Was wäre, wenn die EU-Kom­mis­si­on die Natur­schutz-Geset­ze überarbeitet?


Fischotter sind durch Europas Naturschutz-Gesetze geschützt. © iStock / Getty Images
Fischotter stehen auf der Roten Liste als "potenziell gefährdet" © iStock / Getty Images

Was pas­siert, wenn die EU-Kom­mis­si­on ihren Plan umsetzt und die Natur­schutz-Geset­ze über­ar­bei­tet? Unser Gut­ach­ten zeigt drei Gefah­ren, die drohen.

Mit #Natu­re­Al­ert machen wir aktu­ell rich­tig Lärm für den Natur­schutz in Euro­pa. Auch wenn unse­re Kam­pa­gne sehr erfolg­ver­spre­chend ist, mache ich mir den­noch Gedan­ken, was wäre, wenn…? Wenn die EU-Kom­mis­si­on sich gegen die Umwelt­mi­nis­ter wen­det und doch die EU-Natur­schutz­ge­set­ze „ver­schmel­zen“ will? Ich ken­ne die Natur­schutz­richt­li­ni­en seit ihrer Ent­ste­hung und für mich ist des­halb klar: Es steht die erfolg­rei­che Natur­schutz­ar­beit der letz­ten 20 Jah­re auf dem Spiel!

Ein juris­ti­sches Gut­ach­ten (.pdf), das wir in Auf­trag gege­ben haben, zeigt Gefah­ren auf, was pas­sie­ren könn­te, wenn die Richt­li­ni­en für den Schutz der Vögel sowie der Lebens­räu­me und ande­rer Arten von euro­päi­scher Bedeu­tung zusam­men­ge­legt würden.

Die bei­den EU-Richt­li­ni­en regeln unter ande­rem, dass gefähr­de­te Natur­ge­bie­te wie Moo­re, Auen, Hei­den oder Buchen­wäl­der und bedroh­te Tier- und Pflan­zen­ar­ten EU-weit einen beson­de­ren Schutz genie­ßen. Und die Lebens­räu­me die­ser Arten sol­len laut Gesetz als soge­nann­tes Natu­ra 2000-Schutz­ge­biet aus­ge­wie­sen wer­den. Durch die Natu­ra 2000-Gebie­te ent­stand ein grü­nes Geflecht aus Schutz­ge­bie­ten, das von den Küs­ten bis zu den Ber­gen reicht und heu­te das größ­te Netz an gesetz­lich geschütz­ten Gebie­ten bildet.

1. Natur­schutz steht 5 Jah­re still

Sol­len die bei­den Richt­li­ni­en „ver­schmol­zen“ wer­den, muss die EU-Kom­mis­si­on einen neu­en Text vor­le­gen. Dann star­tet ein Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren zwi­schen EU-Kom­mis­si­on, Par­la­ment und Minis­ter­rat und es ist mit mehr­jäh­ri­gen Ver­hand­lun­gen zu rech­nen, bis eine Eini­gung erzielt wird. Die­se Zeit­span­ne blie­be nicht ohne nega­ti­ve Kon­se­quen­zen auf die Natu­ra 2000-Gebie­te und die dar­in vor­kom­men­den Tier- und Pflan­zen­ar­ten in ihren Lebens­räu­men: für das Manage­ment der Gebie­te gäbe es weni­ger Geld, wor­un­ter vor allem Vogel­ar­ten zu lei­den hät­ten wie die Feld­ler­che oder der Kie­bitz. Durch eine Zusam­men­le­gung der Richt­li­ni­en wür­de dem euro­päi­schen Natur­schutz ein Still­stand von fünf Jah­ren drohen!

2. Heu­te geschützt, mor­gen gejagt

Von den 449 in Euro­pa hei­mi­schen Vogel­ar­ten sind alle (!) durch die EU-Vogel­schutz­richt­li­nie geschützt. Soll­te die­se geän­dert wer­den, wür­den über 30% der Vogel­ar­ten schnell in das Faden­kreuz der Jäger gera­ten. Zwar gel­ten in der EU noch zwei ande­re inter­na­tio­na­le Natur­schutz­ver­trä­ge, die Ber­ner und Bon­ner Kon­ven­ti­on, durch die 338 Vogel­ar­ten mehr oder weni­ger streng geschützt sind. So könn­te z.B. die Jagd auf den Rot­mi­lan und den Rau­fuß­bus­sard erlaubt sein, obwohl der Rot­mi­lan in der EU auf der Vor­warn­lis­te für gefähr­de­te Arten steht und der Rau­fuß­bus­sard als stark gefähr­det gilt. Der Rot­mi­lan wird ins­be­son­de­re in Spa­ni­en, Ita­li­en und Por­tu­gal ille­gal bejagt; er zählt zu den­je­ni­gen Arten, die im Ver­hält­nis zur EU-Gesamt­po­pu­la­ti­on die höchs­ten Tötungs­ra­ten auf­wei­sen dürfte.

Ein Rotmilan im Flug © Wild Wonders of Europe / Juan Carlos Munoz / WWF
Ein Rot­mi­lan im Flug. © Wild Won­ders of Euro­pe / Juan Car­los Munoz / WWF

Die­se und ande­re Vogel­ar­ten sind zur­zeit noch durch die Vogel­schutz­richt­li­nie geschützt, das heißt, die Jagd auf die­se Vögel darf ihre Bestän­de nicht gefähr­den. Gibt es kei­nen ein­heit­li­chen EU-wei­ten Schutz vor der Beja­gung mehr, könn­ten sie mor­gen wie­der gejagt wer­den. Beson­ders bedroht wären Zug­vö­gel: Der­zeit wer­den in Frank­reich, Ita­li­en, Mal­ta und Spa­ni­en immer noch 1.39 Mil­lio­nen Vögel gejagt — 11.000 Tau­ben, 448.850 Fin­ken, 430.000 Ler­chen, 3.200 Regen­pfei­fer, 200.000 Sta­re und 297.200 Drosseln.

Und dazu kommt noch, dass aus­ge­rech­net der Sper­ling ganz „vogel­frei“ und ohne Schutz wäre. Er lei­det vor allem im Mit­tel­meer­raum beson­ders unter der ille­ga­len Jagd und führt dort die „TOP 20“ der meist­ge­fan­ge­nen Vögel mit mehr als 4,7 Mil­lio­nen getö­te­ter Tie­re pro Jahr an. Vögel, die heu­te noch geschützt sind, könn­ten mor­gen schon wie­der gejagt und dadurch bedroht werden.

3. Stra­ßen statt Wäl­der, Indus­trie statt Heiden

Durch die EU-Richt­li­ni­en gilt heu­te eine soge­nann­te „Alter­na­ti­venprü­fung“: Vor der Ver­wirk­li­chung von neu­en Auto­bah­nen, Indus­trie­ge­bie­ten oder ande­ren gro­ßen Bau­maß­nah­men muss geprüft wer­den, ob ein Natu­ra 2000-Gebiet in irgend­ei­ner Wei­se beein­träch­tigt wird und ob dies bei­spiels­wei­se durch die Wahl eines ande­ren Stand­orts oder geän­der­ter Pla­nun­gen ver­mie­den wer­den kann.

Eben die­se Alter­na­ti­venprü­fung hat bis­her dazu geführt, dass zum Bei­spiel die Pla­ner der Ost­see-Auto­bahn A20 zu Recht ins Grü­beln kamen, wie sie Schä­den an Moor- und Wie­sen­land­schaf­ten – Hei­mat von Fisch­ot­ter, See­ad­ler und Fle­der­mäu­sen – ver­mei­den kön­nen. In der Kon­se­quenz muss­ten immer wie­der Bau­ab­schnit­te neu über­legt und geplant  werden.

Europas Naturschutz-Gesetze gelten überall, auch in den Dolomiten © Wild Wonders of Europe / Krahmer / naturepl.com
Euro­pas Natur­schutz-Geset­ze gel­ten über­all, auch in den Dolo­mi­ten. © Wild Won­ders of Euro­pe / Krah­mer / naturepl.com

Wirt­schafts­krei­se for­dern hier eine Locke­rung. Ein Weg­fall die­ser Alter­na­ti­venprü­fung hät­te zur Fol­ge, dass nicht ein­mal mehr geprüft wer­den müss­te, ob eine Zer­stö­rung der Natur ver­meid­bar wäre. Somit wür­den Natur­schät­ze durch wirt­schaft­li­che Vor­ha­ben beein­träch­tigt, auch wenn räum­li­che oder tech­ni­sche Alter­na­ti­ven mög­lich wären. Das wider­spricht dem Ziel der Richt­li­ni­en total.

Das alles soll nicht pas­sie­ren! Die Richt­li­ni­en müs­sen des­halb so bestehen blei­ben wie sie sind und voll­stän­dig umge­setzt und ange­wen­det wer­den! Dafür pro­tes­tie­ren wir euro­pa­wei­te zusam­men mit tau­sen­den Men­schen. Letz­ten Monat haben wir eine neue Akti­on gestar­tet, mit der wir die Umwelt­mi­nis­ter der euro­päi­schen Län­der auf­for­dern sich gegen die Plä­ne zu stel­len. Dafür brau­chen wir eure Stim­me! Schickt jetzt eure per­sön­li­che Bot­schaft an unse­re Umwelt­mi­nis­te­rin Bar­ba­ra Hendricks: www.wwf.de/naturealert

 

 

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1 Kommentar

  1. 7. April 2020
    Antworten

    Jeder, der mehr zu Unter­neh­men für den Natur­schutz erfah­ren möch­te, soll­te die­sen Bei­trag lesen! Des­halb wer­de ich die­sen Arti­kel mei­nem Part­ner zei­gen. Wir haben neu­lich dar­über gesprochen.

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