Der Luchs ist bei uns streng geschützt – und doch werden die Katzen immer wieder illegal getötet. Erst Ende April 2016 wurde ein totes Luchsweibchen im Harz gefunden. Das macht mich gleichzeitig wütend und besorgt. Wir haben eine hohe Belohnung ausgesetzt, denn: Solche Straftaten müssen endlich besser geahndet werden!
Im Harz ist das die erste illegale Tötung eines Luchses, von der wir wissen. Aber aus dem Bayerischen Wald zum Beispiel sind uns Abschüsse und Vergiftungen von Luchsen leider schon lange sehr gut bekannt.
Den Luchsen auf der Spur
Mit einem kleinen WWF-Team sind wir im Bayerischen Wald – hier, wo die Luchse unseren Schutz besonders brauchen. Der Wind pfeift eisig, Sonne und Schnee wechseln sich ab. Die Gegend ist bekannt für ihre langen Winter, und jetzt – Ende April – macht der Monat seinem Namen alle Ehre.
Zwischen bemoosten Felsen klettern wir immer weiter in den unberührt wirkenden Wald hinauf. Dann stehen wir auf einer Anhöhe mit weitem Blick über die bewaldete Berglandschaft. „Das alles hier gehört zwei Luchsen, die Streifgebiete der Tiere sind riesig!“ Biologin Sybille Wölfl deutet mit ihren Armen auf die enorme Fläche, die vor uns liegt. Sie lebt ganz in der Nähe in einer kleinen Ansiedelung mit ganzen fünf Nachbarn und beobachtet die Luchse mit Hilfe von Kamerafallen.
Das Rätsel der verschwundenen Luchse
Insgesamt leben im Bayerischen Wald 10 bis 20 Luchse. Doch es müssten eigentlich viel mehr sein, denn jedes Jahr werden hier bis zu 12 Luchse geboren. Nun ist die natürliche Jungensterblichkeit bei Luchsen ohnehin recht hoch, dazu kommen aber noch überfahrene Tiere und illegale Tötungen.
Sybille Wölfl zeigt uns Bilder von einem männlichen Luchs, den sie Leo getauft hatte. Plötzlich war er verschwunden, gefunden wurde er nie. „Wenn ein Luchs für mehrere Monate nicht mehr auf den Fotofallen nachgewiesen wird, liegt die Vermutung nahe, dass er gewildert wurde. Denn hat ein Luchs einmal ein Revier gefunden, gibt er es von alleine nicht wieder auf.“ Man merkt der Biologin an, wie hart es für sie ist, immer wieder Luchse zu verlieren. In den letzten sechs Jahren sind allein in Bayern mindestens fünf Luchse getötet worden. Weitere 14 gelten als verschollen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie illegal getötet wurden, ist hoch.
Luchse vor der Kamera
Immer weiter geht es durch den felsigen Wald, immer steiler nach oben. „Luchse lieben Felsen,“ Sybille Wölfl bückt sich plötzlich und riecht an einer schroffen Felskante. „Das ist eine Markierstelle, hier werden Informationen ausgetauscht, wie auf einer Pinnwand.“ Als wir näher hinsehen, entdecken wir gegenüber zwei dunkelgrüne Metallkästen, etwa auf Kniehöhe an Bäumen angebracht. Darin zwei Kameras, die auslösen, wenn sich etwas bewegt. Uns werden sie nun auch schon fotografiert haben. „An guten Standorten wie diesen läuft etwa alle vier Wochen ein Luchs vor die Linse,“ erklärt die Biologin und macht sich daran, die Speicherkarten aus den Geräten zu holen. Auch hier in diesem unwegsamen Gelände hat sie die Kameras mit Ketten und Vorhängeschlössern gegen Diebe gesichert.
Jeder Luchs hat einen Namen
Die Kamerafallen hängen sich fast gegenüber und fotografieren die Luchse von beiden Seiten. Anhand ihrer Fellzeichnung kann man die Tiere voneinander unterscheiden und identifizieren. Sybille Wölfl dokumentiert für das Luchsprojekt Bayern hier seit neun Jahren jeden einzelnen Luchs. Dafür gibt sie ihnen auch Namen: Vroni und Veit zum Beispiel, oder auch Schlacks, Kleine Pfote und Gestiefelter Kater.
Der WWF unterstützt das Fotofallen-Monitoring der Luchse, denn so können wir herausfinden, wo es Luchse gibt, wie viele es sind und ob sich ihr Bestand gut entwickelt — oder eben nicht, wie hier im Bayerischen Wald. Das gibt uns wichtiges Wissen für die richtigen Schutzmaßnahmen. Würde man die Luchszahlen gar nicht erfassen, so würde man auch nicht merken, dass die Tiere spurlos verschwinden.
Tiere kennen keine Grenzen
„Fuchs, Reh, Wildschwein, Hund, Mensch, Mensch, Rehbock…“, die Biologin kommentiert, was sie auf den Bildern aus der Kamerafalle sieht. Ein Luchs ist dieses Mal leider nicht dabei. Inzwischen hat es angefangen zu schneien. Perfekte Spurbedingungen. Aber die einzigen Spuren, die wir sehen, sind unsere eigenen und die von Sybille Wölfls Hündin Maya.
Wir sind jetzt nur noch etwa 400 Meter von der tschechischen Grenze entfernt, auf der anderen Seite liegt das Landschaftsschutzgebiet Sumava. Den Luchsen ist das natürlich egal. Hier wird ganz deutlich, wie wichtig eine grenzübergreifende Zusammenarbeit und europäische Naturschutz-Richtlinien sind: Der Luchs profitiert genau wie der Wolf von den europäischen Schutzbestimmungen. Er darf nicht mehr bejagt werden und alle Mitgliedsstaaten der EU – auch Deutschland – sind verpflichtet, für einen sogenannten guten Erhaltungszustand der Tiere zu sorgen.
Kamerafalle: Tiere — und Menschen auf allen Vieren
Biologin Sybille Wölfl kniet im Schnee und wechselt routiniert die Speicherkarten von zwei weiteren Kamerafallen. „Viel ist hier nicht passiert,“ sagt sie mit Blick auf ihr kleines Kartenlesegerät. Auch diese Kameras sind mit Schlössern gesichert. Kommen hier denn wirklich Menschen vorbei? „Der Mensch ist die Tierart, die ich am meisten drauf hab,“ erwidert die Biologin. „Anfangs schauten viele verwundert in die Kamera. Inzwischen winken sie vergnügt hinein oder krabbeln sogar auf allen Vieren vorbei.“
Fotos mit Menschen löscht sie aus Datenschutzgründen gleich. So können wir niemanden auf allen Vieren bewundern – und dieses Mal leider auch keinen Luchs. Es sind eben sehr seltene und sehr heimliche Tiere. In den ganzen neun Jahren hier im Bayerischen Wald hat Sybille Wölfl neben einigen Spuren und vielen Fotos erst einen Luchs persönlich gesehen: „Ganz kurz, zwei Ohren, zwei Augen und dann war er schon wieder weg. Aber man lebt ja vom Gedanken daran, dass sie hier um einen herum sind.“
Helft uns, die Luchse zu schützen: Werdet Pate!
Servus Moritz,
Dann hast du die Sybille jetzt auch kennengelernt. Ich hatte letztes Jahr im November beim Einführungsseminar für’s Netzwerk das Vergnügen im bayrischen Wald 🙂
LGe Stephan
Ich habe diesen Beitrag mit großem Interesse und Freude gelesen — diese wunderbaren Tiere wieder heimisch zu machen ist eine wichtige Aufgabe und für Sybille und anderen Beteiligten als Biologen sicher ein Traumjob. Und immer, wenn sich Menschen mit ganzem Herzen und Einsatz hinter ihrer Tätigkeit stehen, sind Niederlagen und Verluste schmerzhaft und nur schwer hinzunehmen.
Wenn bei den Luchsen jährlich 12 Jungtiere hinzukommen, ist der Verlust von einigen sicher unvermeidlich — wenn aber über die Jahre praktisch überhaupt kein Zuwachs zu verzeichnen ist, so ist dies aus meiner Sicht ein Desaster, gegen das unbedingt Maßnahmen ergriffen werden sollten, die auch sichtbar zu Ergebnissen führen.
Vielleicht beurteile ich das als Außenstehender falsch, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass nur tierhassende Psychopathen hier ihr Unwesen treiben. Vielmehr vermute ich, dass es um die wundervollen Felle der Luchse geht, die in Osteuropa sicher hohe Preise erzielen. Sollte meine Vermutung richtig sein, kann ich nur empfehlen, in einer langfristigen und gezielten Aktion den Tieren nachzustellen, sie einzufangen und mit wasserfesten, grellen Farben einige Punkte auf den Pelz zu setzen, so dass die Felle unbrauchbar werden. Bei dieser Gelegenheit könnten auch andere Daten erhoben und Ursachen wie Krankheiten, eventuelle Unterernährung durch mangelndes Futterangebot in diesem Gebiet, Abwanderung überprüft werden. Wie gesagt, ich bin nur ein Laie und vielleicht liege ich ja völlig falsch — aber dieser Beitrag über das Schicksal der Luchse, und anders kann man die Vorgänge kaum noch bezeichnen, hat mich sehr berührt — und auf irgendeinem Wege sollte wirklich etwas unternommen werden.
Sabine E. Körner 04.05.2016
Hallo Sabine, danke für deinen Kommentar! Sicher sind die Gründe für die Luchstötungen vielfältig. Wir gehen aber davon aus, dass es vordergründig nicht um die Felle geht, sondern häufig um eine Abneigung gegenüber den Tieren oder das, wofür sie stehen:
Dass die Natur nach Deutschland zurückkehrt und sich mancherorts frei von menschlicher Kontrolle wieder entwickeln dürfen soll.
Zudem wäre es viel zu aufwändig, jeden einzelnen Luchs einzufangen. Wenige Luchse werden jährlich gefangen, um sie mit einem Senderhalsband auszustatten. Manchmal braucht es viele Wochen, bis die Wissenschaftler ein Tier fangen können. Die Luchse, die mit einem Senderhalsband ausgestattet werden, untersucht man im Übrigen auch gesundheitlich. Man vermisst sie und nimmt ihnen Blut ab, etc.
Viele Grüße!