Nutella boykottieren, der Umwelt zuliebe. Wegen Palmöl. Das habe ich schon oft gehört, seit die ehemalige franzöische Umweltministerin das mal forderte. Daraufhin wollten Journalisten aus ganz Deutschland von mir hören, was denn da dran sei. Ich glaube, die meisten wollten auch von mir hören, dass ich ihr Recht gebe und den Aufruf zum Boykott unterstütze. Ganz so einfach ist das aber nicht.
Dafür muss ich einmal ganz kurz ausholen. Palmöl ist seit jeher ein Bestandteil von Nutella. Palmöl ist aber auch noch in ganz anderen Produkten zu finden: in Tiefkühlpizzen, Lippenstiften, Schokolade, Tütensuppen, Cremes und Waschmitteln. Ich könnte noch viele weitere Produkte aufzählen. Was ich aber eigentlich sagen möchte, ist: Wir alle konsumieren jeden Tag Palmöl, ob wir wollen oder nicht.
Palmöl hat ganz besondere Eigenschaften:
Ölpalmen wachsen schnell und sind die effizientesten Ölpflanzen der Welt. Das Öl selber ist bei Raumtemperatur fest und zudem geschmacksneutral. Für die Industrie ist es daher sehr interessant. So interessant, dass diese Palmen weltweit inzwischen schon auf etwa 16 Millionen Hektar angebaut werden. Zum Vergleich: Deutschland umfasst eine Fläche von etwa 36 Millionen Hektar.
Das große Problem ist: Ölpalmen wachsen ausschließlich in den Tropenregionen. Also in den Gebieten unsere Erde, die für ihren Artenreichtum bekannt sind. Leider werden für die Plantagen viel zu häufig große Flächen wertvollen Regenwaldes vernichtet. Die größten Palmölproduzenten sind Indonesien und Malaysia. Die beiden Staaten haben in den vergangenen Jahren unzählige Hektar Regenwald verloren, ebenso wie eine Vielzahl der Tiere, die dort lebten. Palmöl wurde daher auch zum Synonym für die Ausrottung der Orang-Utans. Indonesien ist aufgrund von Abholzung und Zerstörung von Torfböden zum drittgrößten „CO2-Emittenten“ der Welt geworden, gleich hinter den USA und China. Etwa 30 Prozent dieser Waldrodungen sind auf Palmöl zurückzuführen.
Aber welche Alternativen zu Palmöl hat Ferrero?
In Nutella ist eine Menge Palmöl. Bei Schokolade wird als Ersatz meist Kokos genommen. Kokospalmen wachsen unter ähnlichen Bedingungen und in ähnlichen Regionen wie Ölpalmen. Dabei sind sie weit weniger ertragreich. Auf Palmöl zu verzichten und einfach andere Fette zu verwenden, verschiebt das Problem also meist nur. Wird Palmöl beispielsweise durch Sojaöl ersetzt, kommen wir vom Regen in die Traufe. Wir würden die sechsfache Fläche benötigen und dazu kommt noch das Problem „Gensoja“. Eine ähnliche Rechnung könnte ich auch für Raps und Sonnenblumen aufstellen, die zwar nicht in den Tropen wachsen, aber auch mehr Fläche benötigen als Palmöl. Und an jeden Ersatz würde ich die gleichen Ansprüche an „Nachhaltigkeit“ stellen wie an Palmöl. Und davon, dass das meiste Palmöl in Indonesien als lokales Öl zum Kochen, Braten, Frittieren genutzt wird – davon rede ich jetzt mal lieber nicht. Es soll ja nicht noch komplizierter werden.
Was wäre mein Vorschlag?
Die einzige wirkliche Alternative, die ich sehe, ist die Verwendung von nachhaltigerem Palmöl. Ja, dafür hat der WWF schon viel Prügel kassiert. Denn der Runde Tisch für Palmöl (RSPO), der zumindest die Einhaltung von Mindeststandards bei der Produktion einfordert, steht immer wieder in der Kritik, weil Mitglieder gegen Kriterien verstoßen. Der RSPO ist kein Öko-Label und auch uns fehlen noch schärfere Kriterien – aber nichts tun, ist auch keine Lösung.
Und leider gibt es auch in Deutschland immer noch viel zu viele Unternehmen, die nicht einmal zertifiziertes Palmöl nutzen. Aufgrund der Kritik am RSPO haben sich auch weitere Initiativen gebildet, die die Produktion weiter verbessern wollen. Die “Palm Oil Innovators Group” beispielsweise fordert strengere Kriterien ein. Hier sind neben uns auch Greenpeace und andere NGOs mit an Bord. Dazu kommt das “Deutsche Forum Nachhaltiges Palmöl”, dessen Mitglieder auch eine Verbesserung der Produktionsbedingungen anstreben.
Und was ist nun mit dem Boykott von Nutella?
Ferrero gehört zu den wenigen großen Unternehmen, die Palmöl beziehen und daran interessiert sind, zu erfahren, wo es herkommt, unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. Ich behaupte, dass Ferrero weiß, was in ihren Produkten benutzt wird. Bei vielen, vielen anderen Firmen würde ich das nicht behaupten. Ferrero nutzt zu 100% physisch segregiertes Palmöl, weiß wo es herkommt und unterstützt die oben beschriebenen Palm Oil Innovators Group. Deswegen trifft es diesmal leider die Falschen. Aldi Nord, Burger King oder Procter & Gamble wären Marken, die viel mehr Orang-Utans auf dem Gewissen haben.
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Auch wenn ich die Idee von Boykott von Nutella nicht teile, finde ich es super, wenn darüber diskutiert wird. Das Thema Palmöl ist viel zu wichtig, um nicht öffentlich darüber zu diskutieren.
Daher meine Tipps:
Die Verbraucher wissen oftmals gar nicht, wo überall Palmöl drin ist. Besser wäre es, wenn wir alle ein wenig mehr auf unser Einkaufsverhalten achten würden. Daher meine Tipps zum Vermeiden von Palmöl:
- Kauft möglichst frische Lebensmittel, weniger Süßes und Fettiges, auch wenn es weh tut!
- Schmeißt weniger weg!
- Kauft Bio, denn Biopalmöl kommt zusätzlich noch ohne Pestizide aus.
Doch bislang interessiert dieses Thema noch zu wenige Menschen.
Das glaubt ihr nicht? Dann habe ich einen kleinen Test für euch: Wer von euch kann von sich behaupten, auch nur ein einziges Mal in seinem Leben bewusst ein Produkt mit zertifiziertem Palmöl gekauft zu haben?
Ich habe sicher auch schon Produkte gekauft, die Palmöl enthielten. Ich achte aber darauf, ob Palmöl enthalten ist und es ist schon öfter passiert, daß ich diese Produkte nicht gekauft habe, entweder habe ich dann ein Alternativprodukt genommen oder aber ganz verzichtet, wenn es z.B. nur ein “Genußkauf” war.
Hallo Frau Petersen
Wir arbeiten momentan an einem Schulprojekt über den Konzern Nestlé. Wir besuchen die 12. Klasse eines Gymnasium in Hamburg.
Bei unseren bisherigen Recherchen viel uns sofort auf, dass Nestlé auf Kritik geschickt ausweicht und Fragen umgeht. Dabei stellt sich Nestlé Fälschlicherweise in ein sehr positives Licht. Jetzt geht es uns darum Nestlé mit Fakten und Zahlen zu konfrontieren. Daher meine Frage ob Sie konkretes Infomaterial zur Verfügung stehen haben, welches Sie mir zukommen lassen können.
Liebe Grüße
Danke für diesen tollen Artikel!
Obwohl ich normalerweise weit weg jeglicher Öko Bewegung stehe finde ich es toll, dass das Problem differenziert angegangen wird.
Viele Journalisten sollten sich hier ein Beispiel nehmen!
Auch ich finde es gut, dass hier kein pauschales Industrie-Basching betrieben wird, wie man es so oft erlebt, sondern ein solches Thema zwar kritisch, aber differenziert und ausgewogen beleuchtet wird. Wenn jetzt von Umweltschützerseite die unleidliche Gentechnikdebatte ausgewogen diskutiert würde, dann wäre insgesamt sehr viel gewonnen. So sind auch gentechnisch veränderte Pflanzen nicht grundsätzlich schlecht, sondern könnten je nach Anwendungsfall sogar ein Beitrag zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz leisten. Nicht pauschal in jedem Anwendungsfall, sondern auch dass muss eben ausgewogen und fallweise betrachtet werden.
Hi Patrick,
sie kennen aber schon die Dokumentationen über den Genherscher Monsanto ?
Wenn nicht mal Bitte nach “Monsanto — Mit Gift und Genen” suchen.
Bei dem ausgewogenen Ansatz fehlt etwas ganz Wesentliches: daß Palmöl krebserregende und erbgutschädigende Moleküle enthält — 3‑MCPD Ester und Glycidylester — die bei der Raffination entstehen, auch bei zertifiziertem Palmöl. Sie entstehen auch bei der Raffination anderer Pflanzenfette, allerding nicht in so großen Mengen.
Agenturen wie die AGES, die Österreichische Agentur für Lebensmittelsicherheit, und auch das BfR, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, informieren KonsumentInnen, daß der Konsum von palmölhältigen Produkten möglichst reduziert werden sollte, und daß insbesondere Kinder diese Produkte möglichst nicht essen sollten. Greenpeace empfiehlt, m.E. zu Recht, palmölhältige Produkte komplett zu meiden.
Bei dem differenzierten Ansatz fehlt etwas ganz Wesentliches: Im Artikel steht nichts darüber, daß daß Palmöl krebserregende und erbgutschädigende Moleküle enthält — 3‑MCPD Ester und Glycidylester — die bei der Raffination entstehen, auch bei zertifiziertem Palmöl. Sie entstehen auch bei der Raffination anderer Pflanzenfette, allerding nicht in so großen Mengen.
Agenturen wie die AGES, die Österreichische Agentur für Lebensmittelsicherheit, und auch das BfR, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, informieren KonsumentInnen, daß der Konsum von palmölhältigen Produkten möglichst reduziert werden sollte, und daß insbesondere Kinder diese Produkte möglichst nicht essen sollten. Greenpeace empfiehlt, m.E. zu Recht, palmölhältige Produkte komplett zu meiden.
Ich halte es für ein Gerücht, daß Ferrero schon immer Palmöl in seinen Produkten einsetzt. Es hat wohl reine Kostengründe. Speiseöle sind Commodities und werden weltweit gehandelt!
Wenn die Firma Ferrero wieder zurückfinden würde zu ggf. teurerem europäischen Raps-oder Sonnenblumenöl würden garantiert keine Urwälder in Süd-Ost Asien mehr zusätzlich dafür gerodet! Das wäre der nächste logische Schritt um die Nachfrage nach Palmöl zu reduzieren!
Hallo Sven, Palmöl wird tatsächlich schon sehr lange bei uns verwendet. Schon 1950 wurden 0,6 Mio. Tonnen Palmöl nach Deutschland importiert. In Berlin steht zum Beispiel ein alter Palmkernölspeicher aus dem Jahr 1881. Dort wurde auch damals schon Margarine mit Palmöl hergestellt. Grüße Ilka
Sehr geehrte Frau Petersen,
Sie sind im WWF Deutschland und rufen im Abschluss Ihres Beitrages zu Bio auf?
Haben Sie ggf auch mal Lust und Laune übet die Entstehung von Bioprodukten zu recherchieren?
Gruss
Klaus
Hallo Klaus,
ja, bei Palmöl ist Bio meiner Einschätzung nach die beste Wahl. Ich habe mir die Bioplantage in Kolumbien angeschaut — und ja, es ist eine Monokultur, aber es ist beeindruckend zu sehen, wie dort alles aufeinander abgestimmt ist und auch ohne Pestizide funktioniert.
“Ferrero nutzt zu 100% physisch (segregiertes) Palmöl, weiß wo es herkommt und unterstützt die oben beschriebenen Palm Oil Innovators Group.”
Verständnisfrage: Was bedeutet “zu 100% physisch segregiertes Palmöl” bzw. warum soll das nachhaltiger sein als anderes Palmöl?
Hallo Christine, es gibt verschiedene “Lieferkettenmodelle” beim Kauf von Palmöl. “Physisch segregiert” heißt, dass in einem Produkt wie Nutella, 100% zertifiziertes Palmöl enthalten ist. Es wurde von der Plantage an von nicht-zertifiziertem Palmöl getrennt transportiert. Hier ist die Rückverfolgbarkeit & damit die Kontrolle, wo es herkommt, am höchsten. Dann gibt es noch “Massenbilanz”. Da wird das zertifizierte Palmöl mit nicht-zertifiziertem gemischt — ähnlich wie beim Ökostrom. Das aus unserer Sicht schwächste System ist der Zertifikatehandel. Da kauft ein Unternehmen Zertifikate von einer zertifizierten Plantage, aber im Produkt selbst ist kein zertifiziertes Palmöl.
Danke. 🙂
Egal wie zertifiziert: immer enthält Palmöl krebserregende und erbgutschädigende Moleküle enthält — 3‑MCPD Ester und Glycidylester — die bei der Raffination entstehen, auch bei zertifiziertem Palmöl. Sie entstehen auch bei der Raffination anderer Pflanzenfette, allerding nicht in so großen Mengen.
Agenturen wie die AGES, die Österreichische Agentur für Lebensmittelsicherheit, und auch das BfR, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, informieren KonsumentInnen, daß der Konsum von palmölhältigen Produkten möglichst reduziert werden sollte, und daß insbesondere Kinder diese Produkte möglichst nicht essen sollten. Greenpeace empfiehlt, m.E. zu Recht, palmölhältige Produkte komplett zu meiden.
Bis auf die Tatsache, dass pauschal zum Kauf von Biopalmoel geraten wird, wirklich ein differenzierter und interessanter Artikel. Denn Bio bedeutet in der Regel weniger Ertrag und somit auch mehr benoetigte Anbauflaeche, was man nicht ausser Acht lassen sollte!
Hallo Söhnke, stimmt, Bio-Palmöl hat ein bisschen weniger Ertrag, aber schont dafür andere Ressourcen, wie Boden, Wasser und Luft. Deswegen ist es ein Puzzlestück. Andere sind z.B. bewussterer Konsum, aber auch bessere Schulungen beispielsweise für Kleinbauern, womit der Ertrag auf den bestehenden Flächen durch z.T. sehr einfache Mittel verbessert werden kann.
Dann soll sich Nutella ein Beispiel an Nudossi nehmen. Hier wird seit kurzem auf Palmöl verzichtet.
Eric
“zertifiziertes Palmöl” — die Produzenten kontrollieren sich selbst. GENAU!!!!! Ich lege immer mehr Produkte wieder ins Regal zurück, da immer mehr Produzenten Palmöl ( zuletzt gefunden in einem “Bio”-Regionalen Mohnstrudel — da würdest am liebsten laut zu schreien anfangen ) verwenden. Besonders schlimm finde ich es in “vegetarischer Wurst” — was soll das?
Sehr guter Beitrag! Wenigstens mal eine sachliche und faire Darstellung ohne Effekthascherei wie in den Boulevardmedien. Es gibt nämlich in der Tat eine Kehrseite der Medaille. Zudem engagieren sich etliche Unternehmen in Bezug auf umsetzbare Palmöl-Alternativen Es gibt also schon Lösungen zu Produktbestandteilen, die das Palmöl ersetzen können (siehe Vorreiter Frosch, Rapunzel o.a.) Aber auch zu alternativen Anbauflächen gibt es zahlreiche Lösungen… Eines ist Ségolène Royal aber gelungen: Sie hat damit internationale Aufmerksamkeit errungen… ob bewusst oder nicht.…