Der Rechnungslegungsansatz der Unternehmensinitiative Value Balancing Alliance (VBA) ist eben nicht nachhaltig. Auch wenn er genau dies behauptet.
Kürzlich haben wir hier berichtet, dass Unternehmen effektive Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Kontext der planetaren Grenzen einordnen müssen. Dafür müssen sie mindestens wissenschaftlich-fundiert und zukunftsgerichtet sein. Heute zeigen wir, dass ein weit verbreiteter Ansatz, der Ansatz der Value Balancing Alliance (VBA), nicht diesen Kriterien entspricht.
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Die VBA ist ein Netzwerk aus 23 großen Unternehmen wie etwa BASF, Deutsche Bank oder Porsche). Die VBA entwickelt aktuell einen Ansatz, den es als globalen Standard etablieren und in Gesetze überführen möchte. Ziel ist es laut eigenen Angaben, eine Methodik bereitzustellen, die den positiven und negativen Wert von Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt misst. Damit wolle man Entscheider:innen ein Steuerungswerkzeug für mehr Nachhaltigkeit an die Hand geben.
Eine detaillierte Vorstellung des VBA ‑Ansatzes findet ihr hier.
Leider ist der VBA mangelhaft
Der Ansatz der VBA ist aber ungeeignet, um die selbst formulierten Ziele zu erreichen. Er sagt eben nicht aus, ob ein Unternehmen tatsächlich positiv oder negativ wirkt. Für uns ist ganz klar: Der VBA ist daher für die Unternehmenssteuerung nicht hilfreich.
Warum der VBA-Ansatz mangelhaft ist
Die planetaren Grenzen sind nicht berücksichtigt
Dem VBA-Ansatz fehlen jegliche Bezüge zu den planetaren Belastungsgrenzen der Erde. Stattdessen berechnet und normiert der VBA-Ansatz monetäre Werte für die Unternehmenswirkung in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Soziales (Siehe Beispiel in Abbildung 1). Im Ergebnis wird ein Geldbetrag ausgewiesen, der beispielsweise die ausgestoßenen Treibhausgasemissionen beziffert. Dieser Wert ist kaum interpretierbar. Es bleibt vollkommen unklar, ob der Wert – und damit die dahinterstehende unternehmerische Aktivität – im Einklang mit den planetaren Grenzen oder dem 1,5‑Grad-Limit steht.
Der Ansatz der VBA setzt Umwelt, Wirtschaft und Soziales gleich
Darüber hinaus sendet der Ansatz der VBA die fatale Botschaft, dass negative Einflüsse etwa durch Klimazerstörung, durch positive Beiträge wie die Zahlung von Managementgehältern (Kategorie „Löhne“) oder Steuerzahlungen kompensiert werden könnten. Es werden Äpfel mit Birnen verglichen, wenn durch die Normierung eine in der Realität nicht-existierende Gleichheit von Wirtschaft, Sozialem und Umwelt hergestellt wird.
Das hat absurde Konsequenzen: Es suggeriert, dass „positive“ Beiträge und „negative“ Impacts gegeneinander verrechnet werden könnten. So könnte der Verlust von Menschenleben (wird im VBA-Ansatz mit vier Millionen US-Dollar bewertet), zum Beispiel in Folge eines Arbeitsunfalls, unternehmerischen Profiten oder Gehältern gegenübergestellt werden. Auch könnte ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell ausschließlich aus Kohleverstromung besteht, eine insgesamt positive Bilanz nach dem VBA-Ansatz ausweisen.
Auch wenn die VBA empfiehlt, dass ein solches Aufrechnen wegen der Gefahr von Greenwashing vermieden werden sollte, nutzen es VBA-Unternehmen in der Praxis doch in ihrer Kommunikation. Etwa wenn BASF schreibt, dass die positiven Effekte die negativen Effekte auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette klar übersteigen.
VBA ist weder zukunftsgerichtet, noch wissenschaftlich basiert
Der Ansatz fährt nur mit dem Blick in den Rückspiegel. Er lässt lediglich Aussagen über die Vergangenheit zu. Weder bezieht sich die Methodik auf wissenschaftsfundierte Nachhaltigkeits-Ziele, noch auf daraus abgeleitete Transformationspfade. Damit ist unmöglich zu sagen, ob ein Unternehmen tatsächlich zukunftsfähig aufgestellt ist. Die Veränderungsfähigkeit von Unternehmen und die Frage, ob sie glaubwürdige Pläne haben, um beispielsweise auf einen 1,5‑Grad-Pfad zu kommen, werden nicht berücksichtigt.
Höchst problematisch ist zudem ein weiterer Punkt: Der Ansatz bemisst zukünftige Schäden nicht nur ohne Bezug zu planetaren Tragfähigkeiten, sondern er spricht ihnen durch die Anwendung von sogenannten Diskontraten sogar einen geringeren Wert zu als gleichwertigen Schäden in der Gegenwart. Das heißt: Kosten, die in fernen Jahrzehnten entstehen, werden nur mit einem Bruchteil ihrer tatsächlichen derzeitigen Kosten bewertet.
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Zum Beispiel wird ein heute verursachter Umweltschaden in Höhe von 500 Euro, der erst in 50 Jahren spürbar wird, nur mit knapp 90 Euro bewertet. Dabei ist davon auszugehen, dass die realen Effekte, zum Beispiel für das Klima, gleich sind. Denn schließlich verursacht eine Tonne Treibhausgase heute den gleichen Schaden wie in einem halben Jahrhundert. Somit ist der Ansatz strukturell nicht in der Lage, steuerungsrelevante Abwägungen für die Zukunft zu leisten und einen echten Veränderungsprozess einzuleiten
Der VBA-Ansatz ist nicht entscheidungsrelevant
Unsere heutige Art des Wirtschaftens entscheidet darüber, wie schwerwiegend die Folgen der Erderhitzung und des Biodiversitätsverlusts für zukünftige Generationen sein werden. Wir müssen viel exakter als bislang zu erfassen, welche Auswirkungen Unternehmen auf Klima und Umwelt haben. Eine Berichterstattung, die zur Steuerung von Unternehmen in Bezug auf eine nachhaltige Wirtschaft dienen soll, muss zukunftsgerichtet und wissenschaftlich basiert sein. Aus rein vergangenheitsbasierten Informationen lassen sich keine fundierten Entscheidungen ableiten. Unternehmerische Steuerung für mehr Nachhaltigkeit ist so nicht möglich.
Fazit: Der VBA-Ansatz – untauglich für mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen!
Trotz dieser Mängel wird die Arbeit der VBA bisher unkritisch in Öffentlichkeit und Politik begleitet. Die Initiative und ihrer zentralen Akteure gestalten an relevanten Stellen sogar aktuelle europäische Gesetzgebung im Bereich des Nachhaltigkeitsreportings mit. Zum Beispiel als Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung, der EU Platform on Sustainable Finance und der G7 Impact Taskforce. Die Weiterentwicklung des Ansatzes wird zudem von der EU-Kommission gefördert. Und auch die offizielle Bewerbung Frankfurts als Sitz des International Sustainability Standards Board, das zukünftig globale Mindeststandards im Bereich der finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung setzen soll, wurde von der VBA unterstützt.
Bestenfalls nutzlos
Wir müssen dringend sicherstellen, dass der nicht ausgereifte und nicht zu Ende gedachte Ansatz der VBA keinen Einzug in aktuelle oder geplante Regulierung findet. Eine gesetzliche Verankerung des VBA-Ansatzes gäbe Unternehmen ein bestenfalls nutzloses Werkzeug an die Hand, mit dem sich Unternehmen nicht-nachhaltige Geschäfte schönrechnen könnten.
So ein Standard würde keinen relevanten Beitrag zu Nachhaltigkeits- und Klimazielen leisten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass fundierte und sachgerechte Ansätze, wie sie derzeit auf europäischer und internationaler Ebene entwickelt werden – zum Beispiel von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) — behindert oder verwässert werden. Anspruch muss es sein, bei der Integration von ESG-Faktoren in die Rechnungslegung eine zukunftsgerichtete Steuerungsfähigkeit zu etablieren.
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