Wie schnell Blogger zu Landesverräter werden können, hat mich schon etwas überrascht. Vorsorglich hab ich gleich mal bei Edward Snowden nachgefragt, wie es sich so lebt im russischen Exil. Dummerweise hat die Regierung Putin ja ein Gesetz gegen Homo-Propaganda erlassen, weswegen ich mir dann im Fall der Fälle doch ein anderes Land aussuchen müsste. Aber zurück zum Thema Landesverrat! Ein böses Wort ist wieder aktuell geworden. Erwischt hat es die Blogger-Kollegen von netzpolitik.org. Normalerweise erhält ein Medium in solchen Fällen konkurrenzübergreifende Schützenhilfe. Doch das Verhältnis zwischen klassischen Verlagshäusern und relative jungen (online-fokussierten) Medienplattformen scheint zu angespannt. Zumindest kam mir diese Vermutung angesichts eines FAZ-Artikels, der netzpolitik.org abspricht, ein journalistisches Angebot zu sein. Freilich mit Argumenten, die umgedreht auch auf die FAZ anwendbar wären, wie wiederum Petra Sorge für CICERO feststellt.
Der böse Wolf (mal wieder)
Nicht nur Landesverräter feiern ein Comeback. Auch der „böse Wolf“ ist wieder da — und schaffte es gleich auf die Titelseite der BILD-Zeitung. Angeblich haben drei Wölfe in Niedersachsen einen Chihuahua gerissen. Der Fall stellt sich nach aktuellem Erkenntnisstand doch sehr ungewöhnlich dar. Bis ein DNS-Abgleich klärt, ob die Tatverdächtigen wirklich schuldig sind, bleiben ziemlich viele Fragezeichen.
Kuh der Woche: Die Nazis und das liebe Vieh
Es ist paradox: Während Löwe und Tiger ein oft charismatisch-königliches Image haben (zumindest in Deutschland), gilt der Wolf immer noch schnell als der „Bad Guy“. Wir neigen eben dazu, Tiere nach menschlichen Maßstäben in Kategorien einzusortieren und zu charakterisieren. Mit diesem Phänomen beschäftigt sich auch Mieke Roscher. Sie erforscht an der Uni Kassel die Beziehungen zwischen Mensch und Tier. Matthias Kohlmaier hat ein sehr lesenswertes Interview mit ihr geführt. Geklärt wird nicht nur die Frage, warum wir Hunde streicheln und Schweine essen (was für die Schweine echt ganz großes Pech ist). Roscher räumt auch mit dem Mythos der ach so tierlieben Nazis auf. Mich hat es immer verwundert, dass eine so menschenverachtende Ideologie angeblich so gut zu Tieren sei. Roscher erklärt: „Die Ausgrenzung, die zwischen Menschen vollzogen wurde, fand auch bei Tieren Anwendung. Ein paar (…) standen in der Gunst der Nazis weit oben, viele andere wurden als ausmerzungswürdig betrachtet.“
Von Gandhi zu Hitler in nur einem Absatz
Der fundiert-nüchterne Blick auf das Verhältnis Mensch-Tier steht im krassen Gegensatz zur Schreihals-Rhetorik des SPON-Kolumnisten Jan Fleischhauer. Der hat eine Woche zuvor in einem glosseähnlichen Kommentar zum Fleischkonsum mit viel Leidenschaft die Nazi-Keule gegen Vegetarier geschwungen. Nur einen Absatz brauchte Fleischhauer, um von Gandhi den Bogen zu tierlieben NS-Schergen zu (über)spannen. Das dürfte bei vielen Veganern mindestens Schnappatmung verursacht haben.
Geständnis einer Klickhure
Entweder versucht Fleischhauer als echter Medienprofi und professionelle Klickhure mit solch schlecht recherchiertem, aber laut vorgetragenem Unsinn seine Page Impressions nach oben zu treiben — oder er glaubt wirklich, was er da von sich gibt. So bösartig, Letzteres zu unterstellen, will ich dann allerdings doch nicht sein. Und ja, zugegeben, auch meine eigene Headline für diesen Blogbeitrag ist eine kleine, gemeine Klickhure. Aber ich habe auch niemals behauptet, dem Reiz der schnellen Klicks widerstehen zu können.
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