Das rech­te Mär­chen von der „Über­be­völ­ke­rung“


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Rhetorik rechter Populist:innen: die wachsende Bevölkerung ist an allem Schuld © Dmytro Varavin / iStock / Getty Images

Die Rech­ten sind auf dem Vor­marsch. In öffent­li­chen Debat­ten wer­den sie nicht müde, zu behaup­ten: Die wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung sei der Haupt­grund für die Kli­ma­kri­se. Das ist rech­ter Popu­lis­mus. Über­kon­sum und nicht „Über­be­völ­ke­rung“ ist das Problem.

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Am 15. Novem­ber 2022 haben wir Welt­ge­schich­te geschrie­ben: Die Zahl der Men­schen auf der Erde knack­te eine wei­te­re Mil­li­ar­den­mar­ke. Mehr als acht Mil­li­ar­den Men­schen leben seit­dem auf unse­rem Pla­ne­ten. Was für eine Zahl: 8.000.000.000. Das bei­spiel­lo­se Bevöl­ke­rungs­wachs­tum ist die Fol­ge einer – dank Fort­schrit­ten in der öffent­li­chen Gesund­heit, Ernäh­rung, Hygie­ne und Medi­zin – ste­tig stei­gen­den Lebenserwartung.

Es gibt eine Formel

Die Aus­wir­kun­gen der ste­tig wach­sen­den Mensch­heit auf unse­ren Pla­ne­ten las­sen sich schwer bezif­fern. Wissenschaftler:innen haben trotz­dem den Ver­such unter­nom­men und die so genann­te IPAT-For­mel auf­ge­stellt. Die Umwelt­be­las­tung (Impact) hängt dem­nach ab von der Anzahl der Men­schen (Popu­la­ti­on), die auf der Erde leben, vom Wohl­stand (Affluence), über den die­se ver­fü­gen, sowie von der Tech­no­lo­gie (Tech­no­lo­gy), die wir ein­set­zen, um die­sen Wohl­stand bereit­zu­stel­len. Wenn einer der drei Fak­to­ren P, A und T wächst, dann wächst auch die Umwelt­be­las­tung. Sinkt ein Fak­tor, sinkt auch die Umweltbelastung.

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Der wach­sen­de Wohl­stand unse­rer Gesell­schaft hat Aus­wir­kun­gen auf unse­re Umwelt © Nenad Cavo­ski / iStock / Get­ty Images

Zur­zeit wach­sen Welt­be­völ­ke­rung (P) und Wohl­stand (A), gleich­zei­tig nimmt der Tech­no­lo­gie­ein­satz (T) ab, weil die tech­ni­sche Effi­zi­enz fort­schrei­tet. Ein schwin­den­der Tech­no­lo­gie­ein­satz allein reicht aller­dings nicht, um die Zunah­me der Welt­be­völ­ke­rung und des Wohl­stands auszugleichen.

Die letz­ten Jahr­zehn­te zei­gen, dass der mate­ri­el­le Wohl­stand sehr viel stär­ker gewach­sen ist, als die Bevöl­ke­rungs­zahl auf der Erde. Aus Gerech­tig­keits­grün­den liegt es des­halb nahe, pri­mär den hohen mate­ri­el­len Kon­sum zu redu­zie­ren und nicht bei der Anzahl der Men­schen anzu­set­zen, die auf unse­rem Pla­ne­ten lebt.

Eine unglei­che Welt

Wäh­rend in vie­len Tei­len der Welt die Bevöl­ke­rungs­zah­len stei­gen, sind es nicht die­se Regio­nen, die den größ­ten Bei­trag zur glo­ba­len Erd­er­hit­zung leis­ten. Anders for­mu­liert: Nur ein klei­ner Pro­zent­satz der Bevöl­ke­rung ist für einen Groß­teil der glo­ba­len Emis­sio­nen verantwortlich.

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Laut Oxfam sind die reichs­ten zehn Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung für mehr als die Hälf­te der glo­ba­len CO2-Emis­sio­nen ver­ant­wort­lich. Im Gegen­satz dazu tra­gen die ärms­ten 50 Pro­zent nur zu rund zehn Pro­zent der Emis­sio­nen bei. Oder wie es das Bun­des­in­sti­tut für Bevöl­ke­rungs­for­schung wei­ter ein­grenzt: Die 20 größ­ten Indus­trie­na­tio­nen pro­du­zie­ren rund 80 Pro­zent der welt­wei­ten CO2-Emissionen.

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Die Indus­trie­na­tio­nen erzeu­gen die meis­ten Emis­sio­nen und sind damit beson­ders für die Erd­er­hit­zung ver­ant­wort­lich © kod­da / iStock / Get­ty Images

Schau­en wir uns nun die gebur­ten­stärks­ten Län­der der Welt an, wird der Unter­schied beson­ders deut­lich. Laut Emis­si­ons­da­ten­bank der EU lag 2021 in Ango­la der jähr­li­che CO2-Aus­stoß pro Kopf bei 0,7 Ton­nen, in Niger bei 0,1 Ton­nen und in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go bei 0,04 Ton­nen. Im Land mit dem der­zeit stärks­ten Bevöl­ke­rungs­wachs­tum, Syri­en, betrug der Pro-Kopf-Aus­stoß 1,3 Ton­nen. Zum Ver­gleich: Ein ein­zi­ger Mensch etwa in Katar ver­ur­sach­te mehr CO2 als 1.000 Kongoles:innen. Und ein:e Deutsche:r stieß zur glei­chen Zeit das 13-fache eines Men­schen in Ango­la aus.

Wie wir leben ist entscheidend

Es geht also nicht allein dar­um, wie vie­le Men­schen auf der Erde leben – son­dern wie sie leben. Der öko­lo­gi­sche Fuß­ab­druck eines Men­schen hängt stark vom Lebens­stil und sei­nem Kon­sum­ver­hal­ten ab. In den Län­dern des glo­ba­len Nor­dens mit ihren hohen Ein­kom­men und hohem Kon­sum­ni­veau ist der Pro-Kopf-Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen erheb­lich höher als in den Län­dern des glo­ba­len Südens.

Dar­über hin­aus gibt es Unter­schie­de in den Bevöl­ke­rungs­struk­tu­ren. Eine altern­de Bevöl­ke­rung in einem Land kann zu einer gerin­ge­ren Gesamt­emis­si­on füh­ren, wäh­rend ein Land mit einer jün­ge­ren Bevöl­ke­rung und schnell wach­sen­den Städ­ten mög­li­cher­wei­se einen stei­gen­den CO2-Aus­stoß ver­zeich­net. Aber auch hier spie­len Fak­to­ren wie Tech­no­lo­gie, Poli­tik und Infra­struk­tur eine wich­ti­ge Rolle.

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Unse­re Städ­te wach­sen rasant und füh­ren so zu immer höhe­ren CO2-Emis­sio­nen © Rudy Balas­ko / iStock / Get­ty Images

Wir dür­fen auch nicht ver­ges­sen, dass es Län­der gibt, die trotz ihres hohen Bevöl­ke­rungs­wachs­tums bedeu­ten­de Anstren­gun­gen unter­neh­men, um ihre Emis­sio­nen zu redu­zie­ren und auf nach­hal­ti­ge Ent­wick­lungs­we­ge zu set­zen. Daher soll­ten wir uns hüten, das Bevöl­ke­rungs­wachs­tum als Haupt­ver­ur­sa­che der Kli­ma­kri­se zu brandmarken.

Fazit: Dort wo die Bevöl­ke­rung am schnells­ten wächst, ist der öko­lo­gi­sche Fuß­ab­druck am gerings­ten. Eine Fixie­rung auf das Bevöl­ke­rungs­wachs­tum als Haupt­ur­sa­che für die Kli­ma­kri­se schürt daher nicht nur ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments. Sie lenkt auch von den eigent­li­chen Her­aus­for­de­run­gen ab: einer gerech­ten Ver­tei­lung von Res­sour­cen und dem gesell­schaft­li­chen Wan­del hin zu nach­hal­ti­gen Pro­duk­ti­ons- und Konsumgewohnheiten.

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2 Kommentare

  1. Michael Scholz
    29. Januar 2024
    Antworten

    Fakt ist, die Men­schen­po­pu­la­ti­on wächst und sprengt alle Dimen­sio­nen. Es auf ein Ver­tei­lungs­pro­blem zu redu­zie­ren ist naiv und mei­ner Mei­nung nach von reli­giö­sen Welt­an­schau­un­gen geprägt. In wohl­ha­ben­den Län­dern sinkt die Gebur­ten­ra­te und irgend­wann die abso­lu­te Zahl, wenn man es zulässt, aber der Wohl­stand über­kom­pen­siert den Impact auf die Natur. Auch wenn in armen Län­dern, wo die Bevöl­ke­rung noch sehr stark wächst, der Fuß­ab­druck des Ein­zel­nen viel gerin­ger ist, so bil­det die gro­ße Anzahl eben doch eine star­ke Beein­träch­ti­gung. Es geht ja nicht nur um CO2 und Kli­ma. Es geht um den Erhalt der Bio­di­ver­si­tät oder ein­fach mal so gesagt: dar­um, dass wir Men­schen alle ande­ren Arten an die Wand drü­cken und ihnen ihr Exis­tenz­recht neh­men. Und das ist in Afri­ka nicht anders als in Euro­pa, egal, wie arm oder reich die Men­schen jeweils sind. Für die nicht­mensch­li­chen Spe­ci­es wären aus Grün­den der Chan­cen­ge­rech­tig­keit (hier mal nicht nur im mensch­li­chen Rah­men gedacht) eine deut­lich gerin­ge­re Men­schen­po­pu­la­ti­on bes­ser, ver­bun­den mit Tech­no­lo­gie, näm­lich der­art, dass via Bio­tech­no­lo­gie Nah­rung aus Son­nen­en­er­gie her­ge­stellt wird, und wir uns aus der Natur maxi­mal zurück­zie­hen, um eine unge­stör­te Ent­wick­lung ande­rer Arten zu gewährleisten.

  2. 6. Februar 2024
    Antworten

    Die Sicht von Chris­ti­an Roman ist aus meh­re­ren Grün­den sehr ein­di­men­sio­nal. Ich stim­me Micha­el Scholz völ­lig zu und ergän­ze hier nur folgendes:

    Ers­tens: den Umwelt­ein­fluss auf Emis­sio­nen zu redu­zie­ren ist naiv und gefähr­lich. Was Natur und Bio­di­ver­si­tät angeht ist der Land­ver­brauch viel wich­ti­ger, ange­sichts der Tat­sa­che dass die Mensch­heit schon 70% des beacker­ba­ren Lan­des schon für sich bean­sprucht (und damit gleich­zei­tig die Natur plattmacht).

    Zwei­tens: natür­lich ver­brau­chen die armen Län­dern viel weni­ger Ener­gie, aber “Armen” wer­den immer weni­ger: nach Berech­nun­gen von Homi Kha­ras (Broo­kings) gehö­ren zur Zeit 40% der Welt­be­völ­ke­rung zur glo­ba­len Mit­tel­klas­se. In 10 Jah­ren wer­den es aber schon 60% sein, d.h. deren Impact nimmt ste­tig zu. Und wer woll­te es den Armen nicht gön­nen, rei­cher zu wer­den und mehr Res­sour­cen zu ver­brau­chen? Wenn 20% der Welt­be­völ­ke­rung aus­rei­chen, um das Kli­ma zu kil­len, soll­ten es ent­spre­chen auch nur 2 Mil­li­ar­den geben. Nie­mand behaup­tet ja, dass nur die Rei­chen leben sol­len und die Armen nicht. Des­halb ist eine Redu­zie­rung der Welt­be­völ­ke­rung auch nichts mit Rechts oder Links zu tun: ALLE, vor allem natür­lich die Rei­chen, müs­sen weni­ger wer­den. Aus die­sem Grund habe ich als Bio­lo­ge eine strik­te 1‑Kind-Poli­tik.

    Drit­tens: natür­lich ist der CO2-Aus­stoß pro Kopf im Niger ver­schwin­dend gering, aber bei 7 Kin­dern pro Frau soll­te selbst dem naivs­ten Lin­ken klar sein, dass das nicht nach­hal­tig ist — vor allem in einem Land, in dem Land­wirt­schaft nur schwer mög­lich ist, und ein wei­te­res Bevöl­ke­rungs­wachs­tum unwei­ger­lich zu Ver­tei­lungs­kon­flik­ten und Krie­gen führt — und genau das sieht man ja über­all im Sahel. Als Fol­ge flüch­ten immer mehr Arme aus dem Sahel nach Euro­pa, wo das ein­zi­ge Ziel (zu Recht!) dar­in besteht, reich zu wer­den und mög­lichst viel zu konsumieren.

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