Das Corona-Virus sorgt für Ausnahmezustände: Während Franzosen und Italiener sich mit Wein eindecken, scheint für uns Deutsche der Toilettenpapier-Vorrat eine der größten Sorgen zu sein. Hamsterkäufe und sogar Berichte über Schlägereien wegen ein paar Rollen geistern durch die Medien. Einige Supermärkte haben Klopapier-Verkäufe auf wenige Packungen pro Person rationiert. Es gibt sogar einen Klopapier-Rechner, der ermitteln soll, wie lange der eigene Vorrat noch reicht.
Zunächst ein paar Fakten zu Toilettenpapier:
Pro Kopf verbrauchen die Deutschen jährlich rund 15 bis 18 Kilogramm Hygienepapier. Es besteht, wie der Name schon sagt, aus Papier. Für die verwendeten Zellstofffasern werden zumeist schnell wachsende Baumarten wie Kiefern, Birken, Fichten oder auch Eukalyptus benutzt. Nach dem Kochen wird in weiteren Prozessen das Papier gebleicht, um sogenannte Lignine (lat. Lignum=Holz) zu entfernen, die zum einen wasserabweisende Eigenschaften besitzen und zum anderen das Papier bräunlich färben. Das erfordert einen hohen Wasser- und Energieverbrauch für die Produktion. Hinzu kommen die langen Transportwege. Klopapier ist also ökologisch gesehen eine Katastrophe, da wir es nur einmal verwenden.
Jetzt mögen einige einwenden, dass sie doch mit Recyclingpapier wischen, das ist auf jeden Fall viel besser als herkömmliches. Aber auch hierfür werden Ressourcen für Produktion, Transport und Wasseraufbereitung verbraucht –von der Plastikverpackung mal ganz abgesehen.
Die Notdurft zur Not ohne Toilettenpapier
Die gute Nachricht vorweg: Es gibt Alternativen zum Papier, das kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Vor kurzem war ich für ein WWF-Projekt auf den Philippinen und habe dort Fischerfamilien besucht, die oft in ärmlichen Verhältnissen lebten. Toiletten bzw. Löcher für die Notdurft gab es zwar meistens, aber Papier kannten die Menschen dort nicht. Dafür gab es überall Wasserbecken und Handduschen. Ohne ins Detail gehen zu wollen – aber ich habe während der Reise nichts vermisst und bin auch mit dieser Methode sauber geworden. Nur wie ich den Po nach der Reinigung wieder trocken kriegen sollte, war mir ein Rätsel. Dafür braucht man dann vielleicht doch ein zusätzliches Handtuch. Oder muss einfach fünf Minuten mit dem Allerwertesten an der frischen Luft wackeln.
Das papierlose Geschäft mit Bidets oder Poduschen
Auch in Indien oder im arabischen Raum ist es schon lange üblich, den Po unter laufendem Wasser zu waschen. Das geht beispielsweise mit sogenannten Poduschen und Bidets (Sitzwaschbecken). In manchen Kulturen ist es tabu, die linke Hand zu reichen – es ist die Popo-Saubermachhand. Aber Hände reichen sollten wir uns aufgrund der Corona-Krise ja zur Zeit sowieso nicht.
Wer kein Bidet zuhause hat, kann sich mit sogenannten Hand-Bidets (z.B. HappyPo) aus der Drogerie oder dem Baumarkt behelfen. Die Geräte sehen aus wie elektrische Zahnbürsten. Sie enthalten kleine Fläschchen, die mit Wasser aufgefüllt werden, und anschließend durch Zusammendrücken einen Strahl erzeugen, mit dem sich der Po und Intimbereich reinigen lässt. Das ist oft hygienischer als unsere Wischtechnik, bei der wir riskieren, dass noch etwas an der Hand bleibt.
Waschlappen statt Toilettenpapier?
Eine weitere, aber keine gute Alternative wären Waschlappen. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber eigentlich auch nicht viel anders als die waschbaren Stoffwindeln, die viele Mütter bei ihren Babys einsetzen. Die Waschlappen sollte man aber gut ausspülen und regelmäßig bei 90 Grad Celsius waschen, um alle Bakterien abzutöten. Das wiederum verbraucht auch sehr viel Energie und Wasser. Selbst bei 60 Grad Celsius, was wohl ausreicht, um Keime zu töten. Schließlich würden diese Waschlappen nicht sehr oft benutzt (wenn nicht sogar nur einmal), um dann wieder in der Wäsche zu landen.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen Welt
Wer schon einmal in Japan war, der wird wahrscheinlich begeistert von sogenannten Dusch-WCs bzw. Washlets berichten können. Das sind Toiletten, die unter der Klobrille mit einer Art Wasserhahn-System ausgestattet sind, das bei Bedarf Wasser nach oben spritzt. Sehr moderne Varianten dieser Toiletten haben Sensoren, beheizbare Sitze, funktionieren voll elektronisch, bieten verschiedene Brausen und Einstellungen für Wasserdruck und –menge. Aber brauchen wir das wirklich? Ich finde, wir verbrauchen so schon viel zu viel Energie.
Ist Bambus eine gute Alternative zu Holz?
Toilettenpapier aus Bambus scheint auf dem ersten Blick eine gute Alternative zu sein. Bambus gilt als schnell nachwachsender Rohstoff und hat den Ruf als guter Baumersatz. Aber auch hier gibt es einige Nachteile: Bambus wird meist in Monokultur-Plantagen angebaut, die gedüngt und mit Chemikalien behandelt werden. Wie herkömmliche Zellstofffasern auch, wird Bambuspapier gebleicht. Und wie bei anderen Holzplantagen auch, besteht die Gefahr, dass Naturwald gerodet wird, um Profit mit dem schnell wachsenden Bambus zu erzielen. Anschließend muss das Toilettenpapier aus Asien zu uns transportiert werden, was zusätzlich für eine (ähnlich) schlechte CO2-Bilanz sorgt.
Was ist mit Toilettenpapier aus Gras?
Ein anderes Material, mit dem gerade getüftelt wird, ist Gras. Und wie Bambus auch, ist Gras nicht einfach eine Alternative, nur weil es anders ist. Klar, es wächst schnell und könnte theoretisch regional angebaut werden. Theoretisch, denn um wirklich ökologisch zu sein, müsste es extensiv bewirtschaftet werden. Dafür gibt es gar nicht so viele geeignete Flächen. Sollen die Grasflächen regelmäßige Erträge liefern, brauchen sie Dünger. Damit entstehen die gleichen Probleme wie bei anderen intensiv bewirtschafteten Flächen: biologische Verarmung, Düngung mit Mineraldünger und Grundwasserbelastung. Gras rückt aber tatsächlich in den Fokus und die Begehrlichkeiten nach diesem Rohstoff steigen, da auch die Lebensmittelindustrie (u.a.) Interesse an neuen Verpackungsmaterialien sucht.
Feuchttücher sind keine Alternative
Auf keinen Fall sollte man jetzt auf Feuchttücher oder feuchtes Toilettenpapier umschwenken. Diese bestehen häufig aus robusten Textilfasern (Vlies), die sich nicht im Wasser zersetzen. Im schlimmsten Fall verstopfen die Feuchttücher die Toilette und sorgen dafür, dass sich darin noch andere Dinge verfangen und die Kanalisation verstopfen.
Hinzu kommt, dass die meisten Tücher mit Alkohol, Duft- und Konservierungsstoffen angereichert sind. Diese reizen die Haut und können Allergien auslösen. Wer trotzdem nicht auf feuchtes Papier verzichten möchte, sollte dieses unbedingt im Abfalleimer entsorgen!
Unser Fazit: Achtet auf den blauen Engel!
Wenn schon Papier, dann auf jeden Fall recyceltes. Achtet auf den Blauen Engel, der garantiert, dass ausschließlich Altpapier verwendet wurde. Bei nicht recyceltem Papier sollten ausschließlich FSC-zertifizierte Produkte gekauft werden.
Tipp: Das “soziale” Toilettenpapier von Goldeimer
Das Goldeimer-Toilettenpapier ist zu 100 Prozent recycelt und die Gewinne werden in soziale Arbeit investiert. Mit dem Kauf von Goldeimer-Toilettenpapier unterstützt ihr Wasser- und Sanitär-Projekte von Viva con Agua und der Welthungerhilfe. Allerdings müssen die Goldeimer-Produkte mitunter bestellt werden, da es sie noch nicht überall zu kaufen gibt. Eure Nachfrage kann helfen, dass sich das vielleicht ändert.
Die Toilettenpapier-Krise und Corona:
Wenn die Krise etwas Gutes hat, dann vielleicht dass wir vieles, was bisher selbstverständlich war, in Frage stellen. Das gilt auch fürs Klopapier. Jeder sollte für sich herausfinden, ob es denn wirklich immer das fünflagige Luxuspapier sein muss oder ob man nicht auf eine der Alternativen umschwenken kann.
In Berlin ist das Toilettenpapier seid Wochen ausverkauft. Auch ein Beschenkung (1 Packung pro Kunde) hilft da auch nicht wirklich. Meine Nachbarn sind für das Toilettenpapier nach Frankfurt Oder bzw. nach Polen gefahren — finde ich etwas kurios, aber ich war froh eine Packung zu bekommen.
Hallo , mittlerweile bin ich im September 88 Jahre alt und viel in der Gegend herum gekommen. Als landgeprägter Großstadtbengel lernte ich die Reinigung mittels Blättern, Grasbüschel oder an Bächen kennen. Vor über 60 Jahren lernte ich auch das Waschen wie es im Maghreb üblich war. Im Sahel musste ich sogar zum Sand als Hilfsmittel greifen. Wo ist das Problem? Im Notfall hilft auch eine Dusche über der Badewanne.
Tatsächlich ist auch mir erst während der Anfangsphase der Pandemie bewusst geworden, dass die Wahl der Toilettenpapiermarke einen enormen Unterschied für die Umwelt ausmacht. Zuvor kaufte ich immer ein und dieselbe Marke, ohne lange nachzudenken, bis diese eines Tages ausverkauft war, und ich mir Alternativen ansehen musste. Da wir in der Firma regelmäßig Miettoiletten für verschiedene Veranstaltungen benötigen, könnte ich mir recyceltes Toilettenpapier auch hierfür vorstellen, wodurch Gäste ebenfalls auf die umweltfreundlichere Option aufmerksam gemacht werden.