Mich hat Corona eiskalt erwischt – im Job und privat. Ich bin verschiedene Phasen durchlaufen: Ich habe es ignoriert, ich habe es runtergeredet, ich bin nachdenklich geworden, ich war verunsichert, ich habe es akzeptiert, ich habe analysiert, erste Veränderungen vorgenommen, Entscheidungen getroffen und so langsam habe ich das Gefühl, wieder aus dieser Art Parallelwelt im Hier und Jetzt angekommen zu sein. Während dieser ganze Wahnsinn sein volles Potenzial entfaltete, habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Wo fängt meine persönliche Verantwortung eigentlich an und wo endet sie?
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen WeltAls Leiterin der WWF-EDEKA-Partnerschaft entwickle ich zusammen mit meinem Team und vielen anderen Beteiligten Lösungsansätze, um Natur- und Umweltschutz in globale Lieferketten unserer Lebensmittelproduktion zu integrieren. Während der letzten Wochen habe ich mich gefragt, wie lange ich es verantworten kann, Mitarbeiter:innen ins Büro zu schicken. Oder unsere Partner und Dienstleister weltweit ihre Arbeit auf Plantagen aufrecht halten zu lassen. Ich habe mich dabei auch mit anderen darüber gestritten, was derzeit überhaupt noch notwendig wäre. Dabei ist mir aufgefallen, dass all dies grundsätzliche Fragen sind, die mich bereits seit Jahren begleiten.
Unser Handeln hat Auswirkungen
Immer wieder stehen wir ja dabei vor der Frage, was und wie viel wir verändern können, ohne dabei beispielsweise die Gesundheit zu gefährden oder die Leute zu überfordern. Ein konkretes Beispiel: Wenn wir auf bestimmte giftige Pestizide im Obstanbau, beispielsweise bei Bananen, verzichten, hat das Folgen. Denn gleichzeitig kann so auch die Gefahr für die Arbeiter:innen steigen, von Schlangen oder anderen Tieren gebissen zu werden.
Hier stellt sich immer die Frage: Wo fängt Verantwortung an, wo endet sie und welche Wechselwirkungen existieren? Wir müssen nach Lösungen suchen, Vor- und Nachteile sehr gut abwägen. Im Begriff der Verantwortung versteckt sich das Wort “antwort”. Wollen wir Verantwortung übernehmen, geht es immer darum, dass wir Antworten finden auf (gesellschaftliche) Herausforderungen und Fragen.
Corona: neue gesellschaftliche Herausforderungen
Corona ist genau das: Eine abrupte, neue globale gesellschaftliche Herausforderung und wir sind auf der Suche nach den richtigen Antworten. Verantwortung zu übernehmen bedeutet, dass wir über etwas entscheiden, das zukunftsgerichtet ist und somit ungewiss und abstrakt. Durch die aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind wir zudem gezwungen, unsere gewohnte Lebensweise zu verändern. Wir müssen uns einschränken, um andere zu schützen. Das gilt für unsere unmittelbaren Mitmenschen, aber auch für alle diejenigen, die wir nicht kennen.
Verantwortung stützt sich immer auf das Vorsorgeprinzip – handeln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Es bedeutet auch, fürsorglich zu agieren, vorausschauend mit der Sorge um etwas, was nicht mit einem direkten Vorteil für sich selbst einhergeht.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen Welt
Verantwortung erfordert selbstloses Handeln
Wenn ich nun also daheim bleibe und meine sozialen Kontakte reduziere, kann ich nicht erwarten, dass sich in einem halben Jahr 20 Personen bei mir melden und sagen: Danke, dass du mich nicht infiziert hast. Das Wesen der Verantwortung erfordert, dass man zum einen manchmal ganz schön um die Ecke denken muss und zum anderen im ersten Schritt vermeintlich selbstlos handelt, ohne einen unmittelbaren Vorteil daraus zu ziehen.
Corona: Welche Lektion lernen wir?
Die Auswirkungen rund um das Corona-Virus stimmen mich traurig. Gleichzeitig erwacht inzwischen ein wenig Hoffnung, dass wir etwas lernen: nämlich was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und für die potenziellen Folgen unseres eigenen Handelns einzustehen.
Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit
Sollte das so sein, könnten wir große Fortschritte machen. Es gibt schon die nächsten drängenden großen Aufgaben unserer Zeit: die globale soziale Ungerechtigkeit, die zunehmenden Erderhitzung, unser stetig steigender ökologischen Fußabdruck.
Jeder von uns trägt Verantwortung
Wenn wir doch nur lernen würden, dass wir alle miteinander vernetzt sind und unser Handeln demnach immer Konsequenzen hat. Und dass jeder einzelne von uns zählt, jeder von uns einen Unterschied macht – dann habe ich Hoffnung, dass wir das doch noch hinbekommen, zusammen innerhalb der planetaren Grenzen zu leben, miteinander in einer lebendigen Natur.
Kein Kommentar