Derzeit machen elektrisch betriebene PKW auf Deutschlands Straßen gerade einmal 0,04% des Gesamtbestandes an Autos aus. Die restlichen 99,96% sind konventionelle, CO2-ausstoßende und somit die Umwelt verpestende Fahrzeuge. Diese Zahlen stehen im völligen Kontrast zu den eigentlichen Klima-Zielen Deutschlands.
Bis zum Jahr 2020 sollen hierzulande eine Million Elektroautos unterwegs sein. Um die Erderwärmung auf 2° Celsius zu beschränken, müssten allein im Verkehrssektor 150 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Dieses Ziel ist für den Individualverkehr nur mit elektronischen Verkehrskonzepten und Autos zu erreichen – so weit sind sich die Wissenschaftler einig.
Aber E‑Autos haben noch einen weiten Weg vor sich, denn sie sind noch lange nicht perfekt. Neben der mangelnden Reichweite stehen sie besonders häufig für die verwendeten Rohstoffe der Akkumulatoren und Motoren in der Kritik, die momentan noch alles andere als umweltfreundlich sind.
Genau hier setzt die Fragestellung der Forschungsgruppe „Mobilität“ des 2°Campus in diesem Jahr an: Ist es möglich, nachhaltigere Rohstoffe zur Herstellung zu verwenden?
Wie funktioniert ein herkömmlicher Lithium-Ionen-Akku?
Herkömmliche Lithium-Ionenakkumulatoren bestehen aus zwei Elektroden (Anode und Kathode), die durch einen nichtwässrigen Elektrolyten miteinander verbunden sind. Wird eine Spannung angelegt, fließen die Elektronen zur Anode. Zum Ladungsausgleich bewegen sich die Lithium-Ionen über den Elektrolyten ebenfalls zu dieser Elektrode. Beim Entladevorgang passiert derselbe Ablauf einmal umgedreht. Die Lithium-Ionen fließen zurück zur Kathode, während sich die Elektronen über den äußeren Stromkreis zurückbewegen und dabei zum Beispiel eine Lampe zum Leuchten bringen können.
Momentan bestehen Kathoden meist aus Lithium-Metalloxid-Verbindungen (z.B. LiMn2O4; Lithiummanganoxid). Die Anode aus Graphit — ein Mineral, das in Akkumulatoren in einer stapelförmigen Schichtstruktur vorkommt. Dieser wird aus Erdölabfällen hergestellt und ist folglich nicht gerade nachhaltig.
Energiespeicher aus Zuckerrüben
Aber nicht nur Erdöl enthält für die Verwendung als Anodenmaterial günstige Strukturen, sondern auch beispielsweise die Zuckerrüben. Fünf Megatonnen dieses Rohstoffes werden jährlich weggeschmissen. Warum sollte man diese nicht zur Energiegewinnung einsetzen?
Um zu überprüfen, ob hinter dieser Idee tatsächlich eine Zukunftsinnovation steckt, haben wir im Batterieforschungsinstitut „MEET“ mit handelsüblichem Zuckerrübensirup gearbeitet. Mit Wasser vermischt und über vier Stunden unter hohem Druck erhitzt, erhält man eine schwarze, wässrige Suspension.
Nach zahlreichem Filtrieren, Trocknen und weiterem Erhitzen in einem Hochtemperaturofen entstehen schließlich Carbon Spheres –sphärische Kohlenstoffpartikel in der Größe von Viren bis Bakterien, die sich untereinander in ihrer Struktur und Größe unterscheiden – die ideale Ausgangssubstanz zur Herstellung eines Anodenmaterials.
Anoden aus Zuckerrübensirup
Im nächsten Schritt werden diese kleinen Partikel mit kleinsten Mengen an Bindemittel (E466 – aus der Lebensmittelindustrie bekannt) Leitruß und Wasser vermischt, sodass sich ein wässriger „Slurry“ bildet, der im Anschluss auf eine Kupferplatte aufgetragen wird. Abschließend wird daraus eine vollständige Anode gestanzt.
Unsere „Carbon Spheres –Anode“ haben wir schließlich in eine Testbatterie (Swagelokzelle) eingebaut und durch Verfahren wie das Zyklisieren untersucht, wie effizient diese Idee tatsächlich ist.
Die Ergebnisse:
Die Ergebnisse sind für den ersten Versuch überraschend gut. Zwar zeigen die Untersuchungen noch keine Werte, die momentan für die Industrie attraktiv erscheinen, aber hinter der Idee steht auf jeden Fall ein riesiges Entwicklungspotential. Mit weiterer Forschung und politischen Anreizen könnte es durchaus möglich sein, dass in ein paar Jahren unsere Autos mit Zuckerrübenabfällen angetrieben werden. Emissionsfrei und nachhaltig.
Stundenlanges Hocherhitzen unter hohem Druck, schier endloses Filtrieren, neuerliches Hocherhitzen… alles umweltfreundlich mit Bockmist befeuert? Klingt ausgesprochen umweltschonend…