Große Teile des Landes stehen derzeit unter Wasser. Halten die Deiche oder halten sie nicht? Endet der Regen oder zieht das nächste Tiefdruckgebiet aus dem Atlantik auf und bringt noch mehr Niederschläge?
Deutschland drückt die Daumen. Während im Norden des Landes Hunderte auf gepackten Koffern sitzen und hoffen, die nächsten Nächte nicht auf Feldbetten in Sporthallen verbringen zu müssen, versuchen Einsatzkräfte mit Sandsäcken und mobilen Deichen das Schlimmste zu verhindern. Klimarealität 2024.
Das Jahr beginnt im Krisenmodus. Die Klimakrise zeigt ihr grausames Gesicht. Erinnerungen an die Sturzfluten im Ahrtal werden wach. Das ist nicht einmal drei Jahre her. Die Bilanz damals: mehr als 180 Tote und Sachschäden von geschätzt 35 Milliarden Euro! Kosten, für die im wesentlichen die Steuerzahler:innen aufgekommen sind.
Es bleibt zu hoffen, dass das Hochwasser nicht ganz so zerstörerisch zuschlägt. THW, Feuerwehr und Anwohner sind unermüdlich im Einsatz, um die Schäden zu begrenzen. Danach wird es ans Aufräumen gehen und die Frage wird kommen, wer für die entstandenen Schäden aufkommt. Keine Frage: Die Betroffenen verdienen die Solidarität der Gemeinschaft. Das befreit uns aber nicht von der Aufgabe, wie sich solche Katastrophen in Zukunft verhindern oder ihre Auswirkungen minimieren lassen. Denn Klimawissenschaftler:innen sind sich einig: Extremwettereignisse werden auch in Deutschland immer häufiger und es ist nicht ausgeschlossen, dass auf die Flut schon bald die nächste Dürre folgt.
Bislang setzt mit sinkenden Pegelständen oft die viel beschworene „Flutdemenz“ ein
Die Schäden werden behoben, Deiche verstärkt und danach: zurück zur Tagesordnung. Eine Strategie, die wir uns nicht leisten können. Wir müssen unser Land widerstandfähiger machen und das geht nur mit und nicht gegen die Natur. Es reicht nicht die Hochwasserschutzkonzepte auf den Prüfstand zu stellen, sondern wir brauchen ein grundsätzliches Umdenken in Sachen Wasserhaushalt.
Das Wasser muss raus aus den Kellern und Wohnzimmern und rein in die Landschaft! Durch die Kanalisierung von Flüssen, Bächen und der Zerstörung von über 80 Prozent der natürlichen Überflutungsflächen wie Auen rauschen die Niederschläge mit hoher Geschwindigkeit ins Meer. Schlecht für die Natur und gefährlich für uns Menschen.
Mehr Platz für Flüsse verhindert Überschwemmungen nicht aber verringert die Schäden
Jahrhundertlang haben wir versucht, Wasser aus der gesamten Landschaft möglichst schnell abfließen zu lassen. Ziel war es, Flächen für Siedlungen und Landwirtschaft zu erschließen. Eine Entwicklung, die uns immer häufiger auf die Füße fällt.
Diesen Prozess gilt es schleunigst umzukehren. Wir brauchen eine Art Tempolimit für das Regenwasser! Dazu muss die Philosophie der Entwässerung grundsätzlich in Frage gestellt werden. Dazu gehört ein angepasster Waldumbau, die Humusanreicherung der Böden und eine Entsiegelung der Landschaft. Das gilt besonders für den Bau in hochwassergefährdeten Gebieten. Es macht keinen Sinn, wieder aufzubauen, wenn absehbar ist, dass das nächste „Jahrhunderthochwasser“ die Bauten vielleicht schon in den kommenden Jahren wieder niederreißt.
Zentral ist es, Moore und Feuchtgebiete zu renaturieren. Dies ist nicht nur ein Beitrag zum Hochwasserschutz, sondern zugleich ein Hebel zum Erhalt der Wasserressourcen und ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Klimakrise, bei gleichzeitiger Steigerung der Biodiversität.
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