Was passiert, wenn die EU-Kommission ihren Plan umsetzt und die Naturschutz-Gesetze überarbeitet? Unser Gutachten zeigt drei Gefahren, die drohen.
Mit #NatureAlert machen wir aktuell richtig Lärm für den Naturschutz in Europa. Auch wenn unsere Kampagne sehr erfolgversprechend ist, mache ich mir dennoch Gedanken, was wäre, wenn…? Wenn die EU-Kommission sich gegen die Umweltminister wendet und doch die EU-Naturschutzgesetze „verschmelzen“ will? Ich kenne die Naturschutzrichtlinien seit ihrer Entstehung und für mich ist deshalb klar: Es steht die erfolgreiche Naturschutzarbeit der letzten 20 Jahre auf dem Spiel!
Ein juristisches Gutachten (.pdf), das wir in Auftrag gegeben haben, zeigt Gefahren auf, was passieren könnte, wenn die Richtlinien für den Schutz der Vögel sowie der Lebensräume und anderer Arten von europäischer Bedeutung zusammengelegt würden.
Die beiden EU-Richtlinien regeln unter anderem, dass gefährdete Naturgebiete wie Moore, Auen, Heiden oder Buchenwälder und bedrohte Tier- und Pflanzenarten EU-weit einen besonderen Schutz genießen. Und die Lebensräume dieser Arten sollen laut Gesetz als sogenanntes Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen werden. Durch die Natura 2000-Gebiete entstand ein grünes Geflecht aus Schutzgebieten, das von den Küsten bis zu den Bergen reicht und heute das größte Netz an gesetzlich geschützten Gebieten bildet.
1. Naturschutz steht 5 Jahre still
Sollen die beiden Richtlinien „verschmolzen“ werden, muss die EU-Kommission einen neuen Text vorlegen. Dann startet ein Gesetzgebungsverfahren zwischen EU-Kommission, Parlament und Ministerrat und es ist mit mehrjährigen Verhandlungen zu rechnen, bis eine Einigung erzielt wird. Diese Zeitspanne bliebe nicht ohne negative Konsequenzen auf die Natura 2000-Gebiete und die darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten in ihren Lebensräumen: für das Management der Gebiete gäbe es weniger Geld, worunter vor allem Vogelarten zu leiden hätten wie die Feldlerche oder der Kiebitz. Durch eine Zusammenlegung der Richtlinien würde dem europäischen Naturschutz ein Stillstand von fünf Jahren drohen!
2. Heute geschützt, morgen gejagt
Von den 449 in Europa heimischen Vogelarten sind alle (!) durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt. Sollte diese geändert werden, würden über 30% der Vogelarten schnell in das Fadenkreuz der Jäger geraten. Zwar gelten in der EU noch zwei andere internationale Naturschutzverträge, die Berner und Bonner Konvention, durch die 338 Vogelarten mehr oder weniger streng geschützt sind. So könnte z.B. die Jagd auf den Rotmilan und den Raufußbussard erlaubt sein, obwohl der Rotmilan in der EU auf der Vorwarnliste für gefährdete Arten steht und der Raufußbussard als stark gefährdet gilt. Der Rotmilan wird insbesondere in Spanien, Italien und Portugal illegal bejagt; er zählt zu denjenigen Arten, die im Verhältnis zur EU-Gesamtpopulation die höchsten Tötungsraten aufweisen dürfte.
Diese und andere Vogelarten sind zurzeit noch durch die Vogelschutzrichtlinie geschützt, das heißt, die Jagd auf diese Vögel darf ihre Bestände nicht gefährden. Gibt es keinen einheitlichen EU-weiten Schutz vor der Bejagung mehr, könnten sie morgen wieder gejagt werden. Besonders bedroht wären Zugvögel: Derzeit werden in Frankreich, Italien, Malta und Spanien immer noch 1.39 Millionen Vögel gejagt — 11.000 Tauben, 448.850 Finken, 430.000 Lerchen, 3.200 Regenpfeifer, 200.000 Stare und 297.200 Drosseln.
Und dazu kommt noch, dass ausgerechnet der Sperling ganz „vogelfrei“ und ohne Schutz wäre. Er leidet vor allem im Mittelmeerraum besonders unter der illegalen Jagd und führt dort die „TOP 20“ der meistgefangenen Vögel mit mehr als 4,7 Millionen getöteter Tiere pro Jahr an. Vögel, die heute noch geschützt sind, könnten morgen schon wieder gejagt und dadurch bedroht werden.
3. Straßen statt Wälder, Industrie statt Heiden
Durch die EU-Richtlinien gilt heute eine sogenannte „Alternativenprüfung“: Vor der Verwirklichung von neuen Autobahnen, Industriegebieten oder anderen großen Baumaßnahmen muss geprüft werden, ob ein Natura 2000-Gebiet in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird und ob dies beispielsweise durch die Wahl eines anderen Standorts oder geänderter Planungen vermieden werden kann.
Eben diese Alternativenprüfung hat bisher dazu geführt, dass zum Beispiel die Planer der Ostsee-Autobahn A20 zu Recht ins Grübeln kamen, wie sie Schäden an Moor- und Wiesenlandschaften – Heimat von Fischotter, Seeadler und Fledermäusen – vermeiden können. In der Konsequenz mussten immer wieder Bauabschnitte neu überlegt und geplant werden.
Wirtschaftskreise fordern hier eine Lockerung. Ein Wegfall dieser Alternativenprüfung hätte zur Folge, dass nicht einmal mehr geprüft werden müsste, ob eine Zerstörung der Natur vermeidbar wäre. Somit würden Naturschätze durch wirtschaftliche Vorhaben beeinträchtigt, auch wenn räumliche oder technische Alternativen möglich wären. Das widerspricht dem Ziel der Richtlinien total.
Das alles soll nicht passieren! Die Richtlinien müssen deshalb so bestehen bleiben wie sie sind und vollständig umgesetzt und angewendet werden! Dafür protestieren wir europaweite zusammen mit tausenden Menschen. Letzten Monat haben wir eine neue Aktion gestartet, mit der wir die Umweltminister der europäischen Länder auffordern sich gegen die Pläne zu stellen. Dafür brauchen wir eure Stimme! Schickt jetzt eure persönliche Botschaft an unsere Umweltministerin Barbara Hendricks: www.wwf.de/naturealert
Rette die Heimat von Fischotter, Seeadler und Rotmilan
Jeder, der mehr zu Unternehmen für den Naturschutz erfahren möchte, sollte diesen Beitrag lesen! Deshalb werde ich diesen Artikel meinem Partner zeigen. Wir haben neulich darüber gesprochen.