Euro­pas Urwald: Rekor­de, Skur­ri­les und ein fal­scher Mythos


Urwald: Süntelbuche
Süntelbuchen gehören zu den skurrilsten Baumarten Europas und sind eine seltene Variante der Rotbuche. © imago/Westend61

Die letz­ten Urwäl­der Euro­pas schrei­ben in jeg­li­cher Hin­sicht eine bemer­kens­wer­te Natur­ge­schich­te. Sie sind unser Blick in die Ver­gan­gen­heit und der tiefs­te Blick in natür­li­che Sys­te­me. Genau­so wie wir die Geschich­te Deutsch­lands und Euro­pas in der Schu­le ler­nen, soll­ten wir etwas über den Urwald ler­nen. Hier machen eini­ge span­nen­de Fak­ten den Start: Bäu­me der Super­la­ti­ve, schil­lern­de Fos­si­le und Euro­pa als Urwald-Kontinent.

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Dich­ter „Dschun­gel“ in Europa

Es gibt tat­säch­lich Urwald in Euro­pa. Noch vor 6000 Jah­ren war fast ganz Euro­pa von dich­ten Wäl­dern bedeckt: In küh­le­ren Lagen von Nadel­wäl­dern, im Flach­land von viel­fäl­ti­gem Laub­wald. Heu­te sind nicht ein­mal mehr 0,2 Pro­zent des euro­päi­schen Kon­ti­nen­tes mit ursprüng­li­chem, natür­li­chem Wald bewachsen.

Die ältes­te Buche Europas

Buchen sind die Urbäu­me Deutsch­lands und Euro­pas. Gemein­sam mit Eichen, Lin­den, Eschen und Hain­bu­chen und präg­ten sie unse­re ursprüng­li­che Wald­land­schaft zum größ­ten Teil.  Die ältes­te Buche Euro­pas steht in den Kalk­al­pen in Ober­ös­ter­reich. Und hier stand sie schon, bevor Colum­bus Ame­ri­ka ent­deckt hat. Die Buche ist 547 Jah­re alt.

Dickes Ding…

Urwald: die dickste Buche Europas im Gut Hoppenrade
Die dicks­te Buche Euro­pas steht mit­ten in Deutsch­land, im Guts­park Hop­pen­ra­de in Bran­den­burg. © Wolf­gang Schür­mann / Baumlaeufer

Die dicks­te Buche Euro­pas steht in Deutsch­land, im Guts­park Hop­pen­ra­de in Bran­den­burg. Ihr Stamm hat einen Umfang von 8,76 Metern. Aller­dings kommt es immer dar­auf an, auf wel­cher Höhe man misst. Inso­fern hin­ken der­ar­ti­ge Ver­glei­che manch­mal. Außer­dem wur­de die dicke Buche vor etwa 180 Jah­ren im Guts­park gepflanzt, steht also nicht in einem Urwald.

Vergleich der Bewaldung Europas heute und vor 6000 Jahren
© WWF

… und lan­ger Lulatsch

Die mit 51 Metern höchs­te Buche in Euro­pa steht im fran­zö­si­schen Bas­ken­land an der Gren­ze zu Spa­ni­en. Grenz­über­schrei­tend befin­det sich mit rund 17.000 Hekt­ar hier einer der größ­ten Buchen­wäl­der Euro­pas. Zum Ver­gleich: Ein zwölf­stö­cki­ges Hoch­haus ist etwa 30 Meter hoch.

Skurrile Fakten über Bäume
Old Tjik­ko — der ältes­te Baum der Welt in Schwe­den © TT iStock GettyImagesPlus

Der ältes­te Baum der Welt ist eigent­lich die ältes­te Wurzel

Der ältes­te Baum der Welt steht in Euro­pa. Es ist eine Fich­te, die recht ein­sam und etwas kahl in der kar­gen und eher baum­ar­men Land­schaft im Fuluf­jäl­let-Natio­nal­park in Schwe­den steht. „Old Tjik­ko“ wird die Fich­te genannt und ist etwa 9550 Jah­re alt. Genau genom­men ist ihr Wur­zel­werk so alt. Das haben Exper­ten durch Radio­koh­len­stoff­da­tie­rung ermit­telt. Da sieht man ein­mal, dass nicht nur die Jah­res­rin­ge zäh­len! Der knor­ri­ge Stamm Old Tjik­kos ist nur eini­ge hun­dert Jah­re alt. Denn aus ein­zel­nen den Boden berüh­ren­den Ästen oder dem leben­den Wur­zel­sys­tem selbst sind immer wie­der neue Stäm­me nachgewachsen.

Buchen sollst Du suchen?

Wo wir gera­de bei den Buchen sind, ein klei­ner Exkurs: Was ist dran am Gewit­ter-Spruch „Buchen sollst Du suchen, Eichen sollst Du wei­chen?“ Um es gleich vor­weg­zu­neh­men: Nichts! Holz lei­tet kei­nen Strom und ist des­halb ein her­vor­ra­gen­der Iso­la­tor. Aber das gilt nur für tro­cke­nes Holz und Blit­ze schla­gen oft am höchs­ten Punkt in der Umge­bung ein. Ihr soll­tet des­halb bei Gewit­ter im Frei­en alle Bäu­me mei­den – und nach Mög­lich­keit min­des­tens 10 Meter Abstand halten.

Skur­ri­ler Hexenwald

Eine der skur­rils­ten Baum­ar­ten Euro­pas sind die Sün­tel-Buchen, eine sel­te­ne Vari­an­te der Rot­bu­che. Kur­ze, dreh­wüch­si­ge Stäm­me und knor­ri­ge, mit­ein­an­der ver­wach­se­ne Äste teils in Kor­ken­zie­her- oder Zick­zack­form geben den Sün­tel-Buchen ein bizar­res Aus­se­hen. Das macht sie zu einer Beson­der­heit, die es zu erhal­ten gilt. Volks­tüm­lich wer­den die Sün­tel-Buchen auch Krau­se Buchen, Krüp­pel-Buchen, Schlan­gen-Buchen, frü­her gar Hexen­holz oder Teu­fels-Buche genannt.

Schil­lern­de Per­sön­lich­kei­ten: Urwaldreliktarten

Urwald­re­li­kt­ar­ten sind Arten, die aus­schließ­lich in alten Wäl­dern und urwald­ty­pi­schen Struk­tu­ren über­le­ben kön­nen. Das heißt, sie brau­chen Wäl­der, die nicht durch die Bewirt­schaf­tung struk­tur­arm gewor­den sind. Wäl­der mit Tot­holz, Höh­len, Nischen und knor­ri­ge, dicke, alte Bäu­me mit Schad­stel­len, Wuche­run­gen und Schwamm-Bewuchs. Zu den Urwald­re­li­kt­ar­ten gehö­ren in unse­ren Wäl­dern vor allem sehr, sehr sel­te­ne Käfer­ar­ten wie der Alpen­bock oder der Schwarz­kä­fer, der in Deutsch­land schon als aus­ge­stor­ben galt und wie­der­ent­deckt wurde.

Urwald: Käfer Alpenbock
Sel­te­ne Käfer­ar­ten wie der Alpen­bock kön­nen aus­schließ­lich in alten Wäl­dern und urwald­ty­pi­schen Struk­tu­ren über­le­ben. © ima­go images / blickwinkel

Alles ver­lernt: Holz­nut­zung zu Urwald­zei­ten und heute

Heu­te baut man vor allem mit Nadel­höl­zern. Kaum zu glau­ben, dass ent­spre­chend der Wald­vor­kom­men frü­her haupt­säch­lich Eichen, Buchen und ande­re Laub­höl­zer die wich­tigs­ten Bau­höl­zer waren. Das alte Wis­sen ist zum Teil ver­lo­ren gegan­gen und vie­les muss für die heu­ti­gen Bau­stan­dards auch neu erforscht und ent­wi­ckelt wer­den. Denn bereits seit den 1990er-Jah­ren fin­det in Deutsch­land ein Umbau der Wäl­der hin zu mehr Laub­wald statt, so dass wir bald mehr Laub­holz für das Bau­en ver­wen­den soll­ten. Eines aller­dings konn­ten die Men­schen zu Euro­pas Urwald-Zei­ten genau­so schlecht wie wir: Den Urwald erhal­ten. Die Euro­pä­er ver­nich­te­ten bereits bis zum Ende des Mit­tel­al­ters einen Groß­teil von Euro­pas Urwäldern.

Mit der Schaf­her­de im Urwald

Urwald: Schafe im Wald
Bereits ab der Jung­stein­zeit wur­den Scha­fe in Urwäl­der getrie­ben, um dort zu wei­den. © Ima­go / BRO­KER-Mar­tin Siepmann

Auch die Res­te der ältes­ten Wäl­der Euro­pas wur­den womög­lich schon früh genutzt. Bereits ab der Jung­stein­zeit wur­den Scha­fe, Zie­gen und Rin­der in die Wäl­der getrie­ben, um dort zu wei­den und Trie­be, Knos­pen, Eicheln, Buch­ecker und Pflan­zen der Kraut­schicht zu fres­sen. Wald­wei­de, Wei­de­wald oder Hute­wald wer­den so genutz­te Wäl­der genannt. Mit der Zunah­me der Vieh­zucht änder­te die­se Prak­tik aber die Art­zu­sam­men­set­zung der Wäl­der und führ­te nicht sel­ten schließ­lich zur Umwand­lung eins­tig ursprüng­li­cher Wald­flä­chen zu Kulturland.

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