Nach einer langen Flugreise und einem Zwischenstopp in Winnipeg sind wir endlich in Churchill angekommen. Der Himmel ist grau und verhangen – mit schneeschwangeren Wolken. Beim Blick aus dem Kabinenfenster im Flugzeug ist uns schon etwas mulmig, den Schutz der Maschine verlassen zu müssen. Draußen erwarten uns nämlich dichtes Schneetreiben, sagenhafte 18 Grad unter Null und Eisbären!
Churchill ist die Hauptstadt der Eisbären
Jedes Jahr zwischen Ende Oktober und Anfang November tummeln sich hunderte von Eisbären in der Umgebung von Churchill. Sie warten darauf, dass die Hudson Bay zufriert, um dann endlich nach einer langen Sommerfastenzeit auf Robbenjagd zu gehen. Es ist ein faszinierendes Schauspiel: Fast überall in der Kleinstadt könnten zu dieser Jahreszeit Eisbären sein. Aus Sicherheitsgründen sind wir in den nächsten Tagen hauptsächlich mit unserem Auto unterwegs.
Unsere Unterkunft ist einfach eingerichtet. Das wichtigste jedoch: Sie ist gemütlich warm. Bei unserer ersten Erkundungstour durch die Stadt wird klar, mit welcher Vorsicht sich die Bewohner durch das Städtchen bewegen. Arktische Sicherheit im Bezug auf Eisbären ist ein Konzept, was wir bislang noch nicht kannten. Wir werden gebeten, unsere Auto- und Haustüren NICHT zu verschließen. Im Notfall nämlich, also wenn ein Eisbär durch den Ort wandert, sollen Einwohner schnellen Schutz in parkenden Autos oder hinter Haustüren suchen können.
Eisbärenpatrouille im Einsatz
Beim Frühstück am nächsten Morgen hören wir einen Hubschrauber über unserem Haus kreisen. Der Helikopter gehört zur “Eisbärenpatrouille” und wir wollen ihr unbedingt bei der Arbeit zu schauen. Daher schnell ins Auto! Die Eisbären, die der Stadt zu nahe kommen, werden mit spektakulären Aktionen aus Helikoptern und Spezial-Jeeps verscheucht oder vergrämt, wie es in der Fachsprache heißt. So schützt die Patrouille die Bewohner vor den Eisbären. Und die Eisbären vor den Menschen.
Klimawandel: Eisbären verändern ihr Verhalten
Durch die verlängerte Wartezeit der Bären an Land bis die Hudson Bay zufriert kommen sie immer häufiger in die Nähe von Siedlungen, die sie eigentlich meiden. Bei “unserem” heutigen Vergrämungseinsatz hier in Churchill sehen wir eine Eisbären-Mutter mit ihren zwei Jungen und drei Einzelbären, die von den mutigen Rangern verscheucht werden.
Untersuchungen ergaben, dass sich Churchills wachsende Attraktivität bei den Eisbären nicht durch ihre größer werdende Population erklärt, sondern eine Folge der Klimakrise ist. Nicht die Eisbären sollten also ihr Verhalten ändern müssen, sondern wir, die für das drohende Aussterben verantwortlich sind. Fangen wir am besten gleich damit an!
https://twitter.com/reyst/status/926464813437476864
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