Am Wochenende war ich an der Ostseeküste und bin an den unvermeidlichen Fischbuden vorbeigeschlendert. In der Auslage Aal, Matjesbrötchen und Garnelensalat. Früher hätte ich wahrscheinlich zugelangt und mir ein Fischbrötchen gekauft. Aber je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr vergeht mir der Fisch-Appetit. Überfischung, Belastung mit Schwermetallen und Arzneimittelrückständen sowie die gigantische Verschwendung von Fisch durch illegale Rückwürfe verderben mir das Fischessen. Das geht leider nicht allen so. Global gesehen essen wir so viel Fisch wie nie zuvor.
Überfischung bedroht unsere Meere
Erst vor kurzem wurde der neue Fischereireport von der Welternährungsorganisation FAO zum Zustand der weltweiten Fischbestände vorgestellt. Die Ergebnisse kurz zusammengefasst: Der Fischkonsum stieg auf einen globalen Pro-Kopf-Rekordwert von 20,5 Kilo und erhöht den Druck auf die Meere. Rund ein Drittel der Fischbestände gelten als überfischt. Wir Deutschen essen zwar nur rund 14 Kilo Fisch im Jahr, aber den größten Teil (rund 80 Prozent) davon müssen wir importieren, da viele Gewässer hierzulande überfischt sind. Selbst Nordsee-Kabeljau und Ostsee-Hering geht es schlecht. Das UN-Nachhaltigkeits-Ziel, die Überfischung bis 2020 zu beenden, wird verfehlt. Obwohl die Corona-Krise die Fischerei ein paar Wochen lang ausgebremst hat.
Die FAO-Prognosen sagen, dass der Fischkonsum mit steigender Weltbevölkerung weiter zunehmen wird. Doch die Fische der Ozeane sind endlich.
Die EU ist Importweltmeister, doch wir haben Alternativen
Für uns Europäer ist es einfach. Wir müssen nicht Fisch essen, wir können unseren Eiweiß-Bedarf anders stillen. Doch noch immer ist die EU (vor den USA und Japan) der weltweit größte Fisch-Importeur. Rund 20 Prozent der weltweit gehandelten Fische werden in die EU importiert. Die Hälfte davon stammt aus Entwicklungsländern. Und dort sind Hunderte Millionen Menschen auf Fisch als primäre Eiweißquelle angewiesen. Lassen wir den Fisch doch also besser dort, wo er dringender gebraucht wird. Und kümmern uns endlich darum, dass sich die Fischbestände in unseren Gewässern wirklich erholen können!
Kann die Aquakultur die Lösung sein?
Schon jetzt macht die Fischzucht rund die Hälfte der Fischproduktion aus. Doch noch ist die Aquakultur häufig nicht nachhaltig und verschärft die Probleme der Überfischung. Viele Zuchtfische müssen mit Fischöl oder -mehl aus Wildfischen gefüttert werden. Für ein Kilo Zuchtlachs müssen mehrere Kilo anderer Fisch sterben.
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Dazu kommen Probleme mit Antibiotika und Chemikalien, wie zum Beispiel bei der Lachszucht. Die Entwicklung alternativer Futtermittel wie zum Beispiel Insektenlarven oder eiweißreichen Pflanzen läuft gerade erst an.
Ein Lichtblick ist die sogenannte Aquaponik, bei der Fischzucht (Aquakultur) und Pflanzenbau (Hydroponik) zu einem umweltschonenden Kreislaufsystem kombiniert werden. Dabei wird das Abwasser der Aquakultur direkt als Dünger für die Pflanzen genutzt. Doch bis dieses System im großen Stil bei der Fischzucht angewendet wird, können noch einige Jahre ins Land gehen.
Wir brauchen nachhaltige Fischerei und mehr Überwachung
Wir brauchen also jetzt den politischen Willen für nachhaltige Fischerei. Ein Schlüssel hierfür sind Fangmengen, die auf wissenschaftlichen Empfehlungen basieren, sowie eine wirksame Kontrolle der Fischereiaktivitäten auf See. Doch genau hieran mangelt es gravierend. In vielen Regionen der Welt wird die Fischerei gar nicht reguliert, da sich die betreffenden Küstenländer keine wirksame Fischereiaufsicht leisten können und illegale Fischerei vorherrscht.
Aber selbst in Europa, wo es von den EU-Fischereiminister:Innen festgelegte Fangmengen gibt, schaffen wir es nicht, die Überfischung in den Griff zu bekommen. Das Mittelmeer und das Schwarze Meer gehören zu den überfischtesten Gewässern weltweit.
Das liegt nicht zuletzt am blinden Fleck in den Berechnungen, der durch illegale Fischerei und Beifang entsteht. In der EU gilt zwar die Anlandeverpflichtung. Das heißt, Fischer müssen auch den Beifang mit an Land bringen, damit dieser auf die Fangquote angerechnet werden kann. Doch oftmals wird das umgangen, indem der unerwünschte Beifang illegal rückgeworfen wird.
Mehr Videoüberwachung und Fanglizenzen – auch für kleine Fischerboote
Deshalb fordern wir die flächendeckende Einführung von elektronischen Monitoringsystemen (REM – Remote Electronic Monitoring) auf Fangschiffen über zwölf Metern Länge, um die Umsetzung der Anlandeverpflichtung endlich kontrollieren zu können. Momentan will die EU die Videoüberwachung nur für Fangschiffe über 24 Meter verpflichtend einführen – das trifft gerade einmal rund 3,3 Prozent der EU-Flotte und somit nur einen Bruchteil jener Fangschiffe, die das große Problem darstellen.
Wir Europäer tragen als Fisch-Importweltmeister eine besondere Verantwortung, auf nachhaltigen Fischfang zu achten. Ab Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne und damit die große Chance und Verantwortung darauf hinzuarbeiten, dass die Fischerei durch eine neue Fischereikontrolle endlich auf nachhaltige Füße gestellt wird.
Durch die Abschaffung von schädlichen Subventionen, die die Überkapazitäten in den Fangflotten und damit die globale Überfischung weiter befeuern, wäre zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Auch hier kann Deutschland erheblich dazu beitragen, dass das gelingt. Deutschland muss sich dafür einsetzen, dass die Wiedereinführung von Subventionen durch die Hintertür im Rahmen des neuen Europäischen Meeres- und Fischereifonds verhindert wird.
Tipp für Verbraucher: Weniger Fisch essen und WWF-Fischratgeber nutzen
Was können wir tun, um die Überfischung nicht noch weiter anzuheizen? Zunächst sollten wir unseren Fischkonsum überprüfen. Und Fisch essen als seltene Delikatesse betrachten oder ganz darauf verzichten. Beim Fischkauf sollte man auf Nachhaltigkeitssiegel achten (Bioland, Naturland, ASC und MSC). Und wer sich unsicher ist, kann unseren Fischratgeber nutzen und nur mit „grün“ bewertete Fische kaufen.
Katja Graf schrieb: “… Für uns Europäer ist es einfach. Wir müssen nicht Fisch essen, wir können unseren Eiweiß-Bedarf anders stillen. …”
Der Eiweiß-Bedarf ist die eine Sache, aber der Bedarf an essentiellen Omega3 Säuren ist wohl die andere Seite der Medaille.
Gelesen habe ich, es gebe ausreichend Alternativen zu Omega-3-Produkten aus Fisch. Quellen für die kurzkettige Omega3 Fettsäure ALA sollen pflanzliche Öle wie Leinöl, Leindotteröl oder Hanföl, außerdem Walnüsse sein.
Die langkettigen Fettsäuren EPA und DHA seien hingegen in Landpflanzen nicht enthalten. Wer seinen Bedarf an EPA und DHA nicht über fetten Seefisch abdecken möchte, finde Nahrungsergänzungsmittel auf z.B. Mikroalgenbasis.
Hmmmm, brauche ich nun die EPA und DHA zum Leben? Oder brauche ich tatsächlich nur Eiweiß aus dem Fisch?
Ich meine die Fragen ernst, bin kein Vertreter von Nahrungsergänzungsmitteln.
MfG
Hallo Ackergaul,
wie Du bereits beschrieben hast, Mikroalgen produzieren (auch) EPA und DHA. Soviel ich weiß haben die Fische auch deswegen mehr EPA und DHA als die Landtiere, weil die eben mehr davon von den Produzenten (also Pflanzen) konsumieren, weil die Landpflanzen oft viel weniger bis kein EPA/DHA enthalten.
Eiweiß aus dem Fisch benötigt man genauso wenig, wie Eiweiße aus anderen Tieren. Allgemein synthesieren Tiere (inklusive Menschen) ihre Proteine selbst, aus den Aminosäuren, die sie in der Nahrung bekommen. Die Pflanzen produzieren alle essentielle Aminosäuren, die ein Mensch braucht.
MFG Andi
Ihr macht gute und notwendige Arbeit.
Was mich stört, sind die vorgegebenen, allgemein gehaltenen Antworten zu Umfragen.
Sie schrieben zwar, dass wir Europäer unser Eiweiß-bedarf anders stillen können. Aber das andere Problem wäre da der Bedarf an essentiellen Omega3 Säuren. Trotz alledem bin ich auch deiner Meinung Katja, den es gibt tausende andere Möglichkeiten.
MfG
Hallo Davut,
wertvolle Omega3-Fettsäuren liefern z.B. Lein (und Leinöl), Raps(öl), Walnüsse, Hanf.
Wenn man bereits fertiges EPA/DHA konsumieren will, da kann man auch direkt diese aus Mikroalgen nutzen. Von EPA/DHA braucht man täglich weniger als einen halben Gramm pro Tag.
MfG Andi
Gegen die überfischen. Kein Müll in die Meere. Keine tierquälerei gegen Fische.
Ich brauche diesen Blog nicht