Wäre ich Landwirt, hätte ich mich diese Woche auch auf meinen Traktor gesetzt und mitdemonstriert.
Viele Landwirt:innen stehen ökonomisch enorm unter Druck. Sie sehen sich mit marktwirtschaftlichen Abhängigkeiten konfrontiert, auf die sie kaum Einfluss haben und unter deren Bedingungen sie oft – im zeitlichen Auf und Ab des altbekannten Schweinezyklus’ – nicht kostendeckend wirtschaften können. Würden Landwirt:innen reale Stundenlöhne ausrechnen, so lägen einige wohl unter dem Mindestlohn.
Folge uns in Social Media
Gleichzeitig steigt der gesellschaftliche Anspruch. Landwirt:innen sollen nicht nur Lebensmittel produzieren, sondern auch die Natur und das Klima schützen. Wir vom WWF fordern dies zurecht. Denn der ökologische Fußabdruck unserer Landwirtschaft muss kleiner werden. Wir landwirtschaften weit außerhalb von sicheren planetaren Grenzen. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Klimakrise und der Verlust von Artenvielfalt dulden aber keinen Aufschub. Die Landwirtschaft nimmt hier eine Sonderrolle ein, da sie grundsätzlich in der Lage ist, weg zu kommen vom Problemverursacher hin zu einem signifikanten Beitrag zu Lösungen. Ich kenne keine Landwirt:innen, die diese Rolle nicht sehr gerne einnehmen möchten. Dafür müssten die Rahmenbedingungen stimmen.
Das Interesse zum Beispiel am WWF-initiierten Programm Landwirtschaft für Artenvielfalt ist ungebrochen. Die Zahl der teilnehmenden Betriebe steigt stetig. Artenvielfalt wird geschützt und verbessert. Außerdem hoffen viele landwirtschaftliche Akteur:innen, dass beispielweise eine wie auch immer gestaltete, regenerative Art der Landwirtschaft befördert und ermöglicht wird.
Ein „Weiter so“ hat keine Zukunft
Solange ich mich erinnern kann, wird an einer guten Agrarpolitik herumgedoktert. Seit Jahrzehnten scheitert ein Versuch nach dem anderen. Man kann es wohl niemandem mehr wirklich erklären, warum einer der wichtigsten Bereiche unserer Gesellschaft, nämlich die Produktion unserer Nahrungsmittel, so unsäglich verkompliziert, erschwert, volatil und damit unattraktiv gestaltet wird. Und warum dabei jährlich Milliarden Euro ausgegeben werden und es dennoch gefühlt mehr Verlierer:innen – Natur und Klima inklusive – als Gewinner:innen gibt.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Die Agrarpolitiker:innen der vergangenen Jahrzehnte müssen sich die Kritik gefallen lassen, dass niemals ernsthaft die Transformation angepackt wurde. Stattdessen gab es bestenfalls Stückwerk, schlimmstenfalls gar nichts. Die Vergabe der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) spiegelt das wider. Noch wird der Großteil der Beihilfen für „business as usual“ ausgegeben. Mit unbestimmtem gesellschaftlichem Mehrwert und ohne Incentivierung hin zu einer fairen und nachhaltigen Landwirtschaft.
Klimaschädliche Subventionen gehören abgebaut
Warum einer einzelnen Branche wie der Landwirtschaft, die bereits enorm unter Druck steht, nun im Hauruckverfahren Subventionen (Diesel, Kfz-Steuer) gestrichen werden, ohne eine gangbare Alternative oder Perspektive aufzuzeigen, lässt mich kopfschüttelnd zurück. Der erhoffte Effekt, CO2-Emissionen zu senken – im Stil von „Diesel wird teurer, dann wird weniger gefahren“ – wird sich zum einen in Ermangelung an Alternativen kaum einstellen und hat in der Treibhausbilanz des Sektors Landwirtschaft und Landnutzung eher eine homöopathische Wirkung. Viel wichtiger ist und bleibt es, hier auf die wirklich großen Treibhausgasquellen zu schauen: CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden, Methan aus der Tierhaltung und Lachgas durch hohen Stickstoffdüngereinsatz. Nicht missverstehen, klimaschädliche Subventionen gehören abgebaut, in allen Sektoren. Aber nicht so!
Hier bräuchte es gleichzeitige Förderprogramme, etwa für nachhaltigere Anbaumethoden oder Anreizmechanismen zur Reduzierung der Tierbestände inklusive der längst überfälliger Stallumbauten für mehr Tierwohl (Stichwort Borchert Kommission). Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hatte 2021 bereits ihre abschließende Positionierung veröffentlicht Die wurde damals von Ministerin Schulze kommentiert mit „Die Kommission wurde eingesetzt, als Landwirte gegen Umweltpolitik auf die Straße gingen. Jetzt endet sie mit einem Konsens, der Klima- und Naturschutzziele ausdrücklich unterstreicht und zugleich die Zukunft der Landwirtschaft als gesamtgesellschaftliche Aufgabe hervorhebt.“ Wieso liegt dieses „gemeinsame Zukunftsbild“ in der Schublade des BMEL bzw. wie lange soll es dort noch unberücksichtigt liegen bleiben?
Zusammenarbeit ist möglich und notwendig
Die Bauernverbände haben am Konsens der ZKL aktiv und konstruktiv mitgewirkt. Sie könnten nun wieder gestalterisch in Erscheinung treten. Das wäre ein Signal, dass Deutschland über die Grenzen der Landwirtschaftspolitik guttäte: Zusammenarbeit ist möglich und mehr denn je notwendig!
Letztlich ist eine solide, nachhaltige, auskömmliche Landwirtschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Für gute Nahrungsmittel müssen faire Preise bezahlt werden! Wir Konsumierenden müssen aufhören, immer nach dem Billigsten zu greifen. Den Preisdruck, der über den Lebensmitteleinzelhandel letztlich auf die Erzeuger:innen abgewälzt wird, erzeugen wir damit selbst. Gleichzeitig ist die Politik hier wiederum in der Verantwortung. Denn eine kluge Besteuerung von Lebensmitteln, mit dem Ziel, dass die gesunde und nachhaltige Wahl die einfachste und günstigste wird, könnte hier beachtliche Lenkungswirkung entfalten.
Die Demonstrationen der Landwirt:innen sind also grundsätzlich legitim und berechtigt. Es gilt aber: Wer protestiert und demonstriert, muss sich an die Gesetze halten. Kein Frust und keine Sorge rechtfertigen eine massive Einschränkung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Ausstieg aus dem respektvollen und demokratischen Umgang miteinander. Landwirt:innen sollten rechtsnationalen, rechtspopulistischen und menschenverachtenden Gruppen auf ihren Demonstrationen keinen Raum geben. Das nämlich brächte alles in Misskredit, wofür gerungen wird und würde dem Ruf der Landwirtschaft nachhaltig schaden.
Lasst uns auf ein „gemeinsames Gestalten der Zukunft“ setzen.
Kein Kommentar