(M)eine Ode an den Ackerboden


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Wir setzen unsere Zukunft aufs Spiel, wenn wir die Natur weiter der Industrie opfern © Imago/Shotshop/Valentyn Semenov

Was haben BMW und Land­wirt­schaft mit­ein­an­der zu tun? Genau: Nichts! Und das wird zum Pro­blem. Denn BMW plant eine rie­si­ge Fer­ti­gungs­an­la­ge für Auto­bat­te­rien auf bes­tem Acker­bo­den. Für mich als Umwelt­schüt­zer und Agrar­ex­per­te eine Kata­stro­phe. Außer­dem liegt der Hof mei­ner Fami­lie nur zwei Trak­tor­mi­nu­ten entfernt.

Vie­le hal­ten mir jetzt sicher gleich zu Beginn die­ses Bei­trags ent­ge­gen, dass wir eine Ver­kehrs- und Ener­gie­wen­de brau­chen, ich das aber „not in my back­yard“ haben will. Die­ses Argu­ment wird tau­send­fach bemüht, wenn es um die Errich­tung von Wind­kraft­an­la­gen oder Pho­to­vol­ta­ik­parks geht. Kli­ma­schutz und Ener­gie­wen­de ger­ne, aber bit­te nicht in mei­nem Hin­ter­hof. Oder halt nicht auf mei­nem Acker vor der Haus­tür. Ver­stan­den. Doch möch­te ich ger­ne zei­gen, dass es um weit mehr geht, als um den Bau von Elek­tro­au­tos. Es geht näm­lich unter ande­rem auch: um Bier.

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Als Umwelt­schüt­zer bezweif­le ich zum einen, dass BMW die gro­ße Ver­kehrs­wen­de mit Luxus­ka­ros­sen bestrei­tet. Dazu braucht es ganz ande­re Kon­zep­te: Etwa den Aus­bau des ÖPNV und eine funk­tio­nie­ren­de Bahn-Infra­struk­tur. Zudem ist die Fra­ge, wo die gan­zen Bau­tei­le für die­se Bat­te­rien her­kom­men? Dafür benö­tigt es eine Men­ge Roh­stof­fe, sel­te­ne Erden, Kup­fer, Alu­mi­ni­um, die unter teil­wei­se men­schen­un­wür­di­gen und äußerst umwelt­schäd­li­chen Bedin­gun­gen in Chi­na, Bra­si­li­en oder sonst wo abge­baut wer­den. Auch hier: Elek­tri­fi­zie­rung ja ger­ne, aber Umwelt­pro­ble­me, die durch die Roh­stoff­ge­win­nung ent­ste­hen – bit­te „not in my back­yard“. Woher die sel­te­nen Erden kom­men, kei­ne Ahnung!

(101029) -- BAOTOU, Oct. 29, 2010 (Xinhua) -- Photo taken on Oct. 27, 2010 shows a mine pit in Bayan Obo, north China s Inner Mongolia Autonomous Region, Oct. 27, 2010. PUBLICATIONxNOTxINxCHN
Der Abbau sel­te­ner Erden, wie hier in einer Mine in Chi­na, ver­ur­sacht enor­me Umwelt­schä­den © Ima­go Images/Xinhua

Wir müs­sen Wohl­stand neu denken

Als Umwelt­schüt­zer mache ich mir noch über eine wei­te­re Tat­sa­che Sor­gen. Die­se Art von Flä­chen­nut­zung birgt enor­me Risi­ken für die Arten­viel­falt, für Res­sour­cen- und Kli­ma­schutz. In Zei­ten der Kli­ma­kri­se soll­te es doch unse­re größ­te Sor­ge sein, wie wir unse­re Res­sour­cen – auch Bio­di­ver­si­tät ist eine über­le­bens­wich­ti­ge Res­sour­ce – schüt­zen und Öko­sys­te­me stär­ken kön­nen. Sie sind schließ­lich „unser“ Natur­ka­pi­tal, also unse­re wirt­schaft­li­che Grund­la­ge und somit auch Grund­la­ge unse­rer gesell­schaft­li­chen Sta­bi­li­tät. Sicher: Bebau­ung, Schaf­fung von Infra­struk­tur, von Indus­trie­an­la­gen und Gewer­be­ge­bie­ten haben den Weg für wirt­schaft­li­chen Wohl­stand berei­tet. Doch heu­te, in zuneh­mend unsi­che­ren Zei­ten und einer über allem schwe­ben­den Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­kri­se, müs­sen wir Wohl­stand neu betrachten.

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Ver­sie­gel­te Böden jeden­falls tra­gen nur in sehr begrenz­tem Maße dazu bei und wenn über­haupt, dann nur für weni­ge. So kön­nen ver­sie­gel­te Böden bei­spiels­wei­se kein Was­ser mehr spei­chern und in die Grund­was­ser­schich­ten abfüh­ren. Die letz­ten Jah­re haben uns aber gezeigt, wie abhän­gig wir vom Was­ser sind. Ein Dür­re­som­mer folgt auf den nächs­ten und trifft auf loka­le Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se. In Nie­der­bay­ern waren die Nie­der­schlä­ge in den letz­ten Jah­ren zwar aus­rei­chend.  Was aber eine ent­fes­sel­te Natur anstel­len kann, wur­de vie­len 2013 beim Jahr­hun­dert­hoch­was­ser in Deg­gen­dorf bewusst. Da wer­den nun 160 Hekt­ar Fer­ti­gungs­hal­le nicht den gro­ßen Unter­schied machen, könn­te man meinen.

Aber doch, sie machen einen Unter­schied! Nicht die 160 Hekt­ar allein. Aber die hun­der­ten neu gebau­ten Logis­tik­zen­tren, Super­märk­te, Gewer­be- oder Sied­lungs­ge­bie­te. Was­ser kann nicht mehr ver­si­ckern und sucht sich sei­nen Weg auf der Erd­ober­flä­che. Auch Hit­ze­fel­der kön­nen ent­ste­hen. Das kennt jeder, der im Som­mer von einer Stra­ße in den Park geht. Acker­flä­chen, ins­be­son­de­re bewach­se­ne Acker­flä­chen, absor­bie­ren Wär­me bes­ser als Beton­flä­chen. Und das berei­tet mir als Agrar­ex­per­te und Land­wirts­sohn beson­de­re Kopfschmerzen.

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Ver­sie­gel­te Böden spei­chern kein Was­ser mehr, das kann zu Hoch­was­ser füh­ren wie hier in Deg­gen­dorf 2013 © Imago/Wiegand Wagner

Auch im geseg­ne­ten Bay­ern spü­ren wir die Klimakrise

Wir spü­ren die Kli­ma­kri­se immer deut­li­cher, über­all. Auch im von Gott geseg­ne­ten Bay­ern mit dem schö­nen weiß-blau­en Him­mel. Die­ser ist näm­lich häu­fig nur noch blau oder aber grau. Das heißt: Ent­we­der haben wir lan­ge Tro­cken­pha­sen – oder Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se. In Zukunft wird also eine Land­wirt­schaft gefragt sein, die unter extre­men Ver­hält­nis­sen wei­ter hoch­wer­ti­ge Lebens­mit­tel pro­du­zie­ren kann.

Der Gäu­bo­den in Nie­der­bay­ern, mei­ner Hei­mat, ist dazu bes­tens geeig­net. Die Qua­li­tät der Böden ist her­vor­ra­gend und die kli­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se sind immer noch sehr gut. Seit Jah­ren wer­den Rekor­der­trä­ge erzielt. In einem guten Jahr könn­ten aus die­sen 160 Hekt­ar etwa eine Mil­lio­nen Laib Brot geba­cken oder fast sechs Mil­lio­nen Liter Bier gebraut wer­den. Beto­niert man die­se 160 Hekt­ar zu, kann BMW zwar effi­zi­en­ter E‑Autos bau­en. Die Gemein­den bekom­men ihre Steu­ern und Arbeits­plät­ze gibt es viel­leicht auch noch dazu. Aber für wie lan­ge? Und wie vie­le Men­schen pro­fi­tie­ren davon?

Wie emp­find­lich unse­re Lie­fer­ket­ten sind, haben wir gemerkt, als – bedingt durch die Pan­de­mie oder durch den Krieg in der Ukrai­ne – plötz­lich vie­le elek­tro­ni­sche Gerä­te nicht mehr pro­du­ziert wer­den konn­ten. Ersatz­tei­le waren nicht mehr lie­fer­bar. Super­markt­re­ga­le blie­ben leer. Was also, wenn kei­ne Bat­te­rien mehr gelie­fert wer­den kön­nen. Dann steht da ein Rie­sen­klotz auf bes­tem Acker­land, der genau kei­ne Funk­ti­on für nie­man­den mehr erfüllt.

Erst wenn die letz­te Ähre gedro­schen, der letz­te Acker zube­to­niert ist und der letz­te Betrieb auf­ge­ge­ben hat, wer­det ihr mer­ken, dass man Auto­bat­te­rien nicht essen kann.

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In der Kli­ma­kri­se wer­den wird eine robus­te Land­wirt­schaft immer wich­ti­ger, die auch Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen stand­hal­ten kann © Ima­go Images/Countrypixel

Über 20.000 Hekt­ar Natur­ka­pi­tal jähr­lich zerstört

Das Bei­spiel der BMW-Hal­le in Nie­der­bay­ern steht stell­ver­tre­tend für so vie­le Bau­vor­ha­ben in Deutsch­land und auf der Welt: Sie zer­stö­ren Natur­ka­pi­tal, um ver­meint­li­chen volks­wirt­schaft­li­chen Nut­zen zu gene­rie­ren. Allein in Deutsch­land wer­den täg­lich nach wie vor 55 Hekt­ar für Sied­lungs- und Ver­kehrs­flä­che ver­braucht. Über 20.000 Hekt­ar jährlich!

In den letz­ten knapp 30 Jah­ren wur­de somit eine Flä­che zuge­baut, die 13 mal so groß ist wie Ber­lin. Und der Trend setzt sich fort. Aktu­ell sol­len im Raum Mag­de­burg über 400 Hekt­ar bes­tes Acker­land für den Chip­her­stel­ler Intel bebaut wer­den. Drum­her­um soll ein gigan­ti­sches Gewer­be­ge­biet mit ins­ge­samt 1.000 Hekt­ar ent­ste­hen. Etwa 900 Kilo­me­ter Auto­bah­nen und Bun­des­stra­ßen sol­len gebaut oder erwei­tert wer­den. Der Koali­ti­ons­aus­schuss hat am 28. März 2023 erst beschlos­sen, 144 Auto­bahn­pro­jek­te beschleu­nigt (d.h. ohne Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung) durch­zu­zie­hen. Ob die­ser Tur­bo bei der Flä­chen­ver­sie­ge­lung wirk­lich lang­fris­tig einen volks­wirt­schaft­li­chen Nut­zen bringt wage ich zu bezweifeln.

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Gera­de erst von der Bun­des­re­gie­rung beschlos­sen: Aus­bau von Auto­bah­nen ohne Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung © Ima­go Images/Hans Blossey

Unse­re Böden, unse­re Lebensgrundlage

Ich möch­te am Ende kei­nen Teu­fel an die Wand gemalt haben und ver­mut­lich wird Nie­der­bay­ern auch mit BMW-Fabrik noch Nie­der­bay­ern sein (was auch immer das ist). Aber ich habe die­sen Bei­trag mit fol­gen­dem Anlie­gen geschrie­ben: Ich möch­te, dass wir alle bes­ser ver­ste­hen, dass unse­re Böden unse­re Lebens­grund­la­ge sind. Und dass wir in Zei­ten von Krie­gen, Pan­de­mien, Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­kri­sen mehr denn je auf sie ange­wie­sen sind. Wir soll­ten uns also ganz genau fra­gen, wofür wir die­se wert­vol­le Res­sour­ce nut­zen wol­len. Wert­vol­ler Acker­bo­den, zusam­men mit sau­be­rem Was­ser und kla­rer Luft  – das wird in Zukunft das Wert­volls­te sein, was wir haben. Viel zu lan­ge haben wir das als selbst­ver­ständ­lich hingenommen.

Immer­hin: Auf euro­päi­scher Ebe­ne wird der­zeit über ein Boden­ge­sund­heits­ge­setz ver­han­delt. Die­ses Gesetz soll den Schutz unse­rer Böden sicher­stel­len. Es ist nun an uns allen, die­ses Vor­ha­ben der EU zu unter­stüt­zen, damit wir uns nicht selbst unse­rer Lebens­grund­la­ge berau­ben. Außer­dem sind sechs Mil­lio­nen Liter Bier ein star­kes Argument!

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1 Kommentar

  1. a. schnell
    10. Juli 2023
    Antworten

    Micha­el, dan­ke für Dei­nen infor­ma­ti­ven Beitrag.

    Wir kom­men zum Unterstützen.
    Als Mit­glied vom Bund­na­tur­schutz der Kreis­grup­pe Regens­burg kom­men wir zum demo­s­trie­ren nach Stras­s­kir­chen am Sonn­tag den 23.07.2023 um 15 Uhr.

    Wer Zeit hat, bit­te unbe­dingt auch kom­men, denn von einer ver­sie­gel­ten Flä­che kannst Du nichts mehr runterbeißen.

    Ihr seid alle herz­lich ein­ge­la­den zur:
    “Demons­tra­ti­on gegen Flä­chen­frass im Gäuboden”

    am 23 Juli 2023
    11 Uhr Ober­traub­ling / Rathaus
    13 Uhr Gei­sel­hö­ring / Rathaus
    15 Uhr Stras­s­kir­chen / Rathaus

    https://besteboedenbayerns.de/termine-aktuelles/

    https://regensburg.bund-naturschutz.de/aktuelles/artikel/pressemitteilung-buendnis-zur-bewahrung-der-besten-boeden-bayerns

    https://www.bi-gaeuboden.de

    Lie­be Grüße
    vom Bund­na­tur­schutz der Kreis­grup­pe Regensburg

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