Als Ende 2021 die Ampelregierung ihren Koalitionsvertrag verabschiedete war klar: Das Bundes-Klimaschutzgesetz (kurz: KSG) wird umgestaltet werden. So heißt es unter anderem im Koalitionsvertrag, dass das Gesetz im Sinne der „Fortschrittsregierung“ weiterentwickelt, Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe der Politik sowie Strafzahlung bei einer verfehlten Klimapolitik an die EU vermieden werden sollen. Darüber hinaus sollten noch 2022 übergreifende Klimaschutzmaßnahmen in ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm münden, die die Erfüllung der Klimaschutzziele 2030 sicherstellen sollten. Mit über einem halben Jahr Verspätung wurden nun die Pläne der Bundesregierung dazu Ende Juni 2023 vorgestellt – Zeit, darüber zu reden.
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Was ist überhaupt das Klimaschutzgesetz?
Das Bundes-Klimaschutzgesetz (kurz: KSG) ist seit 2019 das zentrale klimapolitische Rahmenwerk, das dazu dient, die Klimakrise zu bekämpfen. Es legt verbindliche Ziele fest, wie viel Treibhausgase wir in den kommenden Jahren einsparen müssen, um spätestens 2045 klimaneutral zu sein. Das Gesetz regelt auch, wie die verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Energiewirtschaft und Gebäude zur Emissionsreduktion beitragen sollen. Die Einhaltung der verbindlichen Klimaschutzziele in den Sektoren wird jährlich im März überprüft. Bisher waren “Strafen” vorgesehen, falls die Ziele nicht erreicht werden.
Die für diese Bereiche zuständigen Minister:innen müssen bei Zielverfehlung ein sogenanntes Sektor-Sofortprogramm vorlegen. Hier sollen Maßnahmen entwickelt werden, die dafür sorgen, dass die Zieleinhaltung wieder erreicht wird. Das soll sicherstellen, dass jeder Sektor einen fairen Beitrag in der Transformation leistet. Vor zwei Jahren wurde das KSG nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt. Seitdem hat Klimaschutz sogar Verfassungsrang. Was soll nun geändert werden?
Bundesregierung streicht Verbindlichkeit von Zielen
Ein zentrales Element des KSG ist die Verbindlichkeit der Sektorziele. Es ist geplant, diese Verbindlichkeit zu streichen und stattdessen nur noch die Einhaltung des Gesamtziels zu berücksichtigen. Dieser Plan der Bundesregierung birgt jedoch einige äußerst kritische Aspekte.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Durch die Abschaffung der verbindlichen Sektorziele besteht nicht länger die Gewissheit, dass jeder Sektor einem klaren Pfad zur Minderung der Treibhausgase folgt und hierfür einen konkreten und adäquaten Beitrag leistet. Es soll nun die Möglichkeit geben, Übererfüllungen in einem Sektor mit Zielverfehlungen in einem anderen Sektor zu verrechnen. Doof nur, dass mittelfristig kein Sektor auf dem Pfad ist, um seine Ziele “überzuerfüllen”. Damit geht einher, dass künftig die Sektor-Sofortprogramme nicht mehr von einzelnen Minister:innen vorgelegt werden. Für über 40 Verbände ist das ein Mindestkriterium, das beibehalten werden muss, wie aus einem gemeinsamen Papier hervorgeht. So soll auch nicht mehr wie bisher jährlich ein Programm bei Zielverfehlung vorgelegt werden, sondern nur noch alle zwei Jahre, sofern das Gesamtziel gerissen wird.
Damit haben wir ein großes Problem. Denn wie der Expertenrat für Klimafragen bereits mehrfach betonte, ist kein Sektor auf dem richtigen Weg, die Klimaziele mittel- und langfristig einzuhalten. Die Streichung der Verbindlichkeit der Sektorziele wird jedoch sicherlich nicht dazu beigetragen, die Klimaziele insgesamt zu erreichen. Im Gegenteil: Wir befürchten, dass anstatt konkreter und verbindlicher Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen eine Verlagerung der Verantwortung und eine Aufschiebung dringend erforderlicher Maßnahmen auf den Schultern zukünftiger Generationen abgeladen wird.
Klimaschutzminister Habeck: „Keine Sau hat sich daran gehalten“
Ein weiterer bedeutsamer Aspekt, der in der überarbeiteten Version des Gesetzes vernachlässigt wird, ist die Einführung eines Sanktionsmechanismus’, der sicherstellen sollte, dass Politiker:innen ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Konsequenz dieser Unterlassung wurde im vergangenen Jahr im Verkehrssektor deutlich. Das Verkehrsministerium hat seine Klimaziele nicht erreicht. Statt jedoch wie vorgesehen ein angemessenes Sofortprogramm vorzulegen, präsentierte Wissing ein Programm, das den Anforderungen des KSG in keiner Weise gerecht wird. Dies wurde auch vom Expertenrat festgestellt. Wir haben bereits im letzten Jahr darauf hingewiesen. Und was war die Konsequenz der Missachtung der gesetzlichen Vorgaben? Es gab keine!
Nicht das erste Mal…
Die vergangene Große Koalition aber auch die Ampelregierung haben schon häufiger Vorgaben des KSG missachtet. So wurden wieder und wieder Fristen zur Vorlage wichtiger Berichte zum Stand des Klimaschutzes und Ausblick der Emissionsentwicklung verstreichen lassen. Somit ist die Aussage von Minister Habeck zumindest in Teilen richtig, dass sich keine Sau an das Klimaschutzgesetz halte. Ist das also der Anspruch einer Regierung, die sich dem Klimaschutz als eine der obersten Prioritäten verschrieben hat?
Nicht nur Rückschritt, aber auch kein echter Fortschritt
Die Gesetzesänderung der Bundesregierung enthält auch gute und fortschrittliche Pläne. So soll der Expertenrat für Klimafragen eine stärkere Rolle in der Beurteilung von Gesetzesvorhaben bekommen. Auch soll künftig ein vorausschauender Blick gestärkt werden, sodass potenzielle Zielverfehlungen besser vorausgesagt werden können. Beides hat auch der WWF für eine Weiterentwicklung des KSG eingefordert. Insgesamt reichen diese Punkte jedoch nicht.
Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz mit Boxhandschuhen!
Nach dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde das KSG damals nicht gestärkt, um nun weiter abgeschwächt zu werden. Die Zeit rennt. Klar, es ist viel passiert: Wichtige klimapolitische Erfolge wurden erzielt und es wird auch weiterhin auf Hochtouren an Maßnahmen gearbeitet, um die Klimakrise weiter einzudämmen. Aber die Bundesregierung hat zuletzt eingestanden, dass die Klimaziele 2030 mit den bisher umgesetzten und geplanten Maßnahmen deutlich verfehlt werden. Damit darf sich die Bundesregierung nicht zufriedengeben. Es liegt auf der Hand, dass wir weitere und wirklich ambitionierte Maßnahmen benötigen, um die Klimakrise einzudämmen.
Und dafür ist es umso entscheidender, dass wir auch in Zukunft ein starkes Rahmengesetz zum Klimaschutz in Deutschland haben, das Boxhandschuhe trägt. Samthandschuhe können wir uns nicht mehr leisten.
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