Es war vor 30 Jahren, als die Idee eines neuen Naturschutzgesetzes für Europa aufkam. Heute wird sie vom neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker torpediert. Das Rad soll zurückgedreht werden, weil Juncker nur das Wirtschaftswachstum im Auge hat, koste es was es wolle.
Wie alles anfing
Damals, Mitte der 1980er Jahre, war ich mitten drin im Geschehen: Als Geschäftsführer des größten Vogelschutzverbandes Deutschlands (heute NABU) sollte ich den Naturschutz in der Europäischen Union mit voranbringen. Griechenland, Spanien und Portugal waren der EU inzwischen beigetreten und diese wuchs damit auf 12 Mitglieder an. Heute sind es 28!
Seit 1979 gab es ein EU-Vogelschutzgesetz und mit der EU-Kommission in Brüssel sollte ein neues „Gesetz“ gestrickt werden: Für weitere Tierarten — vor allem gefährdete Säugetiere, Amphibien und Reptilien — und bedrohte Lebensgemeinschaften wie Moore, Auwälder und Trockenrasen. Die Naturschutzverbände waren eng in die Diskussion einbezogen und machten Vorschläge für die Richtlinie — heute fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Nach vielen Beratungen wurde 1992 die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) beschlossen: Ein Meilenstein und mit der Vogelschutz-Richtlinie die zweite Säule der EU-Naturschutzgesetze!
Warum sind die EU-Richtlinien so wichtig?
Ohne die beiden Richtlinien würden Singvögel auf ihrer Zugroute von Deutschland nach Nordafrika immer noch gnadenlos abgeschossen und aufgegessen. Noch mehr Moore wären trockengelegt, die küstennahen Meeresgebiete längst leergefischt und für Wolf und Luchs gäbe es keine naturnahen Rückzugsräume mehr. Viele Schutzgebiete in Europa müssten womöglich Straßen, Industriegebieten und städtischen Siedlungen weichen.
Auch für uns Menschen
Die Schutzgebiete des europäischen Naturnetzwerks NATURA 2000 müssen tabu sein. Nicht nur wegen der vielen Tier- und Pflanzenarten, die sie beheimaten. Auch wir brauchen sie für unsere Erholung. Wer geht nicht gerne in die Natur, beobachtet Hummeln und Bienen bei der Nektarsuche, hört der Singdrossel beim Abendlied zu und streift am Wochenende mal durch einen naturnahen Wald? Das tue ich auch und erde mich wieder, denn die politische Arbeit in Brüssel ist inzwischen ein Kampf gegen Betonköpfe geworden.
Der sogenannte Fitness-Check
Seit es die Naturschutzrichtlinien der EU gibt, stieg in Deutschland die Fläche von Schutzgebieten von etwa drei Prozent auf heute 15 Prozent — wenn das kein Verdienst der EU ist! Trotzdem ist immer noch viel zu tun, um die Lebensbedingungen vieler Tier- und Pflanzenarten zu verbessern. Was EU-Kommissionspräsident Juncker aber unter dem Deckmantel eines „Fitness Checks“ verkauft, ist verantwortungslos. Die Gefahr liegt auf der Hand: Keine Stärkung, sondern eine Schwächung der Naturschutzgesetze zugunsten der Wirtschaft.
Diese politische Attacke empfinde ich auch als Angriff auf mein jahrelanges persönliches Engagement für den Naturschutz in Europa. Deshalb kämpfe ich für den Erhalt der EU-Gesetze. Meine Kinder sollen den Storch auf der Wiese waten sehen und nicht nur ausgestopft im Museum.
Sagt dem EU-Kommissionspräsidenten eure Meinung:
www.wwf.de/keep-nature-alive
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