Das Corona-Virus bedroht nicht nur unsere Atemwege und führt unser Gesundheitssystem an seine Grenzen, es attackiert zugleich die zunehmend globalisierte Weltwirtschaft. Aktienkurse befinden sich im freien Fall, angepeilte Wachstumsraten sind angeknackst. Eine schwere weltweite Rezession ist absehbar. Um das schlimmste abzuwenden, haben Bundesrat und Bundestag in der vergangenen Woche ein Milliardenhilfspaket beschlossen: ein Rettungsschirm für Unternehmen, vom Autobauer bis zum Start-up.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen WeltEs ist unstrittig, dass kurzfristig und unkompliziert betroffenen Branchen und besonders gebeutelten Selbständigen mit Kurzarbeitergeld, gestundeten Steuern, günstigen Krediten oder Zuschüssen unter die Arme gegriffen werden muss. Ebenso wichtig ist das Verbot von möglichen Stromsperren und Wohnungskündigungen wegen Mietrückständen. Damit diejenigen geschützt werden, deren Existenzen – zusätzlich zu den gesundheitlichen Risiken – auch wirtschaftlich bedroht sind.
Wirtschaft langfristig widerstandsfähig machen
Diese Krise wird unser Leben und Wirtschaften aber nicht nur kurzfristig verändern. Sie schärft unseren Blick für die derzeitige Anfälligkeit unserer Versorgungs- und Wirtschaftssysteme. Die nun beschlossenen Maßnahmen sollen einerseits schnell helfen, das ist vernünftig. Mindestens ebenso wichtig sind die langfristig angelegten “Wirtschaftsstabilisierungsfonds”, um unsere wirtschaftliche Widerstandskraft dauerhaft zu sichern.
Wir Klimaschützer:innen arbeiten weltweit daran, die umfassende Transformation zu einer resilienten, klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. Die beschlossenen Konjunkturhilfen können die entscheidenden Impulse geben und die Weichen für die Zukunft stellen. Demnach sollten sie auch den Klimaschutz voranbringen, wie der Geschäftsführende Vorstand vom WWF-Deutschland, Eberhard Brandes, zurecht forderte. Die Förderpakete müssen den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Deutschland und Europa unterstützen. Und auf keinen Fall dürfen sie diese Transformation behindern.
Grüner Marshallplan? Green Deal für Deutschland?
Generell werden die Rufe nach einem grünen Investitionsprogramm lauter. Greenpeace greift eine Idee des DGB auf und fordert einen Green Marshall Plan. Der BUND spricht von einem Green Deal für Deutschland, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Weg in eine klimafreundliche Zukunft zu ebnen.
Beide Vorschläge ähneln sich und beide sind richtig. Sie zielen darauf ab, die mittel- und langfristigen Hilfsprogramme an den Grundlinien des „European Green Deal” auszurichten. Dieses Konzept wurde von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 vorgestellt und umfasst eine Reihe von Initiativen und Maßnahmen. Das Ziel: Die EU soll bis 2050 in die Klimaneutralität geführt werden.
Schluss mit „weiter so wie gehabt“
Es sollte demnach um eine zukunftsgewandte Transformation gehen. „Ein Wachstumspaket, das blind alte Technologien fördert, wäre hingegen sogar schädlich, weil es höhere Emissionen auf Dauer zementieren würde“, betont Christoph Podewils von Agora Energiewende. Und welche Auswirkungen höhere Emissionen und ein „weiter so wie gehabt“ auf die Erderhitzung und damit auf Mensch und Natur hat, ist bekannt.
Dank Corona: Deutschland erfüllt Klimaziele 2020
Auf den ersten Blick scheinen die Sorgen übertrieben, der Klimaschutz könnte ins Hintertreffen geraten. Denn zunächst profitiert das Klima von der Krise. Anscheinend. Der Stillstand des öffentlichen Lebens führt zunächst einmal zu einer Entlastung der Umwelt. Wenn Flugzeuge am Boden bleiben und Fließbänder stillstehen, sinkt der Energieverbrauch und damit meist auch der Ausstoß von Treibhausgasen. Erste Einschätzungen gehen davon aus, dass die chinesischen Emissionen im Februar um 25 Prozent zurückgegangen sind. Auch hierzulande ist wohl mit einem „Corona-Effekt“ bei der Treibhausgasbilanz zu rechnen. Deutschland wird sogar seine Klimaziele für 2020 erreichen, wie die Agora Energiewende errechnet hat. Die angepeilte Emissionseinsparungen um 40 Prozent gegenüber 1990 sind nur Dank Corona möglich geworden, nachdem das Klimaziel 2020 eigentlich schon als unerreichbar galt.
Emissionen werden wieder schnell ansteigen
Das alles ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Mehr nicht. Dieser kurzfristige Effekt dürfte schnell verpuffen, wenn die Produktion wieder anrollt und die Schornsteine wieder rauchen. Man spricht von einem sogenannten Rebound-Effekt, wenn nach der Krise wieder business as usual angesagt ist. Welche Auswirkungen die Krise auf die globalen Emissionen tatsächlich haben werden, ist noch nicht absehbar.
Klimaentlastung zu einem hohen Preis
Der erwartbare Rückgang der Emissionen lässt aber selbst Klimaschützer:innen keineswegs jubeln. Der ehemalige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, bringt es auf den Punkt: „Niemand kann sich über einen positiven Klimaeffekt freuen, denn der dafür zu zahlende Preis ist unglaublich hoch – wegen der einbrechenden Wirtschaftsleistung, der persönlichen und sozialen Kosten und vor allem wegen des menschlichen Leids, das die Pandemie verursacht. Teurer könnte die Vermeidung zusätzlicher Tonnen von CO2 gar nicht sein.“
Corona stoppt die Klimaverhandlungen
Auch auf anderen Ebenen wirft COVID-19 seinen Schatten auf den internationalen Klimaschutz. Die nächste große Verhandlungsrunde zum Pariser Klimaabkommen, die im November in Glasgow anstand, wurde bereits abgesagt. Damit ein solcher Gipfel zum Erfolg wird, sind unzählige Vorgespräche und diverse Verhandlungsrunden nötig. Die ersten davon sind bereits verschoben worden oder sollen via Videokonferenz stattfinden. Das unterstützt zwar die Eindämmung des Virus, benachteiligt aber einmal mehr die ärmsten Länder, deren Zugriff auf digitale Kanäle oft mit weit größeren Hürden verbunden ist als in den Industriestaaten.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen Welt
Corona überschattet Klimathemen
Mit der nachvollziehbaren Fokussierung auf die Krise nimmt der öffentliche Druck auf die Entscheidungsträger:innen ab, tatsächlich zu einem Ergebnis zu kommen. Auf Großdemos sollte in Zeiten von „Physical Distance“ besser verzichtet werden und die Frage nach Trumps oder Bolsonaros-Corona-Tests haben Fridays for Future und die Erderhitzung zumindest bis auf Weiteres aus den Schlagzeilen und Trending Topics verdrängt.
Wir haben nur eine Erde
Und dennoch: Vielleicht ergeben sich aus dem Horror der Pandemie doch auch Hoffnungsschimmer. Vielleicht ist es naiv, aber wenn in der aktuellen Krise die Erkenntnis wächst, dass die Gesundheit eines jeden Menschen auch die Sache der anderen ist, dann könnte diese Einsicht helfen, zu einem ganzheitlichen Verständnis für unseren Planeten zu gelangen. Einem Planeten, auf dem es eben nicht egal ist, wenn Arten aussterben, das Klima kippt, Wälder abgeholzt und Meere verdreckt werden. Nicht zuletzt, weil wir alle davon abhängen.
Wir müssen unser Verhalten generell ändern, wenn wir die schwersten Verfehlungen unserer bisherigen Handlungen in den Griff kriegen wollen. Die Coronakrise sollte zum Nachdenken anregen. Wenn jedoch nach deren Ende wieder mächtig losgefahren wird, könnte ein Jojoeffekt eintreten, das sehe ich als große Gefahr.
Gehört nur am Rande dazu:
Auf dem Titelbild sind die neuen Bundesbauten “für die Ewigkeit” erkennbar, die sich dem Regierungs- und Parlamentssitz ggü. am Spreeufer entlangziehen. Das Ufer erkennt man links hinten auf dem Bild, in der Kurve.
Dort befand sich früher ein Auwald, der bis an die Straße (Demarkationslinie) reichte.
Für das Regierungsviertel wurde alles sinnlos gepflastert. Es sind dort nur einzelne Leute unterwegs, und schön sind die Steinflächen m.M.n. auch nicht. Sie wirken trostlos, synthetisch, bestenfalls noch ansatzweise elegant.
Diese Maßnahmen der Restnaturvernichtung in der Innenstadt waren völlig unnötig.
Ich denke, auch manche Politiker zögen den Anblick eines bewaldeten Uferstreifens der Stein‑, Pflaster- und Beton-Einöde vor, und ich frage mich immer wieder, wer geschmacklos genug zum Treffen solcher Entscheidungen ist.
Mir erscheint das als Ausfluss eines mechanistischen statt organischen Weltbilds, in dem das Gemachte alles, das Gewachsene wenig zählt, Mordor statt Auenland.
Siehe
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/philosophisches-radio/architektur-116.html
und
https://www.bundesstiftung-baukultur.de/
Sehr gut formuliert und auf zutreffend
Seit über 15 Jahren verfolge und beteilige ich mich sehr aktiv an Klimaschutzthemen, EEG-Themen und leide dennoch unter der unbelehrbaren und unverständlich harten Einstellung unserer zuständigen Politiker. Die vielen NGO‘s, Demos, Spenden, Petitionen und persönlichen Aktivitäten konnten daher wenig oder fast nichts erreichen, bis auf die wenigen, lobenden Worte der Kanzlerin gegenüber Greta.
Heute sage ich daher, ohne meine Kraft und meinen Mut zu verlieren, denn ich habe 3 wundervolle Kinder und 5 ebensolche Enkelkinder, für deren Zukunft ich 80jähriger immer kämpfen werde:
“Oh Herr vergib‘ Ihnen nicht, denn sie wissen was sie tun”.
Ich hoffe, dass die Coronakrise bald vorbei ist.
Ich würde mein neuestes Buch (das ich nicht veröffentlichen kann):
“Oh Herr, vergib ihnen, denn sie können gar nicht wissen, was sie tun !”, betiteln.
Vielen fehlt einfach der Hintergrund, um beurteilen zu können welche Folgen ihr Impulsverhalten hat !