Wir sind uns wohl alle einig: Hochwertiges Schulessen ist wichtig. Nicht nur für die Gesundheit von Kindern, sondern auch für die Gesundheit unseres Planeten. Dafür gibt es eine Menge zu tun.
„Jeder Bissen zählt – und zwar für unsere Gesundheit, das Klima, unsere Tiere und die Umwelt!“, heißt es in einer Pressemitteilung des Ernährungsministeriums. Das könne man gar nicht früh genug lernen. Deshalb lädt Minister Cem Özedemir alle Schüler:innen der Jahrgangstufen 3 bis 10 zu dem Schulwettbewerb „Echt kuh‑l!“ ein. Kinder und Jugendliche sollen Videos, Songs, Kunstwerke, Social Media Kanäle oder Webseiten einreichen und dabei zum Beispiel folgende Fragen beantworten: Was kann in der Mensa getan werden, um auch Bio-Lebensmittel zu integrieren? Und wie kann man Lebensmittelverschwendung reduzieren? Also warum nicht Schüler:innen, Cateringunternehmen, Lebensmittellieferanten, Köch:innen und das Ausgabepersonal der Schulmensa zusammenbringen und überlegen, wie alles besser werden kann?
Schulessen verbessern ist Hausaufgabe des Staates, nicht der Schüler:innen
An sich eine super Sache, Kinder an nachhaltige Ernährung heranzuführen, sie in die Auswahl ihres Schulessens einzubeziehen und mit nachhaltigen Anbaumethoden vertraut zu machen. Aber Inititaiven für ein besseres Schulessens den Schüler:innen zu überlassen ist mir doch ein bisschen wenig. Der Staat hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Menschen, die er in staatlichen Schulen ausbildet. Das umschließt eben auch das Essen.
Schulessen ist eine komplexe Angelegenheit
Viele Akteur:innen und Themen müssen berücksichtigt werden: private Caterer, Kantinenpersonal, das für die neuen Herausforderungen oft noch unzureichend geschult ist. Preisdruck, öffentliche Ausschreibungsregelungen, nicht ausreichend verfügbare Biolebensmittel, Wünsche der Eltern, Zeitdruck beim Essen in wenig ansprechenden, lauten Essräumen. All das können Kinder und Jugendliche alleine nicht ändern.
Das Bundesministerium allerdings auch nicht. Denn Schulverpflegung ist Ländersache. Was also macht das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft am Ende mit den eingereichten Songs, Filmen, Spielen, Projekttagen und Ausstellungsexponaten? Wir dürfen gespannt sein, was daraus mangels Zuständigkeit wird.
Wissenschaftliches Gutachten der BMEL-Berater schlug schon 2020 kostenfreies Schulessen vor
Statt einen Wettbewerb auszuloben, sollte sich das Bundesministerium lieber selbst ins Zeug legen und kreativ werden. Es könnte beispielsweise überlegen, wie es die Länder mit den nötigen Geldern ausstatten kann, damit Schulessen für alle Kinder kostenlos wird. So, wie es schon lange in anderen Ländern gehandhabt wird, etwa in Schweden und Norwegen. Eine beitragsfreie Schulverpflegung hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) in seinem Gutachten „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ bereits 2020 vorgeschlagen. Damit würde der wirtschaftliche Druck der Caterer in Zeiten steigender Preise abgemildert. Es würde Planungssicherheit für gesundes und nachhaltiges Essen geben. Und wenn Schulessen für alle kostenlos ist, kommt es auch nicht als Armenspeisung in Verruf.
Mehr Schulessen?
Das BMEL könnte auch die sehr konkreten Vorschläge des WBAE-Gutachtens umsetzen. Etwa das Investitionsprogramm Top Mensa auflegen. Oder Länder finanziell unterstützen, um Kitas und Schulen mit Küchen und Speiseräumen auszustatten. Das BMEL könnte auch das Wissenschaftliche Implementierungs- und Evaluationsprogramm (WIE) auflegen, das die Qualität des Essens und der Ernährungsumgebung prüft. Es wäre die Grundlage für eine qualitativ hochwertige, beitragsfreie Schulverpflegung.
Warum Schulessen so wichtig ist
Schulessen ist ein wichtiges Bildungselement, weil der Umgang mit Lebensmitteln und das Thema „nachhaltige Ernährung“ jeden Tag konkret erlebbar macht. Kinder, die sich gesund ernähren, können sich in der Schule nachweislich besser konzentrieren und erzielen bessere Abschlüsse. Hochwertiges Schulessen wirkt der Ernährungsarmut von Kindern entgegen, unterstützt die Integration durch gemeinsame Mahlzeiten und entlastet die Gesundheitssysteme dauerhaft. Momentan ist übrigens kein einziges EU-Land auf dem Weg, seine Ziele zur Reduktion von Fettleibigkeit bei jungen Menschen zu erreichen. Eine gesunde Ernährung beugt Übergewicht vor.
Auch für Umwelt und Klima hat hochwertiges, nachhaltiges Schulessen eine große Hebelwirkung. Die Art, wie wir uns ernähren hat gigantische Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlage. Unsere globalen Ernährungssysteme sind die größte Bedrohung für unsere Natur. Sie tragen in erheblichem Maße zu Klimawandel und Artensterben bei. Ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen, 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent des Verlustes der Artenvielfalt gehen auf das Konto unseres Essens. Essgewohnheiten und Anbaumethoden sind der Schlüssel für eine lebenswerte Zukunft. Und wo damit beginnen, wenn nicht in sozialen Lernorten wie Schulen und Kitas?
SchoolFood4Change bringt alle Akteure an einen Tisch
Nachhaltiges, gesundes und leckeres Schulessen — dem widmet sich auch das EU-geförderte Projekt SchoolFood4Change (SF4C). Gemeinsam mit 42 Partnerorganisationen in zwölf Ländern gestaltet der WWF-Deutschland mit diesem Projekt das Schulessen von Morgen in Kontext der EU Farm to Fork Strategie. Davon profitieren rund 600.000 Schüler:innen, die ihr Wissen in ihre Familien weitertragen. SchoolFood4Change macht Schulen zu Orten, an denen gesunde und nachhaltige Esskultur etabliert wird. Ernährungsbildung wird damit erlebbar, zum Beispiel bei Partnerschaften zwischen Schulen und Bauernhöfen. Die Trainings richten sich auch an Köch:innen, Caterer und Mitarbeitende des kommunalen Beschaffungswesen. SchoolFood4Change stößt somit Transformation im großen Stil an.
Jeder Bissen zählt für ein köstliches Morgen
Konkret heißt das zum Beispiel: SF4C fördert mit einem Rezeptbuch für Schulküchen entlang der Planetary Health Diets Ernährungsweisen, die die Gesundheit der Menschen und des Planeten gleichermaßen schützen. Mehr Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse. Weniger Fleisch. Ein Kriterienkatalog unterstützt Mitarbeitende des kommunalen Beschaffungswesen bei Ausschreibungen für nachhaltiges und leckeres Schulessen. Der Whole School Food Approach, ein Leitfaden für Kommunen und Schulen, bringt alle Akteure, die etwas zum Thema Schulessen zu sagen haben, an einen Tisch.
Guter Artikel! Wir von ICLEI freuen uns, mit WWF Deutschland in SchoolFood4Change zusammenzuarbeiten. Als begleitende konkrete Massnahme zur Umsetzung gesunder Schulmahlzeiten, insbesondere der EU Farm to Fork Strategie, haben wir mit Partnern eine EU-weite Petition lanciert (Buy Better Food). Wir freuen uns auf eure Unterschriften und Verbreitung!
Dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu einer gesunden (Schul)Mahlzeit pro Tag haben, gegen Junkfood (1 von 3 Kindern in der EU ist bereits von Fettleibigkeit betroffen) und für Ernährungsbildung und Kochen in Schulen!
Hier geht es zur Petition: https://secure.avaaz.org/community_petitions/de/eu_kommissarin_fur_gesundheit_dr_stella_kyriakides_eu_eine_gesunde_mahlzeit_fur_jedes_kind_in_jeder_schule/
Hier zu 9 weiteren Sprachversionen: https://linktr.ee/buybetterfood
Dankeschön!