Zugvögel, Deiche, Weite, Wind, Wasser, Wetter. Im UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer an der Nordseeküste gibt es viel zu entdecken. Und Wandern im Nationalpark Wattenmeer muss nicht immer geführte Touren in Gummistiefeln bedeuten. Man kann es auch auf eigene Faust erkunden. Der Online-Wanderführer Wadden Sea Explorer schlägt 25 WWF-Touren in der nordfriesischen und dänischen Wattenmeer-Region auf Deutsch und Dänisch vor, mit genauen Wegbeschreibungen und Wissenswertem entlang des Weges. Den Wattenmeer-Führer kann man online oder über App nutzen. Es gibt Routen zum Spazieren oder Wandern, für Familien mit Kindern, aber auch für sportlich motivierte Einzel- oder Gruppenreisende.
Das möchte ich ausprobieren: Ich suche mir zwei Touren in der Nähe von Husum aus. Der Dichter Theodor Storm nannte seine Heimatstadt Husum mal die graue Stadt am Meer — davon kann ich an diesem Morgen im August nicht viel erkennen. Blauer Himmel, beste Bedingungen für eine Wanderung.
Meine Wanderroute startet direkt am Hafen, am Nationalpark-Haus. Hier besuche ich als erstes die kleine Ausstellung. Ich erfahre, wie die verschiedenen Wattvögel klingen, wie sich Kegelrobbe und Seehund unterscheiden und wie sich die Region an den Meeresspiegelanstieg durch die Klimakrise anpassen muss.
Mit ein wenig Basiswissen im Gepäck beginne ich die Tour. Vom Binnenhafen geht es stadtauswärts Richtung Westen zum Außenhafen. Hier liegen Krabbenkutter, Frachter werden beladen. Während sich auf der linken Seite noch die hohen Türme der Getreidespeicher erstrecken, zeigt sich auf der rechten Seite schon die typisch nordfriesische Marschlandschaft. Wiesen, Deiche und Weite. Kaum aus der Stadt raus, entdecke ich neben Schafen, Pferden und Kühen auf den Wiesen auch einen Graureiher. Er putzt sein Gefieder.
Ich komme zum Husumer Sperrwerk. Die Schleuse trennt bei Sturmfluten den Husumer Hafen – und damit auch Husum – von der Nordsee ab. An dieser Stelle schlägt der Explorer mir drei mögliche Wege vor. Auf dem Deich entlang, an der Wasserkante oder weiter auf der Straße. Ich entscheide mich für den Weg direkt am Meer. Da ist nämlich gerade noch etwas Wasser zu sehen. In Husum, wie an der gesamten Wattenmeerküste, ist das nicht selbstverständlich. Das Meer verschwindet hier zweimal am Tag fast völlig und gibt den Blick auf den Meeresboden frei.
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Um auf den Deich und an die Wasserkante zu gelangen, muss ich durch eines der schief eingesetzten Tore gehen. Durch solche Tore werde ich auf meiner Route noch einige Male treten. Die Tore halten die Schafe davon ab, den Deich zu verlassen. Sie sind schief eingesetzt, damit sie auch ohne Riegel immer automatisch schließen. Die Schafe stehen nicht zufällig auf den Deichen. Sie haben einen wichtigen Job. Schafe beweiden den Deich, so muss er nicht gemäht werden.

Auf dem Teerweg am Fuß des Deiches fällt mir etwas auf: In einer langen Linie liegt Seetang und andere Pflanzenreste gemischt mit Treibholz, Vogelfedern und leider auch etwas Müll. Wahrscheinlich ist das Wasser bei der letzten Flut bis hierhin gestiegen und hat das Zeug zurückgelassen.
Was sind denn Treibsel?
Wie ich ein paar Meter weiter von einer Infotafel erfahre, nennt man das angeschwemmte „Treibsel“- ein Wort, das ich noch nie gehört habe. Das „Treibsel“ macht dem Küstenschutz viel Arbeit, lese ich auf der Tafel. Denn es darf dort nicht liegen bleiben. Es würde das Gras ersticken und den Deich beschädigen. Deshalb muss es regelmäßig abtransportiert werden.
Nach kurzer Zeit gelange ich an die Dockkoogspitze, dem „Hausstrand“ von Husum. Der Strand ist etwas anders, als man sich einen typischen Strand vorstellt. Die Strandkörbe stehen auf Rasen, man kann hier nur zweimal Mal am Tag bei Flut baden und es gibt wie bei einem Schwimmbad eine Treppe ins Wasser.
Wo das Land vor dem Deich wächst
Kurz nachdem ich den Strand hinter mir gelassen habe, tauchen kleine Zäune im Watt auf. Wofür die wohl da sind? Ein weiteres Infoschild klärt mich auf: Die Zäune heißen Lahnungen und sind ebenfalls zum Küstenschutz da. Sie sollen Land vor dem Deich wachsen lassen. Sedimente lagern sich zwischen ihnen ab. Dadurch wird das Wasser abgebremst, bevor es auf den Deich trifft.
Anstellen hinter Schafen
Hier steht auch ein Eingangsschild zum Nationalpark Wattenmeer, der aber erst 150 Meter seewärts des Deiches beginnt. Um das Schild zu lesen, muss ich mich erst anstellen. Denn die Schafe nutzen das Schild, um sich zu schubbern.
Die Landschaft um mich herum verändert sich schon wieder. Inzwischen führt mich der Weg durch Salzwiesen. Diese Wiesen, die zwischen Land und Meer liegen, werden je nach Höhe der Flut öfter mit Salzwasser überschwemmt. Links führt mich der Wadden Sea Explorer jetzt ein kurzes Stück über eine solche Salzwiese zu einem kleinen Tor. Dahinter führt eine schmale Planke über einen Graben zu einem „geheimen“ Weg durch das Schilf. Hier bin ich von meterhohen Schilfpflanzen umhüllt. Der Weg endet nun an der Seebrücke in Schobüll, einem Stadtteil von Husum. Von hier aus geht es zu Fuß oder mit dem Bus zurück in die Stadt.
Ich verbinde diese Wanderung mit einer zweiten Route aus dem Wadden Sea Explorer. Diese startet ein gutes Stück weiter nördlich an dem ehemaligen Arlau Schöpfwerk und führt durch den Beltringharder Koog. Ein Koog ist ein eingedeichtes Gebiet, erklärt mir der World Heritage Explorer.
Wandern im Watt — und weit und breit ist keiner
Bin ich auf der ersten Route noch recht vielen Menschen begegnet, ist hier oben keiner weit und breit zu sehen. Es ist absolut still bis auf den Wind und Vogelrufe. Für diese Tour auf jeden Fall ein Fernglas mitbringen. Denn viele Vögel nutzen den Ort als Rastplatz. Auf dem Weg gibt es deshalb auch zwei Vogelbeobachtungshütten. Die erste entdecke ich nach ein paar hundert Metern. Durch Luken kann man hier in eine Salzwasserlagune blicken. Die Vögel bleiben so ganz ungestört. Auf den ersten Blick kann ich nicht viel erkennen. Aber mit dem Fernglas vor Augen, sichte ich doch einige verschiedene Vogelarten auf dem Wasser.
Praktischerweise helfen kleine Schilder mit Bildchen in der Hütte beim Bestimmen der Vögel. Ich sehe verschiedene Möwen, einen großen Brachvogel mit seinem langen gebogenen Schnabel und Brandgänse. Ein Vogelkenner erzählte mir, dass hier zurzeit auch sehr viele Seeadler rasten. Ich habe aber heute kein Glück und sehe leider keinen.

Zur Lagune gehe ich entlang von Salzwiesen. Sie leuchten in den Farben orange, lila und sattgrün. Der Weg führt mich dann rechts durch ein Tor durch einen gewundenen Schilfweg zu einer zweiten Vogelbeobachtungshütte an einem Süßwassersee. Der ist allerdings ausgetrocknet. Es picken ein paar kleine Alpenstrandläufer im Boden herum. Der Weg führt mich dann weiter durch einen grünen Tunnel, den Hecken am Wegrand bilden, zurück über den Deich.
Zum Wandern braucht man keine Berge
Fraglos: Der Wadden Sea Explorer hat mir zwei ziemlich unterschiedliche Abschnitte des Wattenmeers näher gebracht. Und gezeigt, dass man zum Wandern nicht unbedingt Berge braucht. Tolle Pfade und weite Ausblicke gibt es auch hier. Und es gibt noch so viel mehr zu entdecken…
Der Waddeen Sea Explorer ist im Rahmen des deutsch-dänischen Interreg-Projektes „NAKUWA- Natur und Kulturtourismus am Wattenmeer“ entstanden. Die App ist für Android und iOS kostenfrei erhältlich und steht ab jetzt in den entsprechenden App-Stores zum Download bereit.
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