Was haben BMW und Landwirtschaft miteinander zu tun? Genau: Nichts! Und das wird zum Problem. Denn BMW plant eine riesige Fertigungsanlage für Autobatterien auf bestem Ackerboden. Für mich als Umweltschützer und Agrarexperte eine Katastrophe. Außerdem liegt der Hof meiner Familie nur zwei Traktorminuten entfernt.
Viele halten mir jetzt sicher gleich zu Beginn dieses Beitrags entgegen, dass wir eine Verkehrs- und Energiewende brauchen, ich das aber „not in my backyard“ haben will. Dieses Argument wird tausendfach bemüht, wenn es um die Errichtung von Windkraftanlagen oder Photovoltaikparks geht. Klimaschutz und Energiewende gerne, aber bitte nicht in meinem Hinterhof. Oder halt nicht auf meinem Acker vor der Haustür. Verstanden. Doch möchte ich gerne zeigen, dass es um weit mehr geht, als um den Bau von Elektroautos. Es geht nämlich unter anderem auch: um Bier.
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Als Umweltschützer bezweifle ich zum einen, dass BMW die große Verkehrswende mit Luxuskarossen bestreitet. Dazu braucht es ganz andere Konzepte: Etwa den Ausbau des ÖPNV und eine funktionierende Bahn-Infrastruktur. Zudem ist die Frage, wo die ganzen Bauteile für diese Batterien herkommen? Dafür benötigt es eine Menge Rohstoffe, seltene Erden, Kupfer, Aluminium, die unter teilweise menschenunwürdigen und äußerst umweltschädlichen Bedingungen in China, Brasilien oder sonst wo abgebaut werden. Auch hier: Elektrifizierung ja gerne, aber Umweltprobleme, die durch die Rohstoffgewinnung entstehen – bitte „not in my backyard“. Woher die seltenen Erden kommen, keine Ahnung!

Wir müssen Wohlstand neu denken
Als Umweltschützer mache ich mir noch über eine weitere Tatsache Sorgen. Diese Art von Flächennutzung birgt enorme Risiken für die Artenvielfalt, für Ressourcen- und Klimaschutz. In Zeiten der Klimakrise sollte es doch unsere größte Sorge sein, wie wir unsere Ressourcen – auch Biodiversität ist eine überlebenswichtige Ressource – schützen und Ökosysteme stärken können. Sie sind schließlich „unser“ Naturkapital, also unsere wirtschaftliche Grundlage und somit auch Grundlage unserer gesellschaftlichen Stabilität. Sicher: Bebauung, Schaffung von Infrastruktur, von Industrieanlagen und Gewerbegebieten haben den Weg für wirtschaftlichen Wohlstand bereitet. Doch heute, in zunehmend unsicheren Zeiten und einer über allem schwebenden Klima- und Biodiversitätskrise, müssen wir Wohlstand neu betrachten.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Versiegelte Böden jedenfalls tragen nur in sehr begrenztem Maße dazu bei und wenn überhaupt, dann nur für wenige. So können versiegelte Böden beispielsweise kein Wasser mehr speichern und in die Grundwasserschichten abführen. Die letzten Jahre haben uns aber gezeigt, wie abhängig wir vom Wasser sind. Ein Dürresommer folgt auf den nächsten und trifft auf lokale Extremwetterereignisse. In Niederbayern waren die Niederschläge in den letzten Jahren zwar ausreichend. Was aber eine entfesselte Natur anstellen kann, wurde vielen 2013 beim Jahrhunderthochwasser in Deggendorf bewusst. Da werden nun 160 Hektar Fertigungshalle nicht den großen Unterschied machen, könnte man meinen.
Aber doch, sie machen einen Unterschied! Nicht die 160 Hektar allein. Aber die hunderten neu gebauten Logistikzentren, Supermärkte, Gewerbe- oder Siedlungsgebiete. Wasser kann nicht mehr versickern und sucht sich seinen Weg auf der Erdoberfläche. Auch Hitzefelder können entstehen. Das kennt jeder, der im Sommer von einer Straße in den Park geht. Ackerflächen, insbesondere bewachsene Ackerflächen, absorbieren Wärme besser als Betonflächen. Und das bereitet mir als Agrarexperte und Landwirtssohn besondere Kopfschmerzen.

Auch im gesegneten Bayern spüren wir die Klimakrise
Wir spüren die Klimakrise immer deutlicher, überall. Auch im von Gott gesegneten Bayern mit dem schönen weiß-blauen Himmel. Dieser ist nämlich häufig nur noch blau oder aber grau. Das heißt: Entweder haben wir lange Trockenphasen – oder Extremwetterereignisse. In Zukunft wird also eine Landwirtschaft gefragt sein, die unter extremen Verhältnissen weiter hochwertige Lebensmittel produzieren kann.
Der Gäuboden in Niederbayern, meiner Heimat, ist dazu bestens geeignet. Die Qualität der Böden ist hervorragend und die klimatischen Verhältnisse sind immer noch sehr gut. Seit Jahren werden Rekorderträge erzielt. In einem guten Jahr könnten aus diesen 160 Hektar etwa eine Millionen Laib Brot gebacken oder fast sechs Millionen Liter Bier gebraut werden. Betoniert man diese 160 Hektar zu, kann BMW zwar effizienter E‑Autos bauen. Die Gemeinden bekommen ihre Steuern und Arbeitsplätze gibt es vielleicht auch noch dazu. Aber für wie lange? Und wie viele Menschen profitieren davon?
Wie empfindlich unsere Lieferketten sind, haben wir gemerkt, als – bedingt durch die Pandemie oder durch den Krieg in der Ukraine – plötzlich viele elektronische Geräte nicht mehr produziert werden konnten. Ersatzteile waren nicht mehr lieferbar. Supermarktregale blieben leer. Was also, wenn keine Batterien mehr geliefert werden können. Dann steht da ein Riesenklotz auf bestem Ackerland, der genau keine Funktion für niemanden mehr erfüllt.
Erst wenn die letzte Ähre gedroschen, der letzte Acker zubetoniert ist und der letzte Betrieb aufgegeben hat, werdet ihr merken, dass man Autobatterien nicht essen kann.

Über 20.000 Hektar Naturkapital jährlich zerstört
Das Beispiel der BMW-Halle in Niederbayern steht stellvertretend für so viele Bauvorhaben in Deutschland und auf der Welt: Sie zerstören Naturkapital, um vermeintlichen volkswirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Allein in Deutschland werden täglich nach wie vor 55 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsfläche verbraucht. Über 20.000 Hektar jährlich!
In den letzten knapp 30 Jahren wurde somit eine Fläche zugebaut, die 13 mal so groß ist wie Berlin. Und der Trend setzt sich fort. Aktuell sollen im Raum Magdeburg über 400 Hektar bestes Ackerland für den Chiphersteller Intel bebaut werden. Drumherum soll ein gigantisches Gewerbegebiet mit insgesamt 1.000 Hektar entstehen. Etwa 900 Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen sollen gebaut oder erweitert werden. Der Koalitionsausschuss hat am 28. März 2023 erst beschlossen, 144 Autobahnprojekte beschleunigt (d.h. ohne Umweltverträglichkeitsprüfung) durchzuziehen. Ob dieser Turbo bei der Flächenversiegelung wirklich langfristig einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringt wage ich zu bezweifeln.

Unsere Böden, unsere Lebensgrundlage
Ich möchte am Ende keinen Teufel an die Wand gemalt haben und vermutlich wird Niederbayern auch mit BMW-Fabrik noch Niederbayern sein (was auch immer das ist). Aber ich habe diesen Beitrag mit folgendem Anliegen geschrieben: Ich möchte, dass wir alle besser verstehen, dass unsere Böden unsere Lebensgrundlage sind. Und dass wir in Zeiten von Kriegen, Pandemien, Klima- und Biodiversitätskrisen mehr denn je auf sie angewiesen sind. Wir sollten uns also ganz genau fragen, wofür wir diese wertvolle Ressource nutzen wollen. Wertvoller Ackerboden, zusammen mit sauberem Wasser und klarer Luft – das wird in Zukunft das Wertvollste sein, was wir haben. Viel zu lange haben wir das als selbstverständlich hingenommen.
Immerhin: Auf europäischer Ebene wird derzeit über ein Bodengesundheitsgesetz verhandelt. Dieses Gesetz soll den Schutz unserer Böden sicherstellen. Es ist nun an uns allen, dieses Vorhaben der EU zu unterstützen, damit wir uns nicht selbst unserer Lebensgrundlage berauben. Außerdem sind sechs Millionen Liter Bier ein starkes Argument!
Michael, danke für Deinen informativen Beitrag.
Wir kommen zum Unterstützen.
Als Mitglied vom Bundnaturschutz der Kreisgruppe Regensburg kommen wir zum demostrieren nach Strasskirchen am Sonntag den 23.07.2023 um 15 Uhr.
Wer Zeit hat, bitte unbedingt auch kommen, denn von einer versiegelten Fläche kannst Du nichts mehr runterbeißen.
Ihr seid alle herzlich eingeladen zur:
“Demonstration gegen Flächenfrass im Gäuboden”
am 23 Juli 2023
11 Uhr Obertraubling / Rathaus
13 Uhr Geiselhöring / Rathaus
15 Uhr Strasskirchen / Rathaus
https://besteboedenbayerns.de/termine-aktuelles/
https://regensburg.bund-naturschutz.de/aktuelles/artikel/pressemitteilung-buendnis-zur-bewahrung-der-besten-boeden-bayerns
https://www.bi-gaeuboden.de
Liebe Grüße
vom Bundnaturschutz der Kreisgruppe Regensburg