Am 16. August 2022 hat der US-Präsident Joe Biden den Inflation Reduction Act (IRA) unterzeichnet. Nachdem die USA zuletzt mehrmals aus dem Pariser Abkommen ein- und ausgetreten sind, wird der IRA jetzt als historische Maßnahme des Kongresse im Bereich saubere Energie und Klimawandel gehandhabt. Doch bei genauerer Betrachtung sollten wir den IRA als Wirtschaftsförderprogramm bezeichnen. Denn wesentliche Merkmale eines Klimaschutzprogramms erfüllt er nicht.
Was ist der IRA?
Die Inflationsbekämpfung steht zwar im Titel des Gesetzes. Mit dem IRA soll jedoch allein Bidens Vision realisiert werden: Nämlich, dass die USA „weltweit führend in sauberer Energietechnologie, Produktion und Innovation bleiben“ sowie unabhängig von kritischen Rohstoffen werden. Insgesamt hat die Biden-Administration deshalb über 700 Milliarden US-Dollar Staatsausgaben für den IRA anberaumt. 370 Milliarden USD sollen in einem Zeitraum von über zehn Jahren in Investitionen für Energie- und Klimaschutztechnologien fließen. Das Hauptinstrument sind sogenannte Tax Credits: „Steuererleichterungen” oder „Gutschriften“, die – so steht es zumindest im Gesetz – klimafreundliche Technologien bezuschussen.
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Besitzer:innen von Eigenheimen erhalten so zum Beispiel Subventionen, wenn sie Solarpanels einbauen. Aber auch die Produktion von grünem und blauem Wasserstoff sowie Kohlenstoffabscheidung und ‑nutzung für Industrien werden subventioniert. Nicht alles davon ist klimafreundlich: Blauer Wasserstoff lässt sich mit Erdgas herstellen und basiert auf fossilen Energien. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 ist ein sehr energieintensiver Vorgang und darf andere Maßnahmen zur Emissionsreduktion nicht ersetzen.

Funktionieren sollen die Tax Credits so: Um zum Beispiel in den Genuss der Förderung für Wasserstoff zu kommen, darf die Lebenszyklusanalyse des Wasserstoffes maximal 4 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Wasserstoff aufweisen (betrachtet wird, wie viel CO2 ab der Herstellung bis zur Nutzung über die Verwertung ausgestoßen wird). Produziert ein Unternehmen das Kilo Wasserstoff mit 0,45 Kilogramm CO2-Ausstoß erhält es die maximale Fördersumme. Steuererleichterungen für die Abscheidung von CO2 dürfen laut Gesetz aber nur bei der Herstellung von blauem Wasserstoff zum Einsatz kommen.
Es gibt unterschiedliche Arten von Wasserstoff. Grüner Wasserstoff ist der klimafreundlichste, denn er wird mit erneuerbaren Energien produziert. Blauer Wasserstoff basiert auf Erdgas. Die CO2-Emissionen, die bei der Produktion entstehen, werden zwar über die CO2-Abscheidung abgefangen. Dafür muss jedoch zusätzlich Energie aufgewendet und weiterhin Erdgas gefördert werden. Grauer Wasserstoff basiert rein auf Erdgas. Da werden die Emissionen nicht abgeschieden, sondern gehen direkt in die Atmosphäre. Die abgeschiedene Tonne CO2 soll in einer Höhe von 60 bis 180 USD vergütet werden. Die Bezuschussung richtet sich danach, ob das CO2 gespeichert oder weiterverwendet wird. Eine konkrete Methodologie sowie erforderliche Monitoring- und Überprüfungsmechanismen liegen bisher nicht vor.
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Für die Steuererleichterungen ist keine Deckelung vorgesehen. Das heißt, bei hoher Nachfrage kann die tatsächliche Investitionssumme viel höher ausfallen, als die verabschiedeten 370 Milliarden USD. Die Tax Credits geben keine Sicherheit darüber, dass sie den Ausbau von grünem Wasserstoff fördern. Oder es bei der Verwendung von Gas für die Wasserstoffproduktion bleibt. Das ist besorgniserregend, da Lock-In-Effekte bei grauem oder blauem Wasserstoff sowie bei der CO2-Abscheidung auftreten können. Die Verwendung der Tax Credits basiert auf finanziellen Anreizen. Letztlich entscheidet also der Markt. Der Staat geht volles Risiko ein – auch weil die Kosten für die Technologien bisher auf Schätzungen basieren.
Trägt der IRA zum Klimaschutz bei?
Die US-Regierung plant ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 50 bis 52 Prozent zu senken. Das US-Energieministerium schätzt, dass der IRA in Kombination mit den bereits implementierten Instrumenten zu einer Emissionsreduktion von 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 führen wird. Der unabhängige Think-Tank Rhodium Group hat eine Emissionsreduktion von 32 bis 42 Prozent berechnet. Ohne den IRA würden nur 24 bis 35 Prozent erzielt werden. Die Zahlen machen deutlich, dass der IRA zur Erreichung der Klimaziele beitragen wird. Jedoch nicht in dem Maße, wie es nötig wäre. Mehr als die Hälfte der erwarteten Emissionssenkungen in der Industrie sollen zudem nicht aus erneuerbaren Energien stammen, sondern aus der CO2-Abscheidung.
Dem Gesetz ging keine Folgenabschätzung voraus, die die Auswirkungen auf Umwelt und Klima analysiert, wie es im Rahmen des EU-Gesetzgebungsprozesses üblich ist. Entsprechend können die Tax Credits zwar zum Klimaschutz beitragen – sie sind aber keine ausgewiesene Reduktionsmaßnahme. Hinter den Tax Credits stehen keine Berechnungen, die aufzeigen, zu welcher Reduktion sie führen können. Zudem lässt sich auch nicht voraussagen, für welche Technologien sie tatsächlich abgerufen werden. Dafür bräuchte es einen Blick in die Glaskugel. Der IRA ist also in erster Linie ein massives Investitionsprogramm und kein Klimaschutzprogramm.

Technologiesubventionen für mehr Klimaschutz?
Die USA reagieren mit Steuererleichterungen auf die Klimakrise. Ordnungspolitik für Klimaschutz in den USA ist fehl am Platz. Nur Kalifornien geht als Vorbild voran und führte bereits 2012 einen eigenen Emissionshandel in dem Bundesstaat ein. Aufgrund der vielen attraktiven Steuererleichterungen, die nur für vorrangig in den USA produzierende Unternehmen vorgesehen sind, haben einige in Europa ansässige Konzerne Abwanderungsgedanken geäußert. Der bürokratische Aufwand in der EU sei zu hoch, die Beantragungsverfahren dauerten zu lange. Der Business Case in Europa fehle, da Preise für Wasserstoff und Erneuerbare Energien mit der US-amerikanischen Produktion nicht wettbewerbsfähig seien.
Die Antwort der EU auf den IRA kam prompt in Rahmen eines Industrieplans für den Grünen Deal sowie einer Anpassung des Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF), das im Rahmen der Energiekrise implementiert wurde, um Zahlungen von Mitgliedstaaten an von der Krise betroffene Unternehmen zu erleichtern. So soll auch Europa unabhängiger von Rohstoffimporten werden und die Industrie für saubere Technologien weiter ausbauen. An das ursprüngliche Temporary Crisis Framework wurde dann das Transition Framework angehängt, das die Finanzierung sauberer Technologien in der EU gewährleisten soll. Die Anpassung des Beihilferahmens führt dazu, dass Mitgliedstaaten höhere Subventionen für Unternehmen erlassen dürfen, die sich wiederum aus dem Budget der Mitgliedsstaaten finanzieren. Beihilfezahlungen an Mitgliedstaaten sind in der EU stark reguliert, da sie zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen können.

Herzstück des Industrieplans für den Grünen Deal
In welche Technologien und unter welchen Bedingungen, diese Investitionen erfolgen dürfen, definiert das Herzstück des Industrieplans für den Grünen Deal, der Net Zero Industry Act („Netto-Null-Industrie-Gesetz“). In dem Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission, der sich noch in Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und Rat verändern kann, werden Produktionskapazitäten in Europa für Wind- und Solarenergie, nachhaltigen Wasserstoff sowie CO2-Abscheidung und kleine Kernkraftwerke vorgeschlagen und als Grün deklariert. Atomenergie und die CO2-Abscheidung führt Europa nicht zur Klimaneutralität und sollte nicht den gleichen Stellenwert erhalten wie Erneuerbare Energien. Denn diese Technologien sind nicht nachhaltig. Darüber hinaus muss die Vergabe von staatlichen Fördergeldern an verbindliche Konditionen geknüpft werden:
- Sofern staatliche Förderung an Unternehmen vergeben wird, sollten die Investitionen transparent gestaltet werden und einen Beitrag für das Klima, die Umwelt und die Gesellschaft erbringen.
- Zu fördernde Technologien sollten sorgfältig ausgewählt werden. So können Investitionen, die in die falsche Richtung laufen, von vornerein ausgeschlossen werden.
- Dafür braucht es klare Leitlinien und Vorbedingungen, um messbar sicherzustellen, dass die geförderten Aktivitäten auch zu 100 Prozent in den Klimaschutz einzahlen.
Europa hat einen Fahrplan Richtung Klimaneutralität bis 2050, der mit Gesetzen und mit einem noch nicht erschöpften Regelwerk an Instrumenten ausgestattet ist. Die USA dagegen können keine Pfadabhängigkeit klimapolitischer Gesetzgebung nachweisen. Steuererleichterungen oder staatliche Förderprogramme können keine Regulierung im Sinne des Klimaschutzes ersetzen. Produktionsanreize zur Förderung klimafreundlicher Technologien zu setzen ist richtig. Aber die Nachfrage nach der Förderung liegt im Ermessungsgrad der Unternehmen und ist von Wettbewerbsvorteilen abhängig und wird so letztlich nur vom Markt bestimmt. Wenn der Staat schon Anreize zur Finanzierung von Technologien setzt, die für die Energiewende notwendig sind, dann müssen diese auch anhand klar definierter Kriterien vorgegeben werden.
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