Deutschland macht sich Sorgen um seine Spargelernte. Ein Luxusproblem, verglichen mit den Herausforderungen in anderen Teilen der Welt, wo schon jetzt die Versorgungslage mit Lebensmitteln durch die Coronakrise angespannt ist. Zwar sind derzeit global die Preise für Weizen und Mais nicht gestiegen, in einigen asiatischen Ländern wurde Reis aber deutlich teurer. In Vietnam ist der Preis für das Kilo Reis auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren. Dass es am Ende die 800 Millionen Menschen, die auch ohne Corona Hunger leiden, am härtesten treffen wird, ist klar. Durch die befürchteten wirtschaftlichen Folgen könnten es noch mehr werden, befürchtet die Welthungerhilfe.
Corona wie ein Vergrößerungsglas der Schwachstellen
Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Vergrößerungsglas, unter dem die lange bekannten Schwachstellen unserer wachstumsgetriebenen Wirtschaftslogik schonungslos deutlich werden. Das betrifft besonders die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Es mangelt nicht an Nahrung, aber der Zugang ist extrem ungleich verteilt. Viele ärmere Länder sind leider auf Importe angewiesen. In Zeiten der Krise zeigt sich einmal mehr: Die Versorgung mit Lebensmitteln ist eine Gerechtigkeitsfrage. Zugleich höre ich in den letzten Wochen auch immer wieder von Chancen, die sich durch die Krise vielleicht neu ergeben könnten.
Besinnung auf heimische Produktion
Was in Deutschland im kleinen Maßstab mit Klopapier geschieht, droht international im großen Maßstab mit Lebensmitteln. Hamstern und Egoismus, diesmal auf nationalem Niveau. Grundnahrungsmittel werden von Staaten im großen Stil auf Vorrat eingelagert oder nicht mehr exportiert. So erließ beispielsweise Vietnam, drittgrößter Exporteur von Reis, ein Ausfuhrverbot. Man müsse die Verfügbarkeit von Reis für die eigene Bevölkerung prüfen. Aus Äthiopien, Kenia oder Indien wird berichtet, dass die Versorgungslage in den Städten aufgrund der Einschränkung der Bewegungsfreiheit angespannt ist.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen Welt
Als erste Reaktion der Staaten war zu beobachten, dass die Grenzen geschlossen wurden und geschaut wurde, wie groß die Abhängigkeit von anderen Ländern ist und was im eigenen Land in ausreichender Menge produziert wird. Dies kann zu hohen Preisen in den Importländern führen und die Versorgungslage dort erschweren. Doch generell zeigt sich, wie anfällig globale Lieferketten sind. Vielleicht bestehen darin auch Chancen: die Rückbesinnung auf inländische, im besten Falle regionale Produktion, die Wiederentdeckung heimischer Produkte.

Café, Kakao oder Bananen permanent zur Verfügung zu haben ist heute selbstverständlich. Doch braucht es einheitlich verbindliche Sozial- und Umweltstandards. Die Rechte von Landarbeiter und Bauern, inklusive existenzsichernder Einkommen und die natürlichen Ressourcen vor Ort müssen gesichert sein. Wie abhängig einige Länder vom Welthandel sind, zeigen Berichte aus Äthiopien. 30.000 Arbeiter:innen haben in der Krise ihre Jobs im Blumensektor aufgrund fehlender Nachfrage verloren.
Wir müssen den ärmsten Ländern helfen ihre Menschen zu ernähren!
Auf globalem Niveau zeigt die Unterbrechung der Lieferketten aber erst einmal wie anfällig das System ist. Es ist an der Zeit, den ärmsten Ländern die Möglichkeiten zu geben, für ihre Bevölkerung genug Lebensmittel zu produzieren. Dies bedeutet aber nicht, die technologischen Ansätze der Industrieländer auf die Entwicklungsländer zu übertragen. Unsere Form der Landwirtschaft mit all ihren negativen Auswirkungen wie Flächenfrass, Artensterben und Grundwasserverschmutzung ist so einfach nicht exportfähig.
Corona: Unterschreiben Sie für grüne Konjunkturprogramme!Viele der tropischen und subtropischen Länder brauchen eine andere Art der Landwirtschaft. Es geht darum, Knowhow und Praktiken zu etablieren, die im Einklang mit den lokalen Ökosystemen funktionieren, von ihnen profitiert und gleichzeitig diese Ökosysteme erhält – sogenannte agrarökologische Ansätze. Jetzt müssen wir eine Umstellung der Agrarproduktion einleiten, die es den Ländern des Südens ermöglicht, Selbstversorgung und Ernährungssicherung durch eigene Produktion sicherzustellen. Und sie gleichzeitig widerstandsfähig macht gegen die Erderhitzung.
Corona verschärft die Folgen der Erderhitzung
Die Auswirkungen des Klimawandels werden die Folgen der Pandemie bei Weitem übertreffen. Sowohl in der zeitlichen Dimension als auch was die Opfer angeht. Ein Beispiel dafür ist die durch klimatische Veränderungen begünstigte Heuschreckenplage in Ostafrika. Sie bedroht schon jetzt die Ernährung 20 Millionen Menschen.
Landnutzung als Treiber von Krankheiten
Die Zerstörung von Ökosystemen ist ein wesentlicher Faktor, warum sich Krankheiten wie Corona manifestieren und ausbreiten können. Viele Seuchen in den letzten Jahren sind von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen. Das Zika-Virus stammt aus einem Wald in Uganda. Auch Dengue, Chikungunya oder Gelbfieber kamen wahrscheinlich aus den Wäldern in die Siedlungsgebiete. Eine brasilianische Studie von 2010 zeigt: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle beim Menschen einher. Doch liegen die Ursachen auch bei uns. Denn ein Großteil der Wälder muss landwirtschaftlichen Flächen weichen, auf denen Tierfutter oder Palmöl für den europäischen Markt produziert werden.
Tierhaltung als zusätzliches Risiko
Hinzu kommt die intensive Tierhaltung hierzulande. Oft leben tausende Tiere auf engsten Raum. 6000 Hühner in einem Stall mit neun Tieren pro Quadratmeter sind kein Einzelfall. Diese Zustände können die Entstehung und Ausbreitung von Krankheitserregern befeuern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tiere in sehr homogenen Beständen gehalten werden, d.h. gleiches Alter, gleiche Genetik, gleicher Lebensraum: Ideale Bedingungen für ein Virus.
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Aber auch außerhalb der Ställe stellen Krankheitserreger große Gefahren dar. So zum Beispiel die Vogelgrippe, die von wenigen Jahren die Nottötung vieler Millionen Geflügel zur Folge hatte. Es wird angenommen, dass aufgrund der Afrikanischen Schweinepest China etwa die Hälfte seines Schweinebestandes verloren hat.

Ein Nebenprodukt der Tierhaltung ist die große Menge an Nährstoffen, die mit den Ausscheidungen anfallen. Die Gülle liefert einen hervorragenden Nährboden für das Wachstum von Krankheitserregern, wie enterohämorrhagische Escherichia Coli (EHEC), das 2011 zu einer Epidemie in Deutschland führte.
Vielfalt macht satt und rettet Leben
Nachhaltige Landwirtschaft schützt Ökosysteme. Sie bewahrt Artenvielfalt und Lebensräume. Dies ist zugleich Prävention gegen zukünftige Krankheiten. Es ist an der Zeit, dass sich diese Erkenntnis auch in Politik und Wirtschaft durchsetzt. Das haben kürzlich auch die Wissenschaftler der Leopoldina in ihrer dritten Ad-hoc-Stellungnahme unterstrichen. Fatal wäre es, wenn die Krise zur Durchsetzung noch intensiverer Produktion missbraucht würde. In der Krise werden Umweltauflagen abgebaut, um die Produktion zu sichern. Das führt zur Belastung und Zerstörung von Natur, was wiederum die Entstehung und Ausbreitungen neuer Krankheiten befördern würde. So ergäbe sich ein Teufelskreis.
Chance für das Image der Landwirte — und uns alle!
In den letzten Jahren wurden Bauern für den Verlust der Artenvielfalt, für den Klimawandel und das unzureichende Tierwohl verantwortlich gemacht. Nun erfahren sie eine neue Anerkennung. Eine Welle der Solidarität ging durchs Land, als Erntehelfer gesucht wurden. Wochenmärkte erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Bevölkerung erkennt, dass die Versorgung gesichert ist. Landwirte werden plötzlich als systemrelevant anerkannt. Das ist gut so. Wir müssen begreifen, dass eine Sicherung der Lebensmittelversorgung, die gleichzeitig die Umwelt schützt, systemrelevant für die Zukunft ist. Eine Landwirtschaft hingegen, die sich ihrer eigenen Produktionsgrundlagen beraubt und die Versorgung mit unbelastetem Wasser gefährdet, ist auf die nächste Krise nicht vorbereitet. So haben sich viele landwirtschaftliche Böden vom Dürresommer noch nicht erholt. Ein Großteil der deutschen Wälder ist immer noch akut gefährdet. Die nächste Trockenperiode steht schon vor der Tür.
Danke für den hilfreichen Artikel. Ihr habt immer echt tolle Artikeln zum lesen. macht weiter so!
Macht die Natur wieder so, wie sie früher war. Ich bin fast 90 Jahre alt, aber so etwas haben wir, meine Eltern, Großeltern. Urgroßeltern nicht erlebt. Hoffentlich lesen viele Leute und besonders die Verantwortlichen ! diese Zeilen und Artikel!
Kinder, merkt ihr denn überhaupt nicht, das Ihr die ganze Schöpfung kaputt macht? Sagt dies nicht nur, schreit es hinaus in die Welt, zeigt auf, was Monokultur, der sogar auch noch erlaubte Handel mit tropischen Tieren auch nach Deutschland — und nach ganz Europa bringen?
Die Verantwortlichen in Staat und Regierung-aber auch die Bevölkerung selbst muss jetzt unbedingt anfangen, diesem furchtbaren Kreislauf ein Ende zu setzen.
Liebe Leute — werdet klug und tut alles, was überhaupt möglich ist — dagegen!