Wusstet ihr, dass Elefanten dick werden, wenn sie zu viel Palmöl essen? Ich auch nicht. Bis ich nach Sabah kam. Zweieinhalb Monate habe ich mit meinen Kolleg:innen in dem malaysischen Bundesstaat im Nordosten Borneos verbracht. Und jeden Tag dazu gelernt.
Bei meiner Arbeit dreht sich fast alles um Palmöl und seine Folgen. Palmöl ist eines der Haupt-Agrarprodukte auf Borneo. Auf fast einem Drittel der Fläche stehen Palmöl-Plantagen. Ein Drittel Palmöl — ja, das ist viel. Und wenn man durch Sabah fährt, ist der Blick aus dem Seitenfenster meist eintönig. Entlang der großen Straßen sieht man kaum etwas anderes als Ölpalmen. Sie stehen da in Reih und Glied und sind nicht mehr wegzudenken. Die Ölpalme prangt sogar auf dem 50-Ringit-Geldschein. Aber: Sabah hat sich verpflichtet, 30 Prozent seiner Fläche als Schutzgebiete (Totally Protected Areas) auszuweisen. Das ist eine Menge. Zum Vergleich: In Deutschland machen Schutzgebiete nicht einmal zehn Prozent des Landes aus. Dagegen sind in Sabah schon jetzt 26 Prozent unter Schutz gestellt.
Die Hälfte des Waldes soll stehenbleiben
Hinter, zwischen und neben den Plantagen findet sich vielerorts noch immer artenreicher Regenwald. Ich habe freilebende Orang-Utans gesehen, Gibbons aus den Baumkronen rufen hören und Nasenaffen vom Boot aus beobachtet. Sabah hat sich verpflichtet, die Hälfte des Landes bewaldet zu lassen. Dazu soll bis 2025 ausschließlich zertifiziertes Palmöl nach dem Standard des Runden Tisches für Palmöl (RSPO) hergestellt werden.
All-you-can-eat-Buffet für Elefanten
Aber zurück zu den Elefanten. Sie fressen nicht die Früchte der Ölpalmen, sondern die Sprossen der jungen Palmen. Die sind geradezu eine Delikatesse für die Dickhäuter. Genauso wie die Herzen der alten Ölpalmen. Werden auf den Plantagen Palmen gefällt, lockt das Geräusch der Maschinen die Elefanten an. Sie kommen quasi zum „All you can eat“-Buffet vorbei. Die „guten“ Plantagenbetreiber stören sich daran nicht, lassen die Elefanten fressen und melden den Besuch beim Wildlife-Department. Die treiben die Elefanten zurück in den Wald — wenn sie nicht von allein zurückgehen.
Bäume und Brücken für Orang-Utans
Viele Plantagen sind in den 1990er Jahren entstanden und werden jetzt – nach 25 bis 30 Jahren – mit neuen Ölpalmen bepflanzt. In unserem Projekt in Tabin nutzen wir dieses Zeitfenster und haben einer Plantage 50 Meter Land rechts und links vom Fluss „abgequatscht“. Diese Fläche wird nicht neu bepflanzt. Wir können dort einen Wildtier-Korridor schaffen, den in ein paar Jahren Elefanten und hoffentlich auch Gibbons und Orang-Utans nutzen. Daumen drücken!
Die Plantage liegt zwischen den Schutzgebieten Tabin Wildlife Reserve und Silabukan. In Tabin leben rund 1.500 Orangs, in Silabukan eine kleine Gruppe von etwa 50 Tieren. Über den Korridor kann die kleine Gruppe aus Silabukan nach Tabin gelangen. Dafür pflanzen wir mehr und mehr Bäume, weil Orangs und Gibbons nicht gern auf dem Boden unterwegs sind. Schwimmen ist auch nicht so ihr Ding, da helfen die Orang-Utan-Brücken. Mit meiner Kollegin Donna, unserer Orang-Utan-Expertin in Sabah, habe ich mir eine sehr gute Brücke am Kinabatangan-Fluß angeschaSie wurde 2019 von Sawit Kinabalu und der PONGO-Allianz errichtet und es gibt die ersten Bilder von Orangs, die Dank der Brücke zu den Fruchtbäumen auf der anderen Seite gelangen. Apropos Orangs: Ich habe am Kinabatangan mit einer Gemeinde Bäume am Flussufer gepflanzt und als wir hochschauten, saß dort tatsächlich ein Orang-Utan im Geäst und schaute auf mich herunter. Das klingt kitschig, ist aber wahr. Natürlich hatte ich meine Kamera nicht dabei…
Makaken lieben Selfies
Mit dem Orang-Utan-Team haben wir in Tabin, am Rande unseres Wildtier-Korridors, Kamerafallen aufgestellt. Makakensicher, denn die lieben es mit den Kameras herumzuspielen. Ein paar hundert Selfies von Makaken sind keine Seltenheit, wenn wir Kameras auswerten. Da wo unser Korridor entstehen wird, haben wir ein Orang-Nest gefunden. Wird Zeit, dass wir mit dem Pflanzen vorankommen. Leider hat uns Covid mit all seinen Beschränkungen fast zwei Jahre Verzögerungen beschert. Aber nun ging es ja los. Hier seht ihr einige Setzlinge, kurz bevor wir sie in den Boden gepflanzt haben.
Ich würde von mir selbst sagen, dass ich Pflanzen liebe. Aber meine Kollegin Daphne, die hier die Restorationsarbeit leitet, ist der Wahnsinn. Ich habe noch nie eine Person gesehen, die sich so sehr darüber freut, Bäume beim Wachsen zu beobachten. Das ist unglaublich und macht mir sehr viel Mut! Ich habe hier erleben dürfen, wie Umweltschützer:innen, Gemeinden, Plantagenbesitzer:innen, Unternehmen und Wissenschaftler:innen zusammenarbeiten, um die bestehenden Plantagen zu verbessern und Veränderungen zu bewirken.
Wie hält man Elefanten im Schutzgebiet?
Es fehlt an vielen Ecken aber noch an Wissen. Auch beim Thema Aufforstung zu Naturschutzzwecken, weil hier in der Vergangenheit meist nur zu Holz-Plantagen geforscht wurde. Unsere Partner:innen probieren deswegen viele Dinge aus. Ein Beispiel: Bäume werden sehr eng aneinander gepflanzt, damit sie um Licht konkurrieren und schneller wachsen. Oder es werden Fruchtbäume dazu gesetzt, um den Wurzeln mehr Halt zu geben. Und um die Elefanten im Schutzgebiet zu behalten. Denn oft wandern die in die Gärten der Dörfer und fressen dort Bananen und andere Früchte weg. Asiatische Elefanten sind zwar kleiner als afrikanische, aber sie können auf dem Feld einer Kleinbäuerin oder im gar Dorf großen Schaden anrichten. Deswegen haben wir in Sabah auch ein Team, das mit den Gemeinden zu Elefantenkonflikten arbeitet und diskutiert, welche Unterstützung sie wo gebrauchen können.
Mein Tabin-Projekt läuft noch ein paar Jahre. Wir müssen die vielen Bäume, die wir dort pflanzen ja auch eine Weile pflegen, damit möglichst viele überleben. Ich komme auf jeden Fall wieder.
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