Ich sitze am Fluss und verstehe, was Heraklit meint, wenn er sagt: „Man kann nicht zweimal in den denselben Fluss steigen, denn andere Wasser strömen nach.“ Alles verändert sich beständig. Und dieser Wandel ist stärker als der Stillstand. Er ist eine Kraft, die neue Potentiale weckt.
Alles wächst, wenn es fließt
Philosophische Gedanken. Doch sie spiegeln den Kern unserer Arbeit in Bayern wider: zum Beispiel an der Baunach. Die Baunach ist ein etwa 50 Kilometer langer Fluss, der durch den fränkischen Naturpark Hassberge fließt und schließlich in den Main mündet. Sie spielt für den Erhalt der Fischbestände in Bayern eine wichtige Rolle.
Folge uns in Social Media
Stellenweise schlängelt sie sich noch ungezähmt durch Wiesen und Wälder. Doch schon früh wurde ihr Lauf – wie an fast allen anderen Flüssen – nach den Bedürfnissen des Menschen umgestaltet. Vielerorts bremsen Wehre das Wasser, bringen es zum Stillstand. Wir wollen unnütze Barrieren in unseren Flüssen entfernen. Auf dass sich die Natur durch die Kraft des Wandels neu entfalten kann!
Nach 150 Jahren: Sechs Kilometer freie Fließstrecke an der Baunach
Mitte September 2021 ist es so weit. Ich fahre an die Baunach und beobachte den Bagger im Fluss. Gefräßig greift die Kralle ins Gestein, immer wieder. Stein um Stein, bis das so genannte Leucherhof-Wehr abgetragen war.

Nach fast 150 Jahren darf hier das Wasser wieder fließen! Freiheit! Freiheit für die Baunach, die sich hier wieder entfalten kann. Freiheit für die Fische, deren Wanderung bisher am Wehr endete. Und Freiheit für den Menschen, der nun hier sitzen und den Wandel beobachten kann.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!
Um weitere Strukturen im Fluss zu schaffen, wurde das Gestein des abgetragenen Bauwerks zerkleinert und unterhalb des ehemaligen Wehrstandorts zu Spornen aufgeschichtet. Es wird spannend zu sehen, wie sich die Strecke künftig entwickelt: Welche Fischarten profitieren? Welche Libellen stellen sich ein? Wird der Eisvogel am steilen Ufer bald seine Bruthöhlen anlegen?

Eins steht jedenfalls schon fest: Wir haben der Flussnatur hier wieder auf die Sprünge geholfen. Ohne unsere finanzielle Unterstützung, ohne unser Drängen auf einen kompletten Rückbau der Barriere würde das Wasser noch immer still vor dem Wehr stehen.
6600 Wehre alleine in Bayern!
Wir haben Europas Flüsse mit mehr als einer Million Bauwerken verstopft. Knapp 6600 Wehre gibt es an den bayerischen Flüssen, über 900 davon sind baufällig. Etliche dieser Barrieren sind ohne Nutzen. Auch das Leucherhof-Wehr war schon lange nutzlos, bevor es nun entfernt wurde. Eine Kulturgenossenschaft baute es um 1885. Das Wehr bestand aus einer Grundplatte im Gewässer, zwei uferseitigen Wehrwangen und zwei Pfeilern in der Flussmitte. Es leitete das Wasser aus der Baunach in ein Grabensystem zur Be- und Entwässerung der benachbarten Wiesengrundstücke. Diese Form der Bewirtschaftung wurde längt aufgegeben, die Genossenschaft existierte nur noch auf dem Papier. Niemand fühlte sich zuständig, die nutzlose Barriere zu entfernen.
Zusammen mit den Mitarbeiter:innen des Wasserwirtschaftsamt Kronach stehe ich an der Baustelle. Wir freuen uns. Alles lief nach Plan: Die Baunach kann nun auf sechs Kilometer Länge barrierefrei fließen — und wieder ein gesünderer Fluss werden. Ein kleiner Beitrag zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Biodiversitätsstrategie 2030.
Mit Hilfe unserer Spender:innen und der fachkundigen Unterstützung des WWA Kronach ist nun das gelungen, was wir vielerorts voranbringen wollen: der Rückbau von Barrieren für mehr frei fließende Flüsse! Wir freuen uns sehr — aber es gibt noch viel zu tun!
Sehr geehrte Frau Lange,
diese “Untat” mit dem Abriss des noch nicht denkmalgeschützen Wehres kann ich überhaupt nicht vertehen. Der Eisvogel des ein paar Zeilen darunter abgebildet ist, hatte sogar einen Brutplatz in diesem Wehr, und gerade heute, am 03. Februar 2023 bin ich gegen 11 Uhr dort vorbeigefahren umd für meine Unterlagen das zu dolumentieren, denn mir geht es um den Erhalt des immateriellen Welterbes der uralten Bewässerungskultur und hier sind wir ausnahmsweise nicht einer Meinung.
Vor Abriss hatte ich mich bereits an das WWA Kronach gewandt und hatte eine Verbreiterung der Baunach an dieser Stelle vorgeschlagen, aber ich bekam nie eine Antwort.
Jetzt gibt es gerade ein sehr geringes Hochwasser und da wird deutlich, dass die eigentliche Behinderung der Abflussgeschwindigkeit der Baunach nur 200 oder 300 Meter weiter oben liegt, denn die denkmalgeschützte “Leucherhofbrückke” bildet den eigentlichen Staudamm welcher bereits jetzt die Wiesen flussaufwärts bei Reckendorf überfluten lässt. Es ist richtig, in Richtung Baunach gibt es keine Überflutung mehr, aber eine Fischaufstiegshilfe am Abzweig des alten Mühlgrabvens fehlt immer noch,
Die Arbeitsgeschwindigkeit des WWA Kronach bleibt immer noch weit hinter dem sog. Schneckentempo” zurück. Gerade ist man dabei ein falsch berechnetes
“HQ 100- Jahrhunderthochwasser” legalisieren zu lassen und hat natürlich auf der Basis von Lufbildern aus den Jahren um 2000 den rasanten Kiesabbau und damit die Schaffung von Retensionsflächen vergessen.
Thema Eisvogel: wir hatten das Fischwasser der Baunach 40 Jahre lang gepachtet und da habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass der Eisvogel einen Unterschlupf / Nest am unteren Wehr in Baunach hatte.
Wenn ortsnahe Bürger bei solchen Aktionen nicht eingezogen werden, sind derartige Marketingaktionen des WWA Kronach von vorneherein zum Scheitern verurteilt.Behödenwillkür und Bürgerrechte vertragen sich in den seltensten Fällen. Wünsche uns allen einen schönen Klimawandel denn selbst dieser “arbeitet” schneller als manche Behörden.