Darin sind sich alle Fischer einig: Früher, ja früher war alles ganz einfach. Fischer mussten sich nur auf ihren Steg oder an den Strand stellen und konnten die dicken Fische mit den Händen aus dem Wasser ziehen. Die Gewässer der Philippinen waren schon immer reich an Thunfisch, vor allem Gelbflossenthun. In den 1970er Jahren führte die Ankunft japanischer Händler zu einem Boom. Die Philippinen wurden zu einem führenden Akteur des Thunfischfangs.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Wie hier im Lagonoy Golf, an der Ostküste der Philippinen-Insel Catanduanes. Wir treffen Arnel Bitomi und Arvin. Die Fischer kennen sich schon lange. Beide haben einen College-Abschluss von lokalen Universitäten und sind Partner des WWF Philippinen. Sie setzen sich für nachhaltige, legale Fischerei in ihren Communities ein. Das lief nicht ohne Konflikte.
Der lange Weg zur nachhaltigen Fischerei
Der 47-jährige Arnel ist Präsident der Thunfisch Fischer Vereinigung (TFA). Er erzählt, dass es ein langer Weg zur nachhaltigen Fischerei war. Die Fischer dazu zu bewegen, ihre Boote zu registrieren und Fischereilizenzen zu erwerben war ein wichtiger Schritt, um die Fänge im Lagonoy Golf zu begrenzen. Damit nur so viel Thunfisch gefangen wird, wie auch nachwachsen kann. Damit es auch morgen noch etwas Fisch gibt. Viele der kleinen Fischer waren dagegen. Das Meer sei doch Allgemeingut und Fisch gebe es doch genug. Deshalb war die Einsicht gering, dass sie sich an Auflagen halten sollten. Vor ihrem Dorf wurde ein Meeresschutzgebiet errichtet, in dem sie nun nicht mehr fischen dürfen, da die Korallen zerstört sind und sich das Ökosystem erholen soll. Deshalb müssen die Fischer einen weiteren Weg in Kauf nehmen. Was für sie mehr Mühe und höhere Ausgaben für Benzin bedeutet.
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Heute stehen wir mit den beiden auf einem Steg. Es stürmt. Die Wellen schlagen so hoch, dass es zu gefährlich wäre, mit den kleinen Fischerbooten raus aufs Meer zu fahren. Auch die nächsten Tage wird es nicht viel besser werden. Deshalb bleibt den Fischern nichts weiter übrig, als vom Steg aus kleine Fische wie Schnapper und Skat zu fangen. Doch dafür bekommen sie auf den lokalen Märkten nur ein Bruchteil dessen, was sie für einen Thunfisch erhalten, der nach Europa verschifft wird.
„Das Wetter ist unberechenbar geworden“
Eine Tiefdruckfront, die tagelang nicht erlaubt aufs Meer zu fahren, ist eine finanzielle Katastrophe. Kein Fisch bedeutet kein Einkommen. Arnel sagt, dass ihm Taifune manchmal lieber sind als wochenlange Schlechtwetterfronten. „Ein Taifun ist in einer Nacht vorbei und dann kann ich am nächsten Tag wieder aufs Meer fahren. Aber diese langen Schlechtwetterfronten sind tödlich für uns. Das Wetter ist so unberechenbar geworden.”
Es wird für die Fischer immer gefährlicher
Auch die Taifune haben zugenommen und werden immer heftiger. Die Fischer sind sich einig, dass dies die Auswirkungen des Klimawandels sind. “Thunfische zu fangen, ist eine riskante Arbeit. Einige fahren sogar auf die stürmische hohe See, um Thunfisch zu suchen. Wir müssen immer weiter rausfahren, um noch welche zu finden. Es gibt viele Witwen, die vergeblich auf die Heimkehr ihrer Männer gewartet haben”, erzählt uns Arnel.
In den Häusern stehen gepackte Notfalltaschen mit einigen persönlichen Gegenständen wie Fotos und ein Notstromaggregator, falls es wieder mal einen Stromausfall gibt. Häuser und Boote werden regelmäßig durch Stürme zerstört. Versicherungen oder Rücklagen für Reparaturen gibt es oft nicht. Doch die Menschen hier scheinen sich an den Ausnahmezustand gewöhnt zu haben. Sie wirken abgeklärt und überhaupt nicht verbittert. Im Gegenteil: Viele Filipinos sind sehr herzlich. Wir werden überall eingeladen und bekocht.
Da billiger Fisch aus dem industriellen Fischfang die lokalen Märkte überschwemmt und der Zugang zu hochwertigen Märkten schwierig ist, fällt es den Fischern jetzt schwer, gutes Geld zu verdienen. “Ein Kilogramm Thunfisch kostet nur 150 Pesos. Früher konnte man viel mehr verlangen. Einige bewirtschaften Reisfelder oder gehen auf Montage, weil der Fischfang oft nicht gut läuft. Man muss andere Wege finden, um in dieser Branche Geld zu verdienen”, erklärt Alvin. “Wir sind mit der Fischerei aufgewachsen und lieben das Meer. Es ist nicht leicht, einfach die Lebensgrundlage zu wechseln”, sagt Arnel.
Das Meer und die Klimakrise: Die Philippinen wird es besonders hart treffen
Das zunehmend wechselhafte Wetter ist nicht das Einzige, das den Fischern zusetzt. Durch die Meereserwärmung treten insbesondere in flacheren Küstengewässern vermehrt Hitzewellen auf, die Korallen absterben lassen. Auch der Sauerstoffgehalt im Wasser nimmt ab und Thunfische, die als schnelle Schwimmer sauerstoffreiche Gewässer brauchen, wandern in andere Gegenden ab. Das Meer absorbiert zudem einen Großteil des zusätzlichen Kohlendioxids, was zu einer Versauerung führt. Besonders Muscheln, Krebse und Tintenfische sind davon negativ betroffen. Ihr Wachstum verlangsamt sich und Schalen werden zu dünn zum Überleben. Auch Thunfische hängen von dieser Nahrungskette ab, eine verringerte Produktivität lässt auch ihre Bestände schrumpfen. Außerdem sind die gefangenen Exemplare kleiner geworden und bringen weniger Geld ein. Die Aussichten für die Fischer sind nicht gut. Eine neue WWF-Studie zeigt: Je nach Spezies und Klima-Szenario werden sich die Fischbestände in den nächsten Jahrzehnten um mindestens 5 bis 20 Prozent verringern. Von den untersuchten Ländern wird es die Philippinen besonders hart treffen.
Manchmal holen die Fischer wochenlang keinen einzigen Thunfisch aus dem Meer. Dann müssen sie bei den Zwischenhändlern Kredite aufnehmen, um ihre Familien über die Runden zu bringen und das Benzin für die Boote zu bezahlen. Ein Teufelskreis: Die Abhängigkeit von den Händlern schwächt ihre Verhandlungsposition.
Wie wir mit den Fischern arbeiten
Wir arbeiten beim WWF seit Jahren mit den Fischern des Lagonoy-Golfes zusammen. Wir unterstützen die Fischer dabei, sich zu Verbänden zusammenzuschließen, um eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der Politik und ihren Abnehmern zu erreichen. Gemeinsam mit Unternehmen in der Lieferkette und Fischern wird zudem an einer Fair Trade Zertifizierung gearbeitet. Wir ermutigen die Fischer, ein Nebeneinkommen aufzubauen, um sich unabhängiger vom Fisch und von den Händlern zu machen. Und es geht darum, mehr Transparenz zu schaffen und die nachhaltige Fischerei mit Handleinen zu fördern.
Das Ziel für den WWF und für Fischer wie Arnel und Alvin ist es, einen Wert für nachhaltigen Fisch zu schaffen und höhere Preise zu erzielen, so dass sie besser davon leben können. Sie alle hoffen auf eine MSC-Zertifizierung. In der erfolgreichen Zusammenarbeit des WWF Projekts mit Behörden, Händlern und Fischern konnten nachhaltige Bewirtschaftungspläne für die Projektgebiete aufgestellt werden, die die Anforderungen des MSC erfüllen und jetzt von den Fischern umgesetzt werden.
Es ist eine Seltenheit, dass kein Großunternehmen, sondern ein Zusammenschluss von handwerklich arbeitenden Fischern MSC-zertifiziert wird. Wir hoffen, dass Fischer und ihre Familien in Zukunft widerstandsfähiger gegen die Klimakrise werden — und ihnen langfristig Fisch als Einkommensquelle erhalten bleibt.
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