Am Permafrost herrscht Tauwetter. Was passiert, wenn wir den schlafenden Kohlenstoffriesen wecken? Die Auswirkungen sind kaum vorhersehbar.
Im gefrorenen Boden der Arktis verbergen sich die weltweit größten Kohlenstoffvorkommen. Der Großteil davon ist seit Jahrtausenden im so genannten Permafrost eingeschlossen – Dauerfrostboden, der etwa ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel bedeckt. Nun beschleunigt die Klimaerhitzung das Auftauen des Permafrosts und setzt riesige Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre frei.
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Wie Früchte im Eisfach
Tiefgekühlte Beeren können jahrelang im Gefrierschrank überleben. Nimmt man sie jedoch heraus, beginnen sich die Früchte ziemlich schnell zu zersetzen. Ähnlich können Pflanzenreste von Bäumen, Sträuchern, Gräsern und Moosen, die in den Dauerfrostböden im Norden eingeschlossen sind, Jahrtausende überdauern – solange die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt bleiben. Taut der Boden, beginnt sich das organische Material zu zersetzen.
Das Problem dabei: Bei dieser Zersetzung wird der Kohlenstoff aus den Pflanzenresten in Treibhausgase umgewandelt, in erster Linie Kohlendioxid. Aus wassergesättigten Böden entweicht auch zunehmend Methan, also ein Treibhausgas, das rund 30 mal schädlicher ist als CO2. Welche Menge an Treibhausgasen nun tatsächlich vom auftauenden Permafrostboden freigesetzt wird, ist aufgrund der schieren Größe der Arktis nicht leicht zu ermitteln.
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Es gibt zwei Wege, die Freisetzung von Treibhausgasen zu untersuchen. Erstens, durch die direkte Messung der Emissionen vor Ort. Oder zweitens, durch die Entnahme von Bodenproben, mit denen sich ermitteln lässt, wie schnell sich das Pflanzenmaterial zersetzt. Hunderte Standorte in der Arktis wurden auf diese Weise schon untersucht. Insbesondere in Russland gibt es aber noch riesige schwarze Flecken auf der Landkarte.
Wissenschaftler:innen begannen bereits in den 1970er Jahren mit Untersuchungen zu auftauenden Permafrostböden. So richtig ins Rollen kam die Forschung erst in den späten 90ern. Jüngste Fortschritte bei Satellitenbildern und Computermodellen helfen heute, genügend Daten zu sammeln, um sogar zukünftige Emissionen vorherzusagen.
Drei Schlüsselfragen
Um diese Vorhersagen treffen zu können, müssen sind drei Fragen entscheidend:
- Wie schnell wird der Permafrostboden und der Bodenkohlenstoff auftauen?
- Wie leicht wird sich dieser aufgetaute Bodenkohlenstoff zersetzen?
- Und wie warm und feucht wird der Boden nach dem Auftauen sein?
Eine grundlegende Schwierigkeit bei der Vorhersage besteht darin, dass die Emissionen von Region zu Region und von Ökosystem zu Ökosystem unterschiedlich ausfallen werden. Das Tauen des Permafrostbodens in der Tundra Alaskas wird anders verlaufen als in einem kanadischen Moorgebiet und sich wiederum stark vom Tauwetter im sibirischen Taiga-Wald unterscheiden.
Die Menge an Eis ist entscheidend
Ein Schlüsselfaktor ist die Menge des Eises im Permafrostboden. Einige Permafrostböden enthalten viel Eis, was bedeutet, dass das Tauwetter zum Einbruch der Landoberfläche führt, einem so genannten Thermokarst. Die können zu Erdrutschen oder zur Bildung von Seen und Feuchtgebieten führen – ein Szenario, das die Methanproduktion begünstigt.
Die derzeitige Forschung versucht ebenfalls zu verstehen, welche Rolle Waldbrände beim Abtauen des Permafrosts spielen und wie wichtig die Treibhausgasemissionen während der langen Winter sind. Außerdem untersuchen Wissenschaftler:innen: Inwiefern gleicht das in einem wärmeren Klima verstärkte Pflanzenwachstum einen Teil der aus dem Boden freigesetzten Treibhausgase aus.
Was wir heute sagen können
Aktuelle Erkenntnisse deuten auf Folgendes hin: Das Auftauen des Permafrosts im 21. Jahrhundert wird eine Menge an Treibhausgasen freisetzen, die mit den Emissionen der großen Industrienationen von heute vergleichbar sind. Die Vorhersagen reichen dabei von einem Zusatz an Emissionen vergleichbar mit denen Japans bis hin zum Ausstoß der Vereinigten Staaten. Die Treibhausgasemissionen aus dem auftauenden Permafrost werden so vermutlich zwar keine unkontrollierte Klimaerhitzung verursachen. Die gegenwärtige Klimakrise dürfte sich dadurch aber weit über das hinaus beschleunigen, was allein durch andere anthropogene Emissionsquellen zu erwarten ist.
Die Lösung ist immer die gleiche
Fakt ist: Diese Emissionen werden so enorm sein, dass sie bei internationalen Klimaverhandlungen in Zukunft berücksichtigt werden müssen. Bis dahin ist der einzig gangbare Weg, um die Emissionen aus dem auftauenden Permafrost zu reduzieren, die von uns Menschen verursachten Treibhausgase von vornherein zu begrenzen.
Dieser Artikel ist zuerst im THE CIRCLE-Magazin erschienen.
Mehr zum tauenden Permafrost könnt ihr im WWF-Podcast Der gefrorene Planet hören.
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