Unsere Schritte hallen durch lange Flure, eine Tür wie die andere. Wir haben einen Termin mit Ute Vogt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag, unter anderem für den Bereich Ernährung und Landwirtschaft. Unter meinen Arm habe ich eine große Pappe geklemmt — das Symbol für ein halbes Jahr intensiver Arbeit: die Petition gegen Lebensmittelverschwendung mit euren 52.869 Unterschriften.
Wie alles begann
Im Juni hatten wir im Rahmen der WWF-Kampagne #iamnature begonnen, das Ende der Lebensmittelverschwendung in Deutschland zu fordern. Denn in jedem Lebensmittel, das wir wegwerfen, stecken sehr viele natürliche Ressourcen, die unsere Natur und wir zum Leben dringend brauchen.
Als Grundlage haben wir Wissenschaftler berechnen lassen, wie viele Lebensmittel in Deutschland weggeworfen werden: Insgesamt sind es 18 Millionen Tonnen pro Jahr, wovon 10 Millionen Tonnen quasi sofort vermieden werden könnten! Obwohl meine Kollegin Tanja Dräger schon seit 2012 an diesem Thema arbeitet, hat uns das trotzdem von den Socken gehauen. Das sind 313 kg pro Sekunde! Die Studie „Das große Wegwerfen“ erzeugte großes Aufsehen in den Medien und machte das Problem zum Tagesgespräch.
Der große Essensretterbrunch
Gemeinsam mit der Welthungerhilfe, den Tafeln, den Verbraucherzentralen und vielen weiteren NGOs haben wir dann zum großen Essensretterbrunch eingeladen. Trotz fast 40 Grad kamen über 2.500 Mensch, um mit uns Lebensmittelreste zu schnippeln, zu kochen und zu essen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Gesellschaft in Deutschland keine Lebensmittelverschwendung will.
Ziel: Das Problem halbieren
Unser Ziel war klar: Wir müssen in Deutschland bis 2030 die Lebensmittelverschwendung halbieren! Dafür brauchen wir endlich eine nationale Strategie (.pdf), in der die Bundesregierung gemeinsam mit Unternehmern und Verbrauchern Maßnahmen erarbeitet und verbindliche Ziele festlegt.
Meetings, Meetings, Meetings
In zahllosen Telefongesprächen, Meetings und Abendveranstaltungen hat Matthias Meissner Mitgliedern des Bundestages, Mitarbeitern von Ministerien und anderen Politikern erklärt warum und wie wir in Deutschland die Verschwendung beenden können. Gleichzeitig tourte Tanja durch die Bundesländer und diskutierte etwa in Niedersachsen und Hessen, was getan werden müsste.
Eure Stimme, euer Erfolg
Doch ohne den Rückenwind von euch, unseren Unterstützern, hätten wir es letztlich nicht in die entscheidenden Büros geschafft. Mit eurer Hilfe konnten wir in der kurzen Zeit 52.869 Unterschriften sammeln, um die Lebensmittelverschwendung zu stoppen. Also steht heute auf dem Programm: Übergabe an Ute Vogt, Gitta Connemann und Christian Schmidt himself, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.
Darum findet heute unser parlamentarisches Frühstück mit den BT-Fraktionen statt. #Lebensmittelverschwendung pic.twitter.com/vQ2Wm0Emcf
— WWF Deutschland (@WWF_Deutschland) September 8, 2015
Im Bundestag: „Das Thema aktiv angehen.“
Ute Vogt (SPD-Fraktion) empfängt uns mit klaren Worten:
„Angesichts der Welternährungslage ist unser nachlässiger Umgang mit Ressourcen beschämend“.
Im Gespräch mit uns macht sie klar, dass sie unsere Idee unterstützt, neben den Verbrauchern mit Unternehmen eine Lösung zu erarbeiten.
„Die SPD-Bundestagsfraktion hat beantragt, dass im Bundeshaushalt die Mittel für die Initiative ‚Zu gut für die Tonne!’ verdoppelt werden. Wir müssen damit erreichen, dass Unternehmen das Thema aktiv angehen.“
Das ist schon mal ein Wort! Der zweite Besuch führt uns zu Gitta Connemann (stellv. Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagfraktion), der das Thema sehr am Herzen liegt:
„Wer Lebensmittel wegwirft, verschwendet Nahrung, Energie und andere wertvolle Ressourcen. Deshalb gehören alle Akteure an einen Tisch.“
Auch sie wünscht sich, dass vom BMEL ein nationaler Aktionsplan aufgebaut wird.
Bundesminister Schmidt: „Alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette einbeziehen.“
Die Unterstützung der beiden Regierungsparteien ist uns nun also sicher. Entscheidend ist jedoch, was Bundesminister Christian Schmidt dazu sagt. Immerhin ist das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für das Thema Lebensmittelverschwendung zuständig. Seine eigene Kampagne Zu gut für die Tonne hat in den letzten Jahren gezielt den Verbraucher informiert. Die Unternehmen allerdings sind bisher nicht eingebunden. Doch da geht der Bundesminister heute einen Schritt weiter:
„Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag bisher im Bereich der Privathaushalte. Ich will aber noch stärker als bisher alle übrigen Akteure entlang der Wertschöpfungskette einbeziehen.“
Der Anfang ist gemacht, jetzt muss es weitergehen
Wow, mit diesen klaren Worten hatten wir heute nicht gerechnet. Natürlich müssen den Worten erst mal Taten folgen, aber die Signale waren deutlich. Wir haben einen klaren Plan vorgestellt, wie es aus Sicht des WWF nun weitergehen muss:
- Das BMEL richtet eine Koordinationsstelle ein, die mit der Erarbeitung einer nationalen Strategie gegen Lebensmittelverschwendung mit allen Akteuren entlang der Handelskette beauftragt wird.
- Verabschiedung eines nationalen Aktionsplans, Planung der Aktivitäten auf zwei Jahre, Ergebnisse sollen als Grundlage für eine nationale Strategie zur Verminderung der Lebensmittelabfälle dienen.
- Basierend auf den Aktivitäten des Aktionsplanes wird die Nationale Strategie zur Verminderung der Lebensmittelabfälle.
DANKE!
Wir sagen: ?-lichen DANK an alle 50.000 Menschen, für eure Stimme gegen die #Lebensmittelverschwendung! https://t.co/QZX0NUpc6a — WWF Deutschland (@WWF_Deutschland) September 22, 2015
Wir möchten auf magazin-restkultur.de gerne auf eure Initiative im Rahmen unserer Schwerpunktrubrik “Lebensmitteverschwendung” [http://www.magazin-restkultur.de/category/lebensmittel/] zu sprechen kommen.
Wir freuen uns über Pressebilder/Presseinformationen unter info(at)magazin-restkultur.de. Vielen Dank!
glaubt ihr wirklich, dass sich hier Entscheidendes ändert, dafür sind die Aussagen der Politik zu butterweich? Wir brauchen, wie in Frankreich eine gesetzliche Bestimmung und wenn diese nicht eingehalten wird, ein Bußgeld. Es geht schließlich um die Ernährung von vielen Menschen, die dadurch gesichert werden könnte, wenn man sorgsamer mit Nahrungsmitteln umgehen würde.
Hallo Herr Köppel,
ich bin absolut ihrer Meinung, dass wir alle sorgsamer mit unseren Nahrungsmitteln umgehen müssen. Auch damit die Nahrungssicherheit für alle Menschen möglich wird, und damit wir die Auswirkungen auf usnere Umwelt verringern können.
Leider ist ein Gesetz, wie es die französische Umweltministerin angestrebt hat für uns keine Lösung, da so keine Lebensmittelverluste verhindert werden, sondern lediglich genutzt werden statt weggeworfen. Mein Kollege Matthias Meissner erklärt in diesem Blog-Beitrag http://www.wwf.de/blog/frankreich-gesetz-lebensmittel/ , warum.
Allerdings gebe ich ihnen Recht, dass ein klare Gesetz mit Anreizen und auch Strafen einen klaren Rahmen setzen würde. Wir hoffen, dass die Nationale Strategie letzendlich eine solche Verbindlichkeit bekommt.
Lieben Gruß
Daniel Goliasch
Bei meiner Großmutter galt es als “Sünde”, Brot wegzuwerfen. Alles wurde verarbeitet und genossen. Heute wird diese Sünde gesetzlich verordnet. Und das in einer Gesellschaft, die vorgibt, christlichen Werten zu folgen. Ich bin froh über diese Kampagne, nur das Ziel der Halbierung bis 2030 ist viel zu weit weg!!!
Liebe Frau Berg, danke für ihre Unterstützung! Auch wir wären gerne schneller am Ziel und versuchen Politik und Unternehmen schon bald zu ersten Maßnahmen zu überreden.
bei EDEKA gibt es Panda-bear sticker zum Sammeln und Aufkleben mit Gewinn-Möglichkeiten genau zu diesem Thema. KFK
Danke für den Hinweis Herr Prof. Dr. Kopp, das ist korrekt. Das Panda-BINGO-Heft gibt es bei EDEKA und enthält neben Tipps gegen Lebensmittelverschwendung noch viele andere Themen zu nachhaltiger Ernärhung.