Unser Naturfotograph Thorsten ist angespannt. Ganz früh am Morgen will er an einem Leopardenpfad ansitzen, noch im Dunkeln aufbrechen, in der Eiseskälte stundenlang lauern. Jeden Morgen, jeden Abend. Fotografenschicksal. Für den Leoparden ist er hier. Ohne ein Bild nach Hause zu kommen — für ihn schwer vorstellbar. Geschichten der Mongolen, wonach vor zwei Jahren ein Leopard vor einem Fotograf eine halbe Stunde lang geradezu posierte, machen ihn noch entschlossener.


Chimed, der Leiter der Ökoregionalen Programme des WWF in der Westmongolei, will uns heute mitnehmen zu einem anderen faszinierenden Tier, das hier fast schon ausgerottet war: Wir brechen auf zur Saiga-Antilope.
Holprige Pfade und komische Nasen
Wir sind vom Camp kaum ins Tal geholpert, als es vielleicht zwei Kilometer vor uns so aussieht, als würde eine Kolonne Autos zügig vorbei ziehen. „Saiga“, ruft Chimed vom Beifahrersitz. Kaum sehen wir sie richtig, sind sie auch schon wieder außer Sicht.
Die Tiere mit der sonderbaren Knautschnase fliehen mit über 60 Stundenkilometern.
Hier direkt unterhalb des Jargalant gibt es eine isolierte Population von etwa dreißig Saigas. Doch wir wollen weiter, zu einem erfolgreichen WWF Projekt in der Mankhan-Senke, 150 Kilometer entfernt. Eine Straße im engeren Sinn gibt es durch die Trockensteppe nicht.
Alles Wüste
Während wir durchgeschüttelt werden, bleibt Chimed viel Zeit zum Erzählen. Die Saiga-Antilope war in der Mongolei schon fast ausgerottet. Wilderei und harte Winter ließen bis 2005 gerade noch 800 Tiere übrig. Inzwischen sind es wieder über 15.000, die WWF-Arbeit zeigt Wirkung. „Doch wir haben dadurch ein neues Problem“, sagt Chimed. Wie in vielen Teilen der Mongolei heißt das Problem hier Overgrazing, zu viele Tiere weiden an der kärglichen Vegetation. Flora und Fauna verarmen, fressbare Pflanzen werden immer weniger, es droht Wüstenbildung.
Es gibt einfach nicht genug, um die stetig größer werdenden Nutztier-Herden satt zu kriegen. In diesem Jahr haben Tiere nicht genug Fett angesetzt, der Sommer war trocken und jetzt droht, was ein mongolischer Hirte am meisten fürchtet: ein Zud, ein großes Herdensterben im Winter. Schon versuchen viele Hirten ihre Tiere zu verkaufen. Die Fleischpreise sind im Keller, guter Rat teuer. Die Saiga-Antilope gilt vielen Hirten da nur als unnötige Konkurrenz um die knappe Ressource.

Irgendwann rollen wir auf ein einsames Ger in der Steppe zu. Hier wohnt Tuvandorj. Der 45jährige Hirte arbeitet quasi nebenberuflich als Saiga-Ranger des WWF, beobachtet, zählt, dokumentiert, meldet Wilderei. Die Saiga ist bei den Nomaden nicht nur unbeliebt, mit ihren bis zu einem halben Meter langen Hörnern lässt sich auch viel Geld verdienen, über der Grenze, in China. Die Hörner sind wegen ihrer angeblichen medizinischen Wirkung hoch begehrt, noch mehr seit die Saiga-Verwandten aus Kasachstan von einer rätselhaften Epidemie fast ausgelöscht wurden.

Bei den Saiga-Rangern in der Mongolei
Tuvandorj lädt uns in sein Ger ein. Sein Freund und Kollege Dogsom — auch er einer der elf vom WWF bezahlten Hirtenrangern — ist gekommen. Sie freuen sich sehr über den Besuch aus der Ferne. Deutschland, damit verbinden sie eigentlich nur Michael Schuhmacher, sagen die beiden. Und sie wollen wissen, wie es denn den Hirten in Deutschland gehe.
Wir haben ihnen warme, winterfeste Rangerjacken mitgebracht. Sie schwören zwar auf ihre traditionelle Kleidung für den Winter, bei ihrer Arbeit wollen sie aber die dickgefütterte Uniform anziehen. Stolz zeigen sie uns ihr Motorrad, das der WWF zur Hälfte bezahlt hat. Beim Essen erzählen sie von den Saigas, ihrer Arbeit und wie sie aber auch von anderen Hirten dafür angefeindet würden. Dabei werden Schafknochen geräuschvoll abgenagt, am Buttertee geschlürft. Wildereifälle gab es in den letzten Jahren nur noch ein paar Dutzend. Zu viele, aber nicht existenziell bedrohend für die Saigas. Es ist fraglos ein Erfolg der WWF-Hirtenranger. Tuvendorj und Dogsom wünschen sich noch dringend ein paar mehr Kollegen. Dann, so meinen sie, könnte wirklich die gesamte Munkhan Senke überwacht werden.
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