren bis­her meist auf dem Prin­zip der Frei­wil­lig­keit. Die Pro­ble­me bei ihrer Umset­zung könnt ihr euch aus­ma­len. Jetzt wer­den eini­ge die­ser Richt­li­ni­en ver­bind­lich gemacht.

Dar­über hin­aus the­ma­ti­siert die neue Stra­te­gie zahl­rei­che wei­te­re Berei­che: Grü­ne­re Städ­te, die Wie­der­her­stel­lung von Flüs­sen, die Besei­ti­gung des Bei­fangs und eine nach­hal­ti­ge­re Land­wirt­schaft. So soll ein Vier­tel der land­wirt­schaft­li­chen Flä­che in Euro­pa öko­lo­gisch bewirt­schaf­tet, sowie der Pes­ti­zid­ein­satz in der Land­wirt­schaft um die Hälf­te redu­ziert werden.

Also – die per­fek­te Strategie?

Lei­der nein. Es fehlt noch an kon­kre­ten Ansät­zen für die Imple­men­tie­rung der ambi­tio­nier­ten Plä­ne. Wie sol­len die For­de­run­gen umge­setzt wer­den? Und wel­che ver­bind­li­chen Zie­le müs­sen erreicht werden?

Außer­dem dro­hen die ehr­gei­zi­gen Plä­ne – wie das eben immer so ist – an den Finan­zen zu schei­tern. Ange­setzt sind 20 Mil­li­ar­den Euro zur Umset­zung der Stra­te­gie, sowie ein Vier­tel des EU-Bud­gets für Kli­ma und Bio­di­ver­si­tät. Das ist noch zu wenig. Ein höhe­res Invest­ment wür­de sich hier lang­fris­tig aus­zah­len. Denn wie beim Kli­ma ist Abwar­ten lang­fris­tig viel teu­rer als sofor­ti­ges Handeln.

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Ein ande­res The­ma sind Sub­ven­tio­nen. Im Green Deal, dem Kon­zept für eine nach­hal­ti­ge, grü­ne und star­ke Uni­on hat die EU-Kom­mis­si­on sich noch zu „Do no harm“ ver­pflich­tet. Also dazu, dass poli­ti­sche Maß­nah­men kei­nen Scha­den anrich­ten dür­fen. In der Land­wirt­schaft gibt es jedoch lei­der immer noch zahl­rei­che, bio­di­ver­si­täts­schäd­li­che Sub­ven­tio­nen. Häu­fig hono­rie­ren Gel­der die Grö­ße von Betrie­ben und nicht Leis­tun­gen für die Umwelt. Das soll­te sich in Zukunft ändern – wird aber von der Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie lei­der nicht thematisiert.

Ein Fazit?

Die Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie hat gro­ßes Poten­zi­al. Aber wir brau­chen jetzt muti­ge Umset­zer. Denn ohne den zwei­ten und drit­ten und vier­ten Schritt ist der ers­te Schritt eben nicht viel mehr, als eine wei­te­re Absichts­er­klä­rung. Die­se not­wen­di­gen Schrit­te sind zunächst die Bestä­ti­gung des ambi­tio­nier­ten Ent­wurfs durch das EU Par­la­ment und den Euro­päi­schen Rat. Wird die Stra­te­gie 2021 end­gül­tig ver­ab­schie­det, ist die gesetz­li­che Imple­men­tie­rung der Zie­le an der Rei­he. Für vie­le For­de­run­gen müs­sen dafür noch Grenz­wer­te fest­ge­legt und Geset­ze for­mu­liert wer­den. Außer­dem braucht es nicht nur die kla­re Unter­stüt­zung von den natio­na­len Minis­ter­rä­ten der Mit­glieds­staa­ten. Die­se müs­sen die Bio­di­ver­si­täts­zie­le in ihre natio­na­le Poli­tik mit­neh­men. Und bei­spiels­wei­se bei der Gestal­tung von Kon­junk­tur­pro­gram­men beachten.

Das The­ma Bio­di­ver­si­tät ist mit der EU-Stra­te­gie kei­nes­falls abge­schlos­sen. Aber wir befin­den uns zumin­dest in der rich­ti­gen Rich­tung zur Ret­tung von Zie­sel, Fisch­ot­ter, Wisent, Moor­veil­chen, Sumpf­schild­krö­te und Co.

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3 Kommentare

  1. Heinz-Manfred Droste
    6. Juni 2020
    Antworten

    Guten Tag „ wie­der mal eine sehr inter­es­san­te Infor­ma­ti­on über diver­se drin­gen­de Themen !

    Aber war­um steht unter dem Foto eines S e e a d l e r s die Bezeich­nung ” Steinadler ” ?????

    Freund­li­che Grü­ße Heinz — Man­fred Droste

  2. 6. Juni 2020
    Antworten

    Klei­ne Kor­rek­tur: das Bild oben von dem gro­ßen Vogel mit dem Fisch zeigt kei­nen Stein­ad­ler, son­dern einen See­ad­ler! Anschei­nend atta­ckiert von einer Möwe? Denn es sind ja noch zwei Vogel­fü­ße und ‑flü­gel oben im Bild zu sehen — was das Bild eigent­lich spek­ta­ku­lär macht.
    Bes­te Grüße,
    Oli­ver Harms (Mit­glied und Ornithologe)

    • Oliver Samson WWF
      11. Juni 2020
      Antworten

      Hal­lo Oli­ver, der Feh­ler geht auf mei­ne Kap­pe, sor­ry! Ist korrigiert!
      Bes­te Grüße!

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