Was machen wir nur mit all den Treibhausgasen? Eine Idee, wir schicken sie dorthin, wo Kohle, Öl und Gas herkommen. Unter die Erde. CCS, Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Lagerung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten. Klingt verlockend, schafft uns aber wohl allenfalls einen sehr kleinen Teil der Klimakrise vom Hals und ist zudem kompliziert, teuer und nicht ohne Risiken.
Folge uns in Social Media
Ein überdimensioniertes „Dixi-Klo“, so beschreiben Beobachter eine Anlage, die seit einigen Wochen in Essen zu bestaunen ist. Hinter der Konstruktion steckt jedoch weit mehr als die Hightech-Vision einer Plastiklatrine, auch wenn es sich tatsächlich um ein Gerät zur Entsorgung menschlicher Hinterlassenschaften handelt. Es ist der derzeit größte CO2-Staubsauger im Land. Netter Versuch, aber sicher nicht die Geheimwaffe gegen die Erderhitzung!
Aus den Augen aus dem Sinn
Eine größere Rolle in der aktuellen Diskussion um Auswege aus der Klimakrise spielt da schon das sogenannte CCS, Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Lagerung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten. Hier geht es nicht darum, das Treibhausgas wieder aus der Luft zu entfernen, sondern man setzt direkt am Schornstein an. CCS ist der Versuch, das CO2 an den Fabriken einzufangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Theoretisch lässt sich das abgeschiedene Kohlendioxid sogar weiterverarbeiten. Das nennt sich dann CCU, „Carbon Capture and Utilization“. Letzteres hilft dem Klima aber nur begrenzt, denn zum einen bleibt das verarbeitete CO2 nur für die Lebensdauer des Produktes gebunden und gelangt später eben doch in die Atmosphäre, zum zweiten verbraucht CCU so viel Strom, dass die Produktion kontraproduktiv wäre.
Trotzdem findet CCS seine Fans. Hierzulande wollten vor allem die Betreiber von Kohlekraftwerken die Methode nutzen, um ihre CO2-Schleudern länger betreiben zu können. Mit dem vereinbarten Kohleausstieg ist dieser Ansatz zumindest in Deutschland vom Tisch. In letzter Zeit kommt aber wieder Bewegung in die Debatte, zumal viele Klimawissenschaftler zu der Überzeugung gekommen sind, dass die Pariser Klimaziele ohne CO2-Abscheidung und Speicherung nicht zu erreichen seien.
Tatsächlich zeigen sich selbst der WWF und der Nabu offen. In einer ungewöhnlichen Allianz mit BDI und DGB einigten sie sich auf ein Thesenpapier. Tenor: „Kann man machen, muss man aber nicht.“ Konsens ist, dass CCS aber allenfalls für „nicht vermeidbare Emissionen“ aus dem Industriesektor infrage kommt. Nach dem aktuellen Stand der Technik sind das Emissionen, die bei bestimmten Produktionsprozessen, etwa der Herstellung von Zement oder bei der Müllverbrennung frei werden. Aktuell sind das im Jahr geschätzte 35 Millionen Tonnen, ungefähr fünf Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland.
Endstation Meer
Bevor es allerdings soweit kommen könnte, sind noch viele Hürden zu überwinden. Zwar gibt es in Deutschland auch an Land infrage kommende Lagerstätten, aber wahrscheinlich wird es auf die Speicherung tief unter dem Meeresgrund hinauslaufen. Ob in der deutschen Nordsee jemals CO2 verpresst wird, ist allerdings fraglich. Überfällig ist vor allem ein rechtlicher Rahmen. Grundsätzlich sollte bei allen Gedankenspielen ein wirksamer Meeresschutz von Anfang an mitgedacht werden und die Rahmenbedingungen für eventuelle CO2-Verpressung im Meeresboden mitbestimmen. Denn die Meere tragen eine Hauptlast der Energiewende, und sie sind schon jetzt in einem schlechten Zustand. Ihre Biodiversität und ihre natürliche Fähigkeit Kohlenstoff zu speichern nehmen rasant ab. Für einen funktionierenden Klimaschutz ist ihr Schutz maßgeblich.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Andere Länder sind in Sachen CCS bereits weiter und wittern ein lukratives Geschäft. Allen voran die Norweger. Sie speichern bereits seit fast 30 Jahren CO2 in ihrem Teil der Nordsee, in der Regel in ausgebeuteten Gas- und Ölfeldern. Dort nutzen sie das Verfahren der CO2-Injektion, um auch noch die verbliebenen Reste aus den Lagerstätten zu holen. – ein riesiger Business Case mit zahlreichen damit verbundenen Problemen.
Ungelöste Probleme
Völlig ungelöst ist, auf welchem Weg und in welcher Form, das abgeschiedene Gas zu den maritimen Lagerstätten kommt. Gebraucht werden Pipelines, Kesselwagen, spezialisierte Häfen und geeignete Schiffe. Für all das sind enorme Investitionen in die Infrastruktur nötig und das kostet Geld und Zeit – und verursacht auf dem Weg neue Treibhausgas-Emissionen.
Wissenschaftler kalkulieren die Kosten pro verpresste Tonne CO2 auf etwa 150 Euro pro Tonne. Selbst wenn die vom Emissionshandel ausgenommenen Branchen ab 2034 für ihre Emissionen zahlen müssen, wäre es zumindest nach aktuellem Stand deutlich billiger, das CO2 in die Luft zu blasen und zum Ausgleich Zertifikate zu kaufen.
Kurzum: CCS wird das Klima nicht retten. Ob die Technik wirklich einen Beitrag leisten kann, muss gründlich berechnet und abgewogen werden. Die Prioritäten liegen anderswo: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wiederherstellung und Stärkung natürlicher Senken.
Das gleiche gilt für die viel besprochenen CO2 Staubsauger. Insgesamt bräuchte Deutschland 6,6 Millionen solcher Staubsauger, um die Treibhausgase, die wir jedes Jahr in die Luft blasen, wieder zu neutralisieren. Dann vielleicht doch lieber ein Windrad im Garten…
Kein Kommentar