Es gibt keinen Schwertstör mehr. Wirklich überraschend kam diese Nachricht vom Verschwinden des Störs zwar nicht, traurig ist sie trotzdem. Nachdem mehrere Versuche erfolglos blieben, lebende Exemplare nachzuweisen, gilt der Riesenfisch nun als ausgestorben.
Ein ganz besonderer Stör
Es geht mir nicht nur um den Stör. Für mich als Artenschützer ist der Verlust jeder Tierart immer bedrückend. Schließlich geht jede ausgestorbene Art unwiederbringlich verloren. Bei solch charismatischen Arten wie dem Stör wird mir das besonders deutlich. Schließlich war dieser Flussriese ein einzigartiger Fisch – im wahrsten Sinne des Wortes. Er war der einzige Vertreter seiner Gattung, die nun mit ihm verschwunden ist. Er teilt sich eine systematische Familie mit nur einer weiteren Art, dem bedrohten Löffelstör des US-amerikanischen Mississippi.
Der Schwertstör: Der einzige seiner Gattung
Um die Tragweite des Verlusts deutlich zu machen, hilft ein Vergleich bei Säugetieren – die liegen mir und den meisten Menschen einfach näher als die Fische. Die beiden Elefantenarten zum Beispiel bilden ebenfalls zusammen eine systematische Familie und sind jeweils die einzigen Vertreter ihrer Gattung. Der Verlust dieses Störs wiegt an evolutionärer Vielfalt innerhalb der Fische also ähnlich schwer, als wenn der Asiatische Elefant innerhalb der Säugetiere verschwinden würde.
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Ehemals waren der charismatische Stör, der durchschnittlich bis zu drei Meter lang wurde, ausschließlich im chinesischen Fluss Jangtse beheimatet. Dass zuletzt ein lebender Schwertstör in freier Wildbahn gesichtet wurde, ist lange her. Im Jahr 2003 ließen Forscher und Forscherinnen ein versehentlich gefangenes Weibchen mit einem Sender frei. Nach zwölf Stunden ging das Signal verloren. Niemand sah jemals wieder einen Schwerstör.
Aufwändige Suche nach dem Stör
Und dass, obwohl auf der Suche nach dem Stör kein Aufwand gescheut wurde: Bei einer hydroakustischen Echolot-Ortung fanden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den Jahren zwischen 2006 und 2009 Hinweise auf neun mögliche Störe. Davon konnten sie lediglich zwei “sehr wahrscheinlich” der gesuchten Art zuweisen. Ein direkter Fang gelang jedoch nicht. Zwischen 2017 und 2018 wiesen Untersuchungen zur Fischvielfalt im Jangtse-Becken zwar 332 Fischarten nach. Darunter befand sich aber kein einziger Schwertstör.

Der gigantische Stör war ein lebendes Fossil, das sich nur schwer an sich verändernde Umwelteinflüsse anpassen konnte. Die Gründe für sein Aussterben sind dementsprechend vielfältig. Zum einen benötigten Schwertstöre viel Zeit, um sich fortzupflanzen. Frühestens nach fünf Jahren erreichten die Männchen ihre Geschlechtsreife. Bei den Weibchen dauerte es noch etwas länger. Arten, die sich erst so spät fortpflanzen, sind leider besonders anfällig für Störungen durch uns Menschen. Die Zeit, die sie brauchen, haben wir ihnen nicht mehr gegeben.
Überfischung im Jangtse: 25 Tonnen Schwertstör im Jahr
Dabei war der Stör in historischen Zeiten ein recht weit verbreiteter Süßwasserfisch in den Flüssen, die im West-Pazifik münden. Seit den 1950ern wurde er aber fast ausschließlich im Jangtse gesehen. Und dort sorgte die kommerzielle Überfischung bald für einen dramatischen Rückgang der Bestandszahlen. Noch in den 70ern wurden jährlich etwa 25 Tonnen Schwertstöre im Jangtse gefischt.
Gleichzeitig wurde der Lebensraum Fluss immer weiter zerstückelt. Besonders schwerwiegend für die Störe war dann der Bau des Gezhouba-Wasserkraftwerks, der den Stör-Bestand in zwei Teile zerschnitt und die Wanderung der Alttiere in die Laichgebiete verhinderte. Das besiegelte sein Aussterben – nur noch 210 Sichtungen gelangen zwischen 1981 und 2003, die meisten unterhalb des Staudammes. Wenn sich eine Art nicht mehr fortpflanzen kann, wird sie langfristig verschwinden. Da hilft ihr weder Größe noch Lebensdauer.

Schwertstör ausgestorben: Hätte man etwas unternehmen können?
Ja, schätzen die Experten und Expertinnen. Nur hätte man schon viel früher ansetzen müssen, wohl schon in den 70ern oder 80ern. Hilfreich für den Stör wären frühzeitige Naturschutz-Maßnahmen wie Erhalt von Wanderbewegungen, Lebensraum-Wiederherstellung, Beifang-Reduktion und Fischfang-Stopps gewesen.
Der Schwertstör ist indes in seinem Schicksal leider nicht alleine. Auch der Chinesische Flussdelfin, der im Jangtsekiang beheimatet war, gilt als ausgestorben. Weitere Arten wie der Chinesische Stör und die Yangtze Riesenweichschildkröte stehen kurz vor der Ausrottung. Auch in anderen Flusssystemen sind wandernde Riesenfische sind durch Überfischung und Dammbauten vom Aussterben bedroht, unter anderem der Mekong-Riesenwels im südoasiatischen Mekong,
Fischfangverbot im Jangtsekiang erlassen
Die chinesische Regierung hat nun reagiert und ein Fischfangverbot für den Jangtsekiang erlassen. Ganze zehn Jahre lang soll sich der längste Fluss Asiens regenerieren können. So sehr diese Entscheidung zu begrüßen ist, für den Stör kommt sie leider zu spät.
So, wie sich der Bericht liest, ist der Schwertstör nicht ausgestorben.
Das sind die Saurier.
Der Schwertstör wurde ausgerottet.
Ein Fischfangverbot wird wenig nutzen, fürchte ich, wenn nicht Wasserwege zu den Laichgebieten geschaffen werden, die Dämme und Wasserkraftwerke umgehen. Ich hoffe, in Deutschland und Europa sind solche Maßnahmen mittlerweile Standard.
Am Rande: Gibt es nicht drei Elefantenarten — oder täusche ich mich, und die kleine ist nur eine Subspecies (Rasse)?
Der afrikanische Savannenelefant und der afrikanische Waldelefant galten lange als Unterarten derselben Art (Loxodonta africana africana, Loxodonta africana cyclotis); seit etwa 20 Jahren spricht man sie lieber als getrennte Arten an (Loxodonta africana, Loxodonta cyclotis); vor zweieinhalb Jahren hat sich herausgestellt https://elifesciences.org/articles/25413 , dass es sogar Sinn ergeben würde, sie als getrennte Gattungen zu klassifizieren (Loxodonta africana, Palaeoloxodon cyclotis) – immerhin haben sie sich vor 4 bis 7 Millionen Jahren getrennt – ; und seit zwei Jahren weiß man, dass alles noch komplizierter ist. https://www.pnas.org/content/115/11/E2566