Bundestag und der Bundesrat haben das Kohleausstiegsgesetz und das Gesetz zur Unterstützung des Strukturwandels der Kohleregionen verabschiedet. Nach vielen Jahren Arbeit zum Kohleausstieg ist das aber für mich leider kein Grund zum Feiern.
Milliarden als Entschädigung im Kohleausstiegsgesetz
Die Bundesregierung hat das Kapitel Kohle eben nicht angemessen geschlossen. Die Braunkohlekraftwerksbetreiber bekommen mehr als vier Milliarden Euro Entschädigung. Viel Steuergeld für einen völlig unzureichenden, viel zu langsamen Ausstieg.
Damit könnte ich noch leben, wenn dafür beherzt neue Seiten im Klimaschutz aufgeschlagen worden wären. Der Fahrplan zum Ausstieg 2038 ist aber leider eine besonders auf der Klimaschutzseite schwache Umsetzung des ohnehin schon schwachen Kohlekompromisses.
Klar war immer: Es ist ein diffiziler Deal aus den Interessen von Klimaschutz, Betreibern, Arbeitnehmern und den Regionen. Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Alle Seiten konnten etwas mehr rausholen, der Klimaschutz weniger. Es war aus Klimaschutzperspektive nie entscheidend, wann das letzte Kraftwerk vom Netz geht — sondern, dass möglichst früh möglichst viele gehen. Mindestens stetig, wie die Kommission vorschlug. Das ist nun insbesondere bei der Braunkohle dezidiert anders. Möglichst viele Gigawatt gehen jetzt möglichst spät vom Netz. Die CO2-Emissionen der Kohleverstromung werden sehr hoch bleiben. Gegenüber dem Kompromiss der Kohlekommission werden bis zu 130 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich emittiert. Die Hälfte aller Braunkohlekraftwerke soll erst nach 2030 vom Netz gehen. Das ist wirklich wenig Klimaschutz angesichts der Milliarden für die Kraftwerksbetreiber.
Der Weg müsste ein anderer Sein
Über einen Stillegungspfad in Verbindung mit einem CO2-Mindestpreis wäre mehr Klimaschutz für deutlich weniger öffentliche Gelder zu haben. Gelegenheiten zur Einführung eines CO2-Mindestpreises mit den europäischen Partnern gab es. Schon heute ist ein Großteil der Kraftwerke nicht mehr rentabel beim gegenwärtigen CO2-Preis. Das ist im Prinzip das größte Problem des Gesetzes: Es ist bereits am ersten Geltungstag überholt von den Realitäten: Der Realität des Strom- und CO2-Marktes, der Realität eines Neustartes nach der Corona, der Realität der Erfordernisse des Green Deals. Und der Erhöhung der Klimabeiträge der Vertragsparteien im Pariser Abkommen. Der Kohleausstieg kommt. Wie und wann er letztendlich abgeschlossen wird, ist mit dem heutigen Tag nicht endgültig entschieden.
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Wichtig ist: Das Strukturstärkungsgesetz befähigt die Regionen den Strukturwandel voranzutreiben. Klarheit über das Ende der Kohleverstromung ist die entscheidende Voraussetzung für das Gelingen des Strukturwandels. Das löst das Kohleausstiegsgesetz jetzt zwar ein, aber der sehr lange und späte Abschied von der Braunkohle insbesondere in der Lausitz erschwert den frischen Schwung für die Regionen. Denn erstmal bleibt noch sehr lange alles wie es ist.
Auch im Strukturstärkungsgesetz zementieren viele Mittel eher die fossilen Infrastrukturen als die klimafreundliche Transformation der lokalen Wirtschaft, Beteiligung der Bürger:innen und Bürger an Strukturwandel und Energiewende. Selbst in den letzten Änderungen diese Woche wurden beispielsweise noch Radverkehrsförderung gestrichen.
Chance vertan
Dieses Kohleausstiegsgesetz befriedet weder die vielen Konflikte um die Kohle, noch bringt es den notwendigen Schwung für Klimaschutz und Energiewende. Die Geltungszeit des Kohleausstiegsgesetzes beginnt mit mehr Kohle, mit der umstrittenen Inbetriebnahme von Datteln IV. Es sorgt außerdem dafür, dass noch immer die Heimat vieler Menschen in mehreren Dörfern im Namen einer vermeintlichen „energiepolitischen Notwendigkeit“ preisgegeben und abgebaggert werden sollen. So bleibt der Konflikt um die Kohle auch nach dem beschlossenen Ausstieg weiter auf der Tagesordnung.
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