Bodenschleppnetze verwüsten die Tiefsee wie Bulldozer den Regenwald. Das hat jetzt auch die EU eingesehen. Wir helfen das neue Verbot durchzusetzen.
Vier Jahre hatten die Marathon-Verhandlungen gedauert, Ende Juni 2016 war es dann soweit: Die EU verbietet das Fischen mit Bodenschleppnetzen in der Tiefsee ab 800 Meter in ihren Gewässern — und zusätzlich für ihre Fangschiffe, wenn sie auf der Hohen See westlich vor Afrika operieren. Die neue Regelung betrifft 4,9 Millionen Quadratkilometer. Wir Umweltschützer der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) machten bei dem Verbot Druck.
Europas Riffe: Schützt die Kaltwasserkorallen!
Schon zuvor waren einzelne Tiefsee-Flächen im Nordostatlantik für Bodenfischerei gesperrt worden, zusammen so groß wie Deutschland. Doch diese Schließungen mussten wir in den letzten 20 Jahren noch einzeln erkämpfen: Norwegischen, britischen und deutschen Wissenschaftlern haben wir es zu verdanken, dass Ende der 1990er Jahre der gewaltige Umfang der Kaltwasserkorallenriffe vor den Küsten Europas, ihr Artenreichtum, aber auch das Ausmaß der Zerstörung bekannt wurde. Die langsam wachsenden Riffe gibt es bis in 4000 Metern in der Tiefsee. Sie beherbergen mehr als tausend Arten — und erstrecken sich genauso weit wie das Große Barriere Riff vor Australien!
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in den norwegischen Gewässern schon 30–50 Prozent der Riffe durch Fischerei mit tonnenschweren Bodenschleppnetzen unwiederbringlich zerstört waren. Norwegens Regierung zog die Notbremse. Sie sperrte ihre Riffe für diese zerstörerische Fangmethode. Der WWF vergab für diese Maßnahme seine höchste Auszeichnung.
Mit diesem kleinen Videoclip und anderen Werkzeugen warb ich zusammen mit dem WWF-Kampagnenteam damals für den Schutz der Riffe in anderen Staaten, bei der EU und internationalen Fischereigremien. Und der Funke sprang schließlich über: Als erste Tiefseestruktur wurden die Darwin Mounds nordwestlich von Schottland für Bodenschleppnetze gesperrt. Viele andere Gebiete folgten, darunter große Teile der Gewässer der Azoren, Kanarischen Inseln und Madeiras.
Schutz der Tiefsee wird Thema der UN
Schließlich fand das Thema prominente Fürsprecher wie Sir David Attenborough. Der Schutz der Kaltwasserkorallen eroberte die globale Agenda, wie dieser gemeinsame Bericht von Umweltprogramm UN, norwegischer Regierung, WWF und anderen zeigt. Von 2004 bis 2006 verabschiedete die Vollversammlung in New York Resolutionen zur Fischerei, die alle Staaten und Fischereiverwaltungen aufforderten, so genannte Vulnerable Marine Ecosystems (VMEs) wirksam vor Bodenfischerei zu schützen. Darunter zählen nun unter anderem Korallenriffe, Seeberge, heiße Tiefseequellen, Korallengärten und Formationen von Tiefseeschwämmen. Es folgten zahlreiche Schließungen in verschiedenen Meeresregionen, so auch im Nordostatlantik, wie die Karte oben zeigt. Nun wird auch die EU die UN-Resolutionen umsetzen. Fraglos: Eine gute Nachricht für die Tiefseekorallenriffe und ihre Bewohner.
Den illegalen Fischern auf der Spur — per Satellit
Doch werden die Verbote überhaupt eingehalten? Das möchten wir vom WWF auch gerne wissen! Und Öffentlichkeit herstellen. Illegale Fischerei (IUU) ist weltweit ein großes Problem. Die Fischereiaufsichten informieren uns nur häppchenweise über die Satellitendaten der Fangschiffe aus dem so genannten Vessel Monitoring System (VMS). Und welches Schiff unter welcher Flagge gegen die Regeln verstoßen hat, erzählen sie uns sowieso nicht.
Wie das Schiffejagen funktioniert
Also haben wir unser eigenes System “seeOcean” entwickelt. Es beruht auf den Positionssignalen, die Schiffe abgeben, um Kollisionen mit anderen zu vermeiden, dem so genannten Automatic Identification System (AIS). In Küstengewässern könnt ihr Schiffsbewegungen am Computer selbst verfolgen. Von weiter draußen besorgen wir uns die Daten über Satellitenprovider, filtern die Fangschiffe raus, jagen sie durch einen netten Algorithmus, analysieren ihre Bewegungsmuster und Geschwindigkeiten. Wenn der Befund nach Schleppnetzfischerei aussieht, gleichen wir ihn mit Datenbanken ab, die die Fangerlaubnisse und ‑geräte des betreffenden Trawlers enthalten.
Hier seht ihr etwas klar Verbotenes!
Das kann ich heute alles bequem in meinem WWF-Büro machen! Hier seht ihr als Beispiel ein Ergebnis von der für Bodenschleppnetze gesperrten Hatton Bank westlich der britischen Inseln. Am unteren Rand der geschlossenen Zone operiert ein Bodentrawler offensichtlich illegal!
Natürlich macht Detektivarbeit immer Spaß. Ziel ist es aber, mit den Informationen bei der EU oder der Nordostatlantische Fischereikommission (NEAFC) vorstellig zu werden — und bei Verstößen Sanktionen zu fordern.
Es ist mir selbst so auch schon gelungen, zusätzliche Sperrungen in Gebieten mit empfindlichen Tiefsee-Ökosystemen durchzusetzen.
Was kannst Du für bessere Fischerei tun?
Du isst Fisch? Dann orientiere Dich bitte im WWF Einkaufsratgeber Fisch, auf welchen Du verzichten solltest — damit Du nicht den Raubbau der Meere unterstützt. Danke!
Plastetüten sind schon länger tabu, wir verwenden die guten alten Stoffbeutel aus DDRzeiten, beim Fischkaufen achte ich auch auf die Kennzeichnung, aber gegen die Schöeppnetue und Überfischung, das Töten aus lauter Spass, dagegen kann man leider nichts selber tun. Nur hoffen, dass ihr immer mehr Erfolg habt.
Hallo Ines, der WWF Ratgeber zum Kauf von Fisch und Meeresfrüchten berücksichtigt nicht nur, welche Bestände schonend bewirtschaftet bzw. überfischt sind, er bezieht auch die Fangmethoden und ihre Auswirkung auf die Umwelt ein, z.B. von Bodenschleppnetzen.
Gruß von Stephan