Was Effizienz und Produktivität betrifft, kann die deutsche Landwirtschaft sich wirklich sehen lassen. In kaum einem Land werden solche Getreide-Hektarerträge erzielt. Und auch auf die Landfläche bezogen, wird nirgends so viel Fleisch in hoher Qualität für den eigenen Konsum und den Export erzielt wie bei uns. Selbst um das Wohl der Tiere sorgt man sich – ein Tierwohllabel jagt das nächste.
So ist zumindest die oberflächliche Betrachtung – aber leider liegt die Tücke im Detail.
Was den Klima-Fußabdruck betrifft, leisten wir uns ein landwirtschaftliches Produktionssystem, das, je nachdem welche Treibhausgasemissionen einberechnet werden, rund sieben bis 14 Prozent zu den Treibhausgasen ganz Deutschlands beiträgt.
Treibhausgase: Zu geringe Reduktionsziele bis 2030
Da Deutschland zu den globalen Top-Ten-Treibhausgasemittenten der Welt gehört, verbergen sich hinter diesen Zahlen beachtliche Mengen. Die 66 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalente direkter Emissionen aus der Landwirtschaft entsprechen beispielsweise den gesamten Treibhausgasemissionen von Irland.
Die Landwirtschaft ist der Sektor, für den sich die Bundesregierung die geringsten 2030-Reduktionsziele aller Sektoren gesetzt hat. Lediglich eine Reduktion von maximal 34 Prozent (gegenüber den Emissionen von 1990) sind angepeilt. Alle anderen Sektoren liegen über 40 Prozent. Denn insgesamt muss die Bundesregierung die im Pariser Klimaabkommen gesetzten Reduktionsziele von 55 Prozent erreichen.
Klimaschutz: Landwirtschaft muss Beitrag leisten
Dass die Landwirtschaft hier geschont wird, liegt wohl daran, dass Nahrungsmittelproduktion nicht übergebührlich belastet werden soll. Nach dem Motto: „Aufs Autofahren kann verzichtet werden. Aber Essen muss nun einmal jeder. “
Das mag verständlich klingen, ist aber gelinde gesagt ambitionslos. Auch wird vergessen, dass die Landwirtschaft einen entscheidenden Vorteil hat, den viele andere Sektoren nicht haben. Sie kann aktiv zum Klimaschutz beitragen, indem Kohlendioxid aus der Luft festgelegt wird.
1. Kohlendioxid-Emissionen stoppen, Moorböden schützen
Entwässerte und in landwirtschaftlicher Nutzung befindliche Moorböden sind echte CO2 Schleudern! Der über Jahrtausende aufgebaute Torf wird rasant abgebaut. Obwohl sie nur rund acht Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen, emittieren sie zwischen 30 und 40 Mio. Tonnen Kohlendioxid jedes Jahr. Der effektivste und vergleichsweise einfachste Klimaschutz ist es, diese Emissionen zu stoppen. Das geht (leider) nur über eine gänzliche Wiedervernässung und somit Änderung/Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung.
2. Methan: Fleischkonsum senken, Nutztierzahlen reduzieren

Neben diesem „echten“ CO2 aus ehemaligen Moorböden ist Methan (CH4) ein ebenso großer Klimakiller in Deutschland. Methan entsteht bei der Verdauung von Wiederkäuern und dem Management von Wirtschaftsdünger (Gülle und Festmist). Gleichzeitig wirkt Methan etwa 25 mal klimaschädlicher als CO2. Wir leisten uns jährlich 33 Mio. CO2 Äquivalente in Form von Methanemission aus der Landwirtschaft. Weniger ist momentan zügig und mit einfachen Mitteln nur möglich, in dem wir Nutztierzahlen reduzieren.
Das heißt: Weniger Fleisch konsumieren! Zu einer Halbierung unseres momentanen Fleischkonsums raten auch Ärzte. Zudem ist zu diskutieren, wie viel Fleisch Deutschland für den reinen Export produzieren möchte bzw. was unserer Umwelt zugemutet werden kann. Weniger Tiere hieße hier auch weniger Import von nicht-nachhaltig produziertem Soja aus Südamerika und dem zusätzlichen CO2-Fußabdruck (und die brennenden Wälder), den wir dort hinterlassen.
3. Überdüngung stoppen: Nitrat und Lachgas senken

Gülle und Festmist enthalten unter anderem Stickstoff. Gerade deshalb werden sie als Wirtschaftsdünger auf den Acker ausgebracht. Das ist grundsätzlich gut, denn so wird dem Boden wieder zugeführt, was über die Pflanzen und Ernte vorher entzogen wurde. Aus dem Ruder läuft es, wenn zu viele Gülle produziert wird. Das ist eine direkte Folge der Tierzahlen. Aus dem Stickstoff wird unter anderem das Klimagas Lachgas (N2O) und Nitrat (NO3), das ins Grundwasser sickern kann. Auch synthetisch hergestellter mineralischer Stickstoffdünger verursacht diese „Verluste“. Das Treibhauspotential von Lachgas ist fast 300-fach höher als CO2. Bereits kleine Mengen haben also große Wirkung. Weitere 30 Mio. CO2-Äquivalente leisten wir uns in Form von Lachgas in unserer intensivierten Landwirtschaft.
Reduzieren wir die Stickstoffmengen, die wir in Form von Dünger ausbringen, so reduzieren sich auch – fast automatisch – diese Emissionen. Aber können wir uns das erlauben, ohne Flächenerträge (und damit auch Gesamterträge) zu schmälern und die Qualität unserer Anbaufrüchte zu gefährden? Die Antwort lautet: Das Problem ist einfach lösbar! Zum einen leisten wir uns momentan beachtliche Stickstoffüberschüsse. Es wird systematisch in Kauf genommen, dass große Mengen an Stickstoff gar nicht von den Pflanzen aufgenommen werden. Zum anderen lassen sich über effizientere Sorten und smartere Anbausysteme (und Fruchtfolgen) solche Einsparungen ohne Zielkonflikte realisieren. Hier ist also “viel Luft nach oben”, im wahrsten Sinne des Wortes.
4. Humus: Gesunde Böden fördern Klimaschutz

Humus, d.h. die organische Substanz im Boden, enthält viel Kohlenstoff, der als CO2 von Pflanzen aus der Luft aufgenommen wurde. Unsere landwirtschaftlichen Böden haben im Laufe von Jahrhunderten Humus verloren. Man geht davon aus, dass Böden auch heute noch Kohlenstoff in Form von CO2 verlieren. Aber mit geeignetem ackerbaulichem Management wäre es möglich, den Humusgehalt wiederaufzubauen. Diese Kohlenstoffsenke “Boden” wäre für mindestens die nächsten 20 Jahre eine Möglichkeit, jährlich rund 15 Mio. Tonnen CO2 einzusparen. Fast nebenbei würden wir auch die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Unsere Landwirtschaft wäre so klimaresilienter aufgestellt. Denn humose Böden speichern mehr Wasser und Nährstoffe.
Klimaschutz: Deutsche Landwirtschaft kein Exportschlager
Diese vier Tipps folgen klassischen Ansätzen; andere Innovationen (Digitalisierung, Fortschritte in der Pflanzenzüchtung, effizientere Kreislaufwirtschaft, etc.) sind hier noch gar nicht angedacht, und böten weitere Einsparpotentiale, wenn sinnvoll gefördert und gesteuert.
Aber eins sollte klar sein: Ohne diese Transformation der deutschen Landwirtschaft ist sie leider momentan kein wirklicher „Exportschlager“. Der Klimafußabdruck unserer Landwirtschaft ist einfach zu hoch!
Grüne Revolution in Afrika?
Eine grüne Revolution für Afrika, nach dem Vorbild der landwirtschaftlichen Intensivierung in Asien in den 1970ern (soll heißen, in Grundzügen der Landwirtschaft wie ich sie oben skizziert habe), und so wie sie noch immer von einigen Akteuren in der Entwicklungszusammenarbeit mit Nachdruck gefordert und gefördert wird, würde nicht nur bedeuten, dass afrikanische Länder die gleichen Fehler machen wie wir – wir hätten also offensichtlich nichts gelernt. Darüber hinaus würden wir auch die Erderhitzung zusätzlich befeuern. Das darf nicht unser Ziel sein!
Rechnen Sie es sich selbst aus: wenn 16,7 Mio. Hektar unter Landwirtschaft in Deutschland 66 Mio. Tonnen CO2 emittieren (≈ 4 t CO2 pro Hektar), wie viele Tonnen wären dies bei einer analog intensivierten Landwirtschaft in Afrika südlich der Sahara auf 1025 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Fläche?
Vielen Dank für den Beitrag zum Klimaschutz in der Landwirtschaft. Mein Onkel führt ein Landwirtschaftsunternehmen und es wird viel unternommen, um die Prozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Gut zu wissen, das Überdüngung dazu führen kann, dass Nitrat und Lachgas ins Grundwasser gelangen können, da die großen Mengen nicht von den Pflanzen aufgenommen werden können.
Gut zu wissen, dass die deutsche Landwirtschaft sich wirklich sehen kann, wenn es um Produktivität und Effizienz geht. Ich dachte nicht, dass in kaum einem Land solche Getreide-Hektarerträge erzielt werden. Da ist es ja kein Wunder, dass der Landwirtschaftshandel boomt.
Danke, dass Sie neben den Moorböden auch auf die Nutztierhaltung eingehen. Um die Klimaziele einzuhalten, muss an allen Schrauben gedreht werden. Torfabbau muss sinnvoll geplant sein und die Anzahl der Nutztiere reduziert werden. Das Treibhauspotential von Lachgas war mir vorher in dem Ausmaß gar nichts bekannt.