Cerrado? Bei Südamerika denken wahrscheinlich die meisten an den Amazonas, die Anden und vielleicht noch die Pampas. Den Savannenwald Cerrado kennt hierzulande kaum jemand. Dabei ist der Cerrado wunderschön, riesengroß, sehr besonders – und leider auch massiv bedroht.
Was ist der Cerrado überhaupt?
Der Cerrado ist eine Savanne-Wald Landschaft in Südamerika. Das bedeutet: Dichtes Gras mit vereinzelten Büschen und Bäumen, aber auch fast geschlossene Waldgebiete. Etwa 25 Prozent der Fläche Brasiliens gehören zum Cerrado. Er grenzt im Norden an den Amazonasregenwald und an die Mata Atlantica im Süden. Der Cerrado ist keine ebenmäßige Fläche, sondern charakteristisch unterbrochen von den „chapadas“, ausgedehnten kilometerlangen Plateaus. Mit gut zwei Millionen Quadratkilometern ist der Cerrado so groß wie Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien zusammen. Es ist das zweitgrößte Biom Südamerikas nach dem Amazonas-Regenwald.
Warum ist der Cerrado so wichtig?
Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt. Fünf Prozent aller Arten der Welt kommen hier vor! Und viele sind endemisch, kommen also nur hier vor. Der Cerrado versorgt auch drei der größten Wasserquellen Südamerikas: den Amazonas, Paraguay und São Francisco.
Wodurch wird der Cerrado bedroht?
Der Boden des Cerrado ist sehr arm und sauer. Bis vor 50 Jahren galt der Cerrado daher als wertlos für die Landwirtschaft. Durch moderne tropische Agrartechnik entwickelte sich der Cerrado dann aber in die lukrative Kornkammer Brasiliens. 70 Prozent des brasilianischen Soja kommen inzwischen von hier. Von den ursprünglichen Wäldern stehen nur noch 20 Prozent. Ein weiteres Drittel ist schon stark beschädigt. Der Rest wurde vor allem zu Viehweiden gemacht, die wiederum zunehmend in Sojafelder umgewandelt werden. Jährlich werden immer noch circa 90.000 Hektar gerodet. Nur fünf Prozent des Cerrado sind geschützt.
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Unglaublich, wie schnell der Mensch eine so große Naturlandschaft massiv verändert. Die Folgen für die Artenvielfalt sind immens. Noch kann man auf intensiv bewirtschafte Sojafeldern Renditen von knapp 10 Prozent erwarten. Dadurch steigt der Druck auf die noch vorhandenen Reste des Savannenwaldes.
Nicht nur ich frage mich, wie lange die Böden des Cerrados den intensiven Sojaanbau tragen. Unter anderem wegen Pestiziteinsatz und Bodenerosion. Nachhaltig ist das jedenfalls nicht. Von sozialen Fragen wie der Verdrängung von Kleinbauern ganz abgesehen. Indigene haben fast keine Landrechte im Cerrado.
Und wie viel hat das mit uns zu tun?
Tonnenweise. Ein Großteil des angebauten Sojas geht in die Massentierhaltung nach China und Europa. Dieses Fleisch wird dann vor allem in Supermärkten an uns Verbraucher verkauft. Mit Soja werden vor allem Schweine und Hühner gefüttert. China importierte 54 Millionen Tonnen, die EU 13 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Wer sein täglich Fleisch braucht, muss wissen: Wir tragen mit unserer Massentierhaltung, die nur mit Sojakraftfutter zu den heutigen Preisen möglich ist, erheblich zur Entwaldung bei.
Achtung, jetzt kommt ein Satz zum Merken: Der Sojaanbau nimmt eine noch viel größere Fläche in Beschlag als der Anbau von Palmöl.
Wie können wir den Cerrado retten?
Eine Idee zur Rettung liegt darin, die Strategie aus dem Amazonas zu kopieren: eine Verpflichtung aller nicht weiter für Soja zu roden. Hat im brasilanischen Amazonas zumindest in Bezug auf Soja funktioniert. Seit 2006 gelang es dort, die Sojaproduktion auf bestehenden Flächen um 400 Prozent zu steigern. Dadurch ging der Anteil an der Regenwaldrodung für den Sojaanbau von 30 auf 1,5 Prozent zurück.
Auch im Cerrado würde sich eine freiwillige und privatwirtschaftliche Lösung anbieten. Die großen Soja-Unternehmen können sich zusammentun und sehr schnell auf entwaldungsfreie Lieferketten umstellen. Das geht unter anderem, weil wir ein Oligopol von nur sechs bis acht Unternehmen bei den Sojahändlern haben und weil in Brasilien ein jährliches Entwaldungsmonitoring auf Farmebene möglich ist. Stark vereinfacht: Wir können jährlich überprüfen, ob für eine Farm Flächen gerodet wurden. Wenn die Händler deshalb das Soja nicht mehr kaufen, dann ist das Problem gelöst. Zumindest das Problem der Entwaldung. Diese Lösung wäre ein großer Schritt. Es wäre dennoch nur ein Mindeststandard. Soziale und weitere Umweltprobleme sind dadurch nicht gelöst.
Eine gemeinsame Lösung zum Stopp der Entwaldung haben sich Ende 2019 mehr als 150 Unternehmen und Investoren zum Ziel gesetzt. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde unterzeichnet. Doch die großen brasilianischen Sojaverbände ABIOVE und ANEC sind vor der finalen Unterzeichnung abgesprungen.
Was die Politik tun muss: Lieferketten und Mercosur
Ein ganz anderer Lösungsansatz liegt bei den Handelspartner Brasiliens. Deutschland diskutiert jetzt endlich ernsthaft ein Lieferketten-Gesetz, stellt aber bis jetzt keine Umweltkriterien auf. Die EU entwickelt ebenfalls ein Lieferkettengesetz. Wir können noch hoffen, dass dies wirkungsvoll die weitere Entwaldung verhindert.
Es kann schlicht nicht sein, dass die EU und insbesondere Deutschland Entwaldung und andere Umweltfragen im Rahmen des EU-Mercosur Freihandelsabkommens überhaupt nicht ernst nehmen. Dort ist gibt es keinerlei Verbindlichkeit im Umweltkapitel — das muss sich unbedingt ändern!
Deklaration der deutschen Lebensmittelkonzerne
Ich kann nur begrüßen, dass sich jetzt in Deutschland Lebensmittelhändler für einen Stopp der Entwaldung einsetzen. In einer gemeinsamen Deklaration fordern Aldi-Nord, Aldi-Süd, EDEKA, Kaufland, Lidl, Metro, Netto Marken-Discount und Rewe die brasilianischen Sojahändler auf, die Entwaldung zu beenden. Die deutschen Lebensmittelhändler rufen die Sojakonzerne auf den Verhandlungstisch zurückzukehren, damit Vereinbarungen für eine entwaldungsfreie Sojaproduktion so schnell wie möglich in Kraft treten können. Aus anderen europäischen Ländern wie Norwegen, Frankreich und Dänemark kommen aktuell gleichlautende Appelle.
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