Das Schilf rauscht im Wind. Geschnatter. Hunderte, tausende, sehr viele Vögel schaukeln auf dem Grimnitzsee. Verschiedene Arten von Gänsen, Enten, die Blässhühner sind gar nicht mehr einzeln zu sehen, sie bilden quasi einen schwarzen Kreis auf dem Wasser. Etwas dahinter auf dem Felsen wartet ein Seeadler darauf, dass er hungrig genug ist, um sich zu bewegen. Dass sich eine günstige Gelegenheit bietet. Am frühen Abend fliegen dann die Kraniche ein, die schon den ganzen Nachmittag mit ihrem charakteristischen Trompeten am Himmel zu hören sind. Sie schlafen dann stehend im Wasser. Das schützt sie vor Fressfeinden wie dem Fuchs.
Jetzt im Herbst ist vielleicht die spektakulärste Zeit für Naturerlebnisse in unseren Breiten. Die Blätter leuchten in den schönsten Farben, Pilze schießen aus dem Boden, geschäftig sammeln überall die Eichhörnchen ihre Wintervorräte, in der Dämmerung röhren die Hirsche. Und es ist die Zeit der Kraniche. wenn sie sich in großen Gruppen für den langen Weiterflug in den Süden sammeln. Man muss kein Ornithologe sein, um von diesem Naturschauspiel gepackt zu werden.
Aktuell rasten in Deutschland viele zehntausend Kraniche in den wasserreichen Gebieten Nord- und Mitteldeutschlands. Dort wo sie finden, was sie brauchen: Feuchtgebiete. Also flache Teiche, Sümpfe, Moore oder weite, nasse Felder. Am Tage sieht man die Vögel auf abgeernteten Äckern und Wiesen nach Futter suchen, abends kehren sie in großen Scharen in ihre Schlafgewässer zurück.
Hier am Grimnitzsee bei Joachimsthal sind es mehrere tausend Kraniche. In Linum sind es noch viel mehr. Der kleine Ort in Brandenburg ist einer der größten Kranichrastplätze Europas. Hier wurden an manchen Tagen schon über 80.000 Exemplare gezählt.
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15 Kranicharten gibt es weltweit. Die einzige in Europa vorkommende Art ist der Graue Kranich (Grus Grus). Der ist mit seiner Größe von bis zu 1,30 Meter der größte Vogel Europas. Kraniche gehören zu den besten Langstreckenfliegern der Welt. Sie fliegen bis zu 130 Stundenkilometer schnell und bis zu 4000 Meter hoch. Manche Vögel fliegen bis zu 6.000 Kilometer weit!
Der Vogel des Glücks
Der Mensch war schon immer von den Kranichen fasziniert. Er spielt seine Rolle in den Mythologien der Griechen und Kelten, Kraniche kommen bei Homer und Aristoteles vor. In China waren sie ein Symbol für Weisheit und langes Leben. In Japan sind Papierkraniche Glücksbringer und sogar Symbol der Antiatomwaffenbewegung.
Kraniche brauchen Feuchtgebiete
Die Faszination des Menschen half den Kranichen in Europa aber zunächst einmal nicht. Großflächige Entwässerungen, aber auch Bejagung drängten die ursprünglich in Europa weit verbreiteten Vögel nach Norden zurück. Ihr Hauptverbreitungsgebiet haben sie heute in Skandinavien, im Baltikum und im nördlichen Russland.
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Der WWF begann schon 1973 ein Kranichschutz-Projekt in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Feuchtgebiete wurden renaturiert und Ruhezonen gesichert. Mit Naturschutzprojekten wie diesen konnte der Rückgang gestoppt werden. Seit den 1980er Jahren Jahre hat sich der Bestand der Kraniche vervielfacht.
Trockenheit setzt den Kranichen — auch 2021!
In den letzten Jahren setzt aber die Klimakrise den Kranichen zu. Auch bei Kranichen liegt es an der Trockenheit: Es gibt immer weniger Brutplätze und weniger Nahrung für die Kraniche. Auch nach dem eher feuchten Sommer 2021 sind in den meisten Brutgebieten Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs zu wenige Jungvögel aufgewachsen. Hauptursache ist der vor allem zur Brutsaison im Frühjahr zu niedrige Wasserstand.
Wo kann man Kraniche sehen – und was gibt es zu beachten?
Noch gibt es trotzdem eindrucksvoll viele Kraniche zu sehen. Jetzt im Herbst werden viele Führungen und Kranichbeoachtungen angeboten. Wie in Wannichen bei Luckau, bei den Altfriedländer Teichen in Brandenburg, am Grimnitzsee, im Nationalpark Unteres Odertal oder in Linum. So kann der Laie auch kleinere Zugvögel wie Kiebitz, Kampfläufer und Bekassine erkennen.
- Wer es einrichten kann, am besten an einem Wochentag kommen, dann ist der Andrang nicht ganz so groß.
- Wichtig: Möglichst respektvoll und ruhig verhalten, um die Vögel nicht zu stören.
- Fernglas nicht vergessen! Kraniche sind sehr scheu und fliegen schon bei einer Annäherung auf etwa 300 Metern auf.
Keine Zeit? Doch zu viel anderes vor? Dann ein wenig Geduld. Von Anfang März bis Anfang April sind die Kraniche wieder auf ihrem Weg zurück in die Brutheimat nach Osteuropa und in Skandinavien. Dann gibt es allerdings noch etwas anderes zu sehen: den “Tanz” der Kraniche, den die balzenden Vögel in der Paarungszeit mit Federschlag und lautem Trompeten aufführen.
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