Sai­gas statt Schneeleoparden


Naturfotograf Thorsten Milse kniet in der mongolischen Wildnis vor seiner Kamera auf einem Stativ. Das Bild wird vom riesigen Objektiv der Kamera dominiert.
Naturfotograf Thorsten Milse © Oliver Samson, WWF

Unser Natur­fo­to­graph Thors­ten ist ange­spannt. Ganz früh am Mor­gen will er an einem Leo­par­den­pfad ansit­zen, noch im Dun­keln auf­bre­chen, in der Eises­käl­te stun­den­lang lau­ern. Jeden Mor­gen, jeden Abend. Foto­gra­fen­schick­sal. Für den Leo­par­den ist er hier. Ohne ein Bild nach Hau­se zu kom­men — für ihn schwer vor­stell­bar. Geschich­ten der Mon­go­len, wonach vor zwei Jah­ren ein Leo­pard vor einem Foto­graf eine hal­be Stun­de lang gera­de­zu posier­te, machen ihn noch entschlossener.

Nahaufnahme eines Mongolen mit WWF-Mütze: Es ist Chimde vom WWF Mongolei.
Chi­med­dorj Buya­naa vom WWF Mon­go­lei © Oli­ver Sam­son, WWF
Mongolei: Zwei Saiga-Babys liegen dicht nebeneinander und strecken ihre merkwürdig geformten Knautschnasen Richtung Kamera.
Sai­gas haben komi­sche Nasen. © Ts. Buy­an­bat / WWF Mongolei

Chi­med, der Lei­ter der Öko­re­gio­na­len Pro­gram­me des WWF in der West­mon­go­lei, will uns heu­te mit­neh­men zu einem ande­ren fas­zi­nie­ren­den Tier, das hier fast schon aus­ge­rot­tet war: Wir bre­chen auf zur Sai­ga-Anti­lo­pe.

Holp­ri­ge Pfa­de und komi­sche Nasen

Wir sind vom Camp kaum ins Tal gehol­pert, als es viel­leicht zwei Kilo­me­ter vor uns so aus­sieht, als wür­de eine Kolon­ne Autos zügig vor­bei zie­hen. „Sai­ga“, ruft Chi­med vom Bei­fah­rer­sitz. Kaum sehen wir sie rich­tig, sind sie auch schon wie­der außer Sicht.
Die Tie­re mit der son­der­ba­ren Knautsch­na­se flie­hen mit über 60 Stundenkilometern.

Hier direkt unter­halb des Jar­ga­lant gibt es eine iso­lier­te Popu­la­ti­on von etwa drei­ßig Sai­gas. Doch wir wol­len wei­ter, zu einem erfolg­rei­chen WWF Pro­jekt in der Mank­han-Sen­ke, 150 Kilo­me­ter ent­fernt. Eine Stra­ße im enge­ren Sinn gibt es durch die Tro­ckenstep­pe nicht.

Alles Wüs­te

Wäh­rend wir durch­ge­schüt­telt wer­den, bleibt Chi­med viel Zeit zum Erzäh­len. Die Sai­ga-Anti­lo­pe war in der Mon­go­lei schon fast aus­ge­rot­tet. Wil­de­rei und har­te Win­ter lie­ßen bis 2005 gera­de noch 800 Tie­re übrig. Inzwi­schen sind es wie­der über 15.000, die WWF-Arbeit zeigt Wir­kung. „Doch wir haben dadurch ein neu­es Pro­blem“, sagt Chi­med. Wie in vie­len Tei­len der Mon­go­lei heißt das Pro­blem hier Over­gra­zing, zu vie­le Tie­re wei­den an der kärg­li­chen Vege­ta­ti­on. Flo­ra und Fau­na ver­ar­men, fress­ba­re Pflan­zen wer­den immer weni­ger, es droht Wüs­ten­bil­dung.
Es gibt ein­fach nicht genug, um die ste­tig grö­ßer wer­den­den Nutz­tier-Her­den satt zu krie­gen. In die­sem Jahr haben Tie­re nicht genug Fett ange­setzt, der Som­mer war tro­cken und jetzt droht, was ein mon­go­li­scher Hir­te am meis­ten fürch­tet: ein Zud, ein gro­ßes Her­denster­ben im Win­ter. Schon ver­su­chen vie­le Hir­ten ihre Tie­re zu ver­kau­fen. Die Fleisch­prei­se sind im Kel­ler, guter Rat teu­er. Die Sai­ga-Anti­lo­pe gilt vie­len Hir­ten da nur als unnö­ti­ge Kon­kur­renz um die knap­pe Ressource.

Einsames Nomadenzelt mitten in der Steppe: Ger der Saiga-Ranger.
Noma­den­zelt mit­ten in der Step­pe: Ger der Sai­ga-Ran­ger. © Oli­ver Sam­son, WWF

Irgend­wann rol­len wir auf ein ein­sa­mes Ger in der Step­pe zu. Hier wohnt Tuvan­dorj. Der 45jährige Hir­te arbei­tet qua­si neben­be­ruf­lich als Sai­ga-Ran­ger des WWF, beob­ach­tet, zählt, doku­men­tiert, mel­det Wil­de­rei. Die Sai­ga ist bei den Noma­den nicht nur unbe­liebt, mit ihren bis zu einem hal­ben Meter lan­gen Hör­nern lässt sich auch viel Geld ver­die­nen, über der Gren­ze, in Chi­na. Die Hör­ner sind wegen ihrer angeb­li­chen medi­zi­ni­schen Wir­kung hoch begehrt, noch mehr seit die Sai­ga-Ver­wand­ten aus Kasach­stan von einer rät­sel­haf­ten Epi­de­mie fast aus­ge­löscht wurden.

Saiga-Ranger Tuvandorj und sein Kollege.
Sai­ga-Ran­ger Tuvan­dorj und sein Kol­le­ge. © Oli­ver Sam­son, WWF

Bei den Sai­ga-Ran­gern in der Mongolei

Tuvan­dorj lädt uns in sein Ger ein. Sein Freund und Kol­le­ge Dogs­om — auch er einer der elf vom WWF bezahl­ten Hir­ten­ran­gern — ist gekom­men. Sie freu­en sich sehr über den Besuch aus der Fer­ne. Deutsch­land, damit ver­bin­den sie eigent­lich nur Micha­el Schuh­ma­cher, sagen die bei­den. Und sie wol­len wis­sen, wie es denn den Hir­ten in Deutsch­land gehe.

Wir haben ihnen war­me, win­ter­fes­te Ran­ger­ja­cken mit­ge­bracht. Sie schwö­ren zwar auf ihre tra­di­tio­nel­le Klei­dung für den Win­ter, bei ihrer Arbeit wol­len sie aber die dick­ge­füt­ter­te Uni­form anzie­hen. Stolz zei­gen sie uns ihr Motor­rad, das der WWF zur Hälf­te bezahlt hat. Beim Essen erzäh­len sie von den Sai­gas, ihrer Arbeit und wie sie aber auch von ande­ren Hir­ten dafür ange­fein­det wür­den. Dabei wer­den Schaf­kno­chen geräusch­voll abge­nagt, am But­ter­tee geschlürft. Wil­de­r­ei­fäl­le gab es in den letz­ten Jah­ren nur noch ein paar Dut­zend. Zu vie­le, aber nicht exis­ten­zi­ell bedro­hend für die Sai­gas. Es ist frag­los ein Erfolg der WWF-Hir­ten­ran­ger. Tuven­dorj und Dogs­om wün­schen sich noch drin­gend ein paar mehr Kol­le­gen. Dann, so mei­nen sie, könn­te wirk­lich die gesam­te Munk­han Sen­ke über­wacht werden.

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