Der Naturschutz hat sich lange auf Schutzgebiete konzentriert. Jetzt ist es an der Zeit, diese zu verbinden. Methoden und Momentum dafür sind da.
Wenn Sie an das Wort “Konnektivität” denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? Wahrscheinlich die Möglichkeit, sich in das nächstgelegene WIFI-Netz einzuklinken. Aber es gibt noch eine andere Art von Verbindung, die für das Leben von grundlegender Bedeutung ist — die Konnektivität der Natur, oder ökologische Konnektivität, wie Wissenschaftler sie gerne nennen. Es ist die Fähigkeit von Tieren, sich zu bewegen und von Ökosystemprozessen, zu fließen.
Konnektivität heißt Bewegung — und Bewegung heißt Leben
Konnektivität ist von entscheidender Bedeutung. Viele Tiere müssen zwischen verschiedenen Gebieten hin- und herwandern. Die Orte, an denen sie ihre Nahrung finden, unterscheiden sich oft von denen, wo sie sich zur Paarung oder zum Laichen versammeln. Die weichen wiederum von den Orten ab, an denen sie ihre Jungen aufziehen oder an denen sie verlässlich Wasser finden können. Bäche müssen fließen, damit das Wasser dorthin gelangt, wo es gebraucht wird. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten ändern sich die Umweltbedingungen, was zu den großen Wanderungen von Vögeln, Säugetieren, Insekten und Fischen führt. Und jetzt in der Klimakrise müssen die Tiere in neue Gebiete umziehen, da ihre bisherigen Lebensräume ungeeignet werden.
Natur darf keine Insel sein
Leider geht die Vernetzung der Natur immer mehr verloren. Der Park in der Stadt ist höchstwahrscheinlich eine isolierte grüne Insel in einem Meer aus von Menschen geschaffener Infrastruktur. Genau das passiert mit den verbliebenen Naturräumen. Immer mehr Flächen werden für die Landwirtschaft, die Gewinnung von Rohstoffen und andere Zwecke umgewandelt. 90 Prozent der weltweiten Schutzgebiete befinden sich heute in einem vom Menschen beherrschten, fragmentierten Gebiet, das sich rasch verschlechtert und das Überleben der Tiere gefährdet.
Die Verbindung der verbleibenden natürlichen Lebensräume ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen sie bewältigen, wenn wir einen katastrophalen Rückgang der biologischen Vielfalt verhindern wollen.
Genau jetzt gibt es die Chance mehr Konnektivität festzuschreiben
Die gute Nachricht ist, dass wir genau jetzt die Möglichkeit haben, umwälzende Regierungsverpflichtungen zu erreichen, um die Vernetzung der Natur anzugehen. 196 Regierungen sind Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD), das derzeit mit seinem Global Biodiversity Framework (GBF) die Agenda für das nächste Jahrzehnt festlegt.
Es gibt gute Fortschritte, auf denen wir aufbauen können. 2021 verabschiedete die UN-Generalversammlung ihre erste Resolution, die sich mit dem Verbund der Natur befasst. Das Übereinkommen über wandernde Arten nahm die Gandhinagar-Erklärung an, in der gefordert wird, dass der ökologische Verbund im GBF wirksam berücksichtigt wird. Die ersten Anzeichen sind gut — auch wenn es noch Aspekte gibt, die gestärkt werden müssen. Der Gesamtrahmen muss noch vereinbart und angenommen werden. Die Vernetzung ist vorläufig in einem Ziel und vier der Zielvorgaben des GBF enthalten. Im Falle einer Verabschiedung wäre die Konnektivität ein zentraler Bestandteil in den Bereichen Raumplanung, Wiederherstellung, geschützte und erhaltene Gebiete sowie Stadtplanung.
Doch es gibt eine Herausforderung. In der Vergangenheit gab es auf der CBD Ziele zur Vernetzung, die aber leider nicht erreicht wurden. Die Umsetzung ist zu kurz gekommen. Das Ziel 17 Prozent der Landfläche der Erde unter Schutz zu stellen, haben wir fast erreicht. Weitaus weniger Fortschritte gab es bei der Sicherstellung der Vernetzung dieser Gebiete untereinander. Wie können wir das dieses Mal vermeiden? Wir meinen, dass einer der Schlüssel in den richtigen Instrumenten zur Messung der Konnektivität liegt. Damit sind alle Akteure transparent und rechenschaftspflichtig, wenn es darum geht, diese Ziele zu erreichen.
Daher ist die heutige Veröffentlichung der weltweit ersten Bewertung der terrestrischen funktionalen Konnektivität in Science so bahnbrechend. Und er hätte zu keiner besseren Zeit kommen können. Damit können wir die Fähigkeit von Tieren, sich zwischen Schutzgebieten zu bewegen, visualisieren und messen. Wir können sehen, wie die Länder im Vergleich zu ihren Nachbarn abschneiden. Und wir können die Fortschritte verfolgen.
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In der heutigen Ausgabe von Science wird der Protected Area Isolation Index (PAI) vorgestellt. Mit dem schätzen wir, wie isoliert die einzelnen terrestrischen Schutzgebiete der Welt sind. Diese Schätzung basiert auf Daten, die zeigen, dass Säugetiere größere Entfernungen in Gebieten zurückzulegen, die weniger von Menschen beeinflusst wurden. Durch die Kombination dieser Beziehung mit dem Human Footprint Index und der Nutzung eines ausgeklügelten Ansatzes zur Messung der Konnektivität, der so genannten Schaltkreistheorie, können wir abschätzen, wie vernetzt das Schutzgebietssystem eines Landes ist. Wir können aber auch Prioritäten für Schutzmaßnahmen in den weltweit wichtigsten Gebieten für die Konnektivität festzulegen.
Das Entscheidende ist, dass wir ihn weltweit einsetzen können, um die Fortschritte der Regierungen bei der Erfüllung ihrer Ziele zu verfolgen. PAI könnte aber auch auf Landschaftsebene berechnet und eingesetzt werden, um in Echtzeit zu messen, wie Maßnahmen wie die Beseitigung von Zäunen, der Bau von Unter- oder Überführungen für Wildtiere und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Flächen für Wildtiere die Konnektivität verbessern.
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Wir leben in spannenden Zeiten. Ergänzend zu den wissenschaftlichen Fortschritten gibt es eine wachsende Zahl von praktischen Maßnahmen, bei denen Akteure aus den verschiedensten Bereichen für ein gemeinsames Ziel zusammenarbeiten. Gemeinden in der Kavango-Sambesi-Landschaft im südlichen Afrika bewirtschaften ihre Ländereien in Ausbreitungsgebieten für Wildtiere, um die Bewegung von Wildtieren zu unterstützen. Ein Plantagenunternehmen in Borneo hat einen Korridor für Wildtiere innerhalb seiner Konzession aufgeforstet, um die Bewegung von Wildtieren zwischen ansonsten isolierten Reservaten zu ermöglichen. Die kanadische Regierung hat gerade 60 Millionen Dollar für ein neues nationales Programm für ökologische Korridore bereitgestellt. Baumwollbauern in Indien stellen auf ökologische Praktiken um. Sie unterstützen so die Bewegung von Tigern und anderen Wildtieren durch ihre Farmen.
Wir haben also die wissenschaftlichen Grundlagen und wir haben die Verbindung vor Ort hergestellt. Jetzt brauchen wir eine globale politische Dynamik und eine Reihe von Verpflichtungen, um dies in die Tat umzusetzen. Die GBF des CBD bietet genau diese Möglichkeit, WENN wir es richtig anpacken. Die wachsende Dynamik zum Schutz und zur Erhaltung von 30 Prozent des Planeten bis 2030 — ein großer Schritt nach oben gegenüber dem bisherigen Ziel von 17 Prozent — ist ermutigend. Wenn jedoch nicht ebenso viel Wert darauf gelegt wird, dass diese 30 Prozent gut vernetzt sind, werden wir die gleichen Fehler der Vergangenheit wiederholen. Dann werden wir es nicht schaffen, eine widerstandsfähige Zukunft für die Natur zu sichern.
Wir ermutigen daher alle Vertragsparteien des CBD-Übereinkommens, die Formulierung der Konnektivität in den Zielen und Vorgaben weiter zu stärken und vor allem einen Leitindikator für die Konnektivität einzuführen, der dazu beiträgt, dass die Konnektivitätsaspekte tatsächlich umgesetzt werden.
Wenn uns dies gelingt, können wir uns auf einen vernetzten, gesunden Planeten freuen, der uns allen zugute kommt.
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