Ostafrika erlebt derzeit die schlimmste Heuschreckenplage seit Langem. Milliarden von Wüstenheuschrecken fressen ganze Landstriche leer – eine Katastrophe für die Menschen, die Landwirtschaft und das Ökosystem. Doch Heuschrecken sind nicht die einzigen Tiere, die zur Plage werden können. Beispiele von Tierplagen finden sich an Land, unter Wasser, in der Luft.
Wann sind Tiere eine Plage?
Grundsätzlich sollte kein Lebewesen als Plage bezeichnet werden. Schließlich liegt der Grund für das Auftreten sogenannter Plagen oft nicht in den Tierarten selbst, sondern in den gestörten Umweltbedingungen, oft durch uns Menschen. Trotzdem: Für ein Ökosystem kann das unkontrollierte Vermehren einer einzelnen Tierart verheerende Folgen haben. Tiere, die plötzlich in Massen auftreten, verdrängen ihre Konkurrenten, fressen ihre Beutetiere auf oder grasen ganze Landschaften ab. Kurz: Wenn es von einer Tierart plötzlich viel zu viel gibt, kann dies das ganze Ökosystem langfristig verändern.
Exkurs: Stare in Rom sind keine Plage!
Der Begriff Tierplage ist natürlich durch und durch anthropozentrisch, das heißt vom Menschen her gedacht. Wir beschreiben Tiere dann als Plage, wenn sie uns zur Last fallen, wenn sie für uns ungemütlich werden oder wenn wir schlicht keine Lust haben, mit ihnen den Lebensraum zu teilen. So halten viele Römer:innen die Stare, die sich im Oktober zu Abertausenden in ihrer Stadt einfinden, für eine absolute Plage. Klar, die Straßen am Tiber sind im Herbst rutschig, stinkend und laut. Aber zum Stadt-Ökosystem Rom gehören die herbstliche Starscharen meiner Meinung nach fest dazu, ihr Schwarmverhalten ist einfach zu eindrucksvoll. Seht selbst:
Wie entstehen Tierplagen?
Spricht man mit Biolog:innen über Tierplagen, dann fällt schnell der Begriff der „biologischen Invasion“. Das klingt ziemlich militärisch und ist deshalb unangebracht. Schließlich nehmen sich die Tiere ja nicht bewusst vor, eine Landschaft platt zu machen – sie leben einfach. Was damit aber ausgedrückt werden soll, ist, dass sich bestimmte Tiere in Gebieten ausbreiten, in denen sie vorher nicht heimisch waren. Da treffen sie auf die dortige Artenvielfalt und können sie möglicherweise auch negativ beeinflussen. Solche invasiven Tierarten nennt man auch Neobiota, also neuartige Organismen. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat die invasiven Tierarten sogar in einer globalen Datenbank zusammengefasst. Doch wie kommen solche „Invasionen“ zustande?
Verursacher: Mensch
Tatsächlich sind meist wir Menschen dafür verantwortlich, dass sich Tiere in Gebieten vermehren, in die sie eigentlich nicht gehören. Früher gelangten Ratten und Katzen von europäischen Schiffen auf tropische Inseln, wo sie zahlreiche heimische Insel-Vogelarten ausrotteten. Heute fliegen Spinnen in Bananenkisten (der Klassiker!) um die halbe Welt. Die Globalisierung macht eben nicht vor dem Tierreich halt – nur bekommen wir davon nicht mehr Artenvielfalt, sondern sorgen dafür, dass überall ähnliche, häufige Arten vorkommen, seltene aber verschwinden. Fachmenschen sprechen von der Homogenisierung der Flora und Fauna unserer Erde.
Aber auch der menschengemachte Klimawandel sorgt dafür, dass sich Tiere außerhalb ihrer normalen Lebenszyklen rasant vermehrten können. Durch die Erderhitzung werden Wetterereignisse extremer und das kann dazu führen, dass die Ausbreitung bestimmter Tierarten begünstigt wird.
Fünf Tierplagen und ihre Ursachen
Afrikanische Riesenschnecke: Die große Achatschnecke
Sie ist so groß wie eine Ratte und knabbert am liebsten an Hauswänden: Die Afrikanische Riesenschnecke hat sich in einigen Teilen der USA zur Plage entwickelt. Laut Medienberichten brachte ein kleiner Junge in den 60er-Jahren drei Riesenschnecken aus dem Urlaub mit nach Florida. Rasch entwickelte sich eine Schneckenplage, die sich an kalkhaltigen Hauswänden zu schaffen machte oder Mülleimer anfraß. Die Behörden schafften es zwar, die Schnecken nach Jahren auszurotten, doch 2011 tauchten sie wieder auf…
Tierplagen aus der Luft: Heuschrecken
Schon die Bibel berichtet von einer gigantischen Heuschreckenplage, die Gott als Achte seiner zehn Plagen zu den Ägyptern schickte, weil diese die Flucht der Israeliten verhindern wollten. Tatsächlich sind Heuschreckenplagen nicht selten, da Wanderheuschrecken sich zu riesigen Schwärmen zusammenschließen, um gemeinsam neue Fressgebiete zu „erwandern“. Vor allem in afrikanischen Ländern fressen Massen von Heuschrecken immer wieder ganze Landstriche leer. Doch eine so gewaltige Heuschreckenplage, wie die Menschen in Ostafrika gegenwärtig erleben müssen, gab es lange nicht mehr. Fast drei Viertel der Fläche Kenias sind von den riesigen Heuschreckenschwärmen befallen und es ist kein Ende in Sicht.
Die sprunghafte Vermehrung von Heuschrecken liegt in ihrem Lebenszyklus begründet und ist eigentlich zu erwarten – doch Wissenschaftler:innen vermuten, dass auch an Heuschreckenplagen der Mensch nicht ganz unschuldig ist. Denn die menschengemachte Erderhitzung begünstigt Extremwetter, die wiederum beste Voraussetzungen für die Vermehrung der Heuschrecken bieten. So vermutet man, dass sich die Heuschrecken in Ostafrika nur durch die ungewöhnlich starken Regenfälle so sehr vermehren konnten. Die Zyklen der Heuschrecken mit ihren Massenvermehrungen werden also extremer durch uns Menschen.
Tierplagen unter Wasser: Königskrabbe
Ein weiteres Beispiel einer invasiven Art ist die Königskrabbe, die vor 60 Jahren durch eine russische Initiative in der Barentsee angesiedelt wurde. Man wollte in Moskau schneller und frischer Krabbenfleisch genießen. Das Problem: Die riesige, hartgepanzerte Königskrabbe hat dort keine natürlichen Fressfeinde und konnte sich daher immer weiter ausbreiten. Noch dazu wirkt sie als Allesfresser wie ein Staubsauger auf dem Meeresboden. Für marine Ökosysteme ist die ungehemmte Vermehrung der Riesenkrabben eine Katastrophe.
Eine Studie vermutet, dass sich Königskrabben durch die Klimakrise und die Erhitzung der Meere nun sogar bis in die antarktischen Flachmeere verbreiten könnten. Bisher lebten sie dort hauptsächlich im wärmeren Tiefenwasser. Doch die antarktischen Flachmeere erhitzen sich immer mehr und so können die Krabben langsam aufsteigen. Das kann ein Auslöschen der dortigen Meeresbewohner zur Folge haben, denn diese konnten sich bisher den Krabben nicht anpassen und sind ihnen somit schutzlos ausgeliefert.
Auf dem Weg zur Tierplage: Waschbären in Deutschland
Die niedlichen Waschbären könnten sich in Deutschland schon bald zu einer echten Plage entwickeln. 1934 wurden gezielt zwei Waschbären zur vermeintlichen Bereicherung der Tierwelt am Edersee ausgesetzt. Zudem wurden viele der Tiere aus Nordamerika zur Pelzzüchtung nach Deutschland gebracht. Ein paar der Waschbären entkamen aus den Pelzfarmen– man kann es ihnen nicht verdenken – und vermehrten sich fidel in der neuen Heimat. Heute sind sie für viele Menschen vor allem im Osten Deutschlands, in Hessen oder Bayern schon zur Plage geworden. Sie räumen Vogelnester aus, durchwühlen Mülltonnen oder setzen sich in Dachstühlen und Kaminen von Wohnhäusern fest. Dort beschädigen sie Dachisolierungen und sorgen wegen ihrer nächtlichen Lebensweise für schlaflose Nächte der Hausbewohner:innen.
Waschbären sind echte Allesfresser und haben keine natürlichen Feinde in Deutschland – die perfekten Voraussetzungen für ungehinderte Vermehrung. Artenschützer:innen befürchten daher, dass Waschbären zu einer Bedrohung für geschützte Arten wie Seeregenpfeifer, Uferschnepfe oder die Europäische Sumpfschildkröte, sowie aller Amphibien werden könnten.
Aga-Kröten in Australien
Australien ist ein Paradies für invasive Arten, weil viele unsere häufigen Arten dort nie vorkamen aber günstige Lebensverhältnisse vorfinden. Neue Arten wie Katzen oder Kaninchen wurden von europäischen Siedlern oder Seefahrern eingeschleppt und konnten sich aufgrund fehlender Fressfeinde ungehemmt ausbreiten. Doch vor allem die Aga-Kröte bereitet den Australier:innen Kopfzerbrechen.
Die giftige Riesenkröte wurde vor etwa 80 Jahren zur Bekämpfung einer Stockkäferplage nach Australien gebracht – und wurde schließlich selbst zur Plage. Mit möglichen Fressfeinden machen die Kröten durch den Gebrauch ihrer Giftdrüsen kurzen Prozess. So werden sie zur existentiellen Gefahr für einige Schlangen- und Leguanarten, die aus bestimmten Nationalparks bereits verschwunden sind.
Da es somit keine natürlichen Feinde der Aga-Kröten gibt, hilft man sich jetzt durch eine recht brutale Maßnahme: Politiker:innen laden regelmäßig zum Krötensammeln ein und bieten teilweise höchst fragwürdige Anreize, zum Beispiel zehn Cent Belohnung pro gesammelter Kröte. Die Tiere werden von Freiwilligen aufgeschnappt und in große Säcke gestopft. Kurz im Tiefkühlfach angefroren sind die Kröten wehrlos und werden mit einem Schlag auf den Kopf “human” getötet.
Fazit: Die Geister, die ich rief…
Wenn man diese Beispiele der Tierplagen der Neuzeit so betrachtet, kommt man nicht umhin, an Goethes Zauberlehrling zu denken: „Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los.“ Auch wir Menschen haben Arten in Gebieten angesiedelt, in denen sie die Natur nicht vorgesehen hatte. Jahre später stellen wir verzweifelt fest, dass wir der von uns geschaffenen Situation nicht mehr gewachsen sind. Doch anders als der Zauberlehrling können wir nicht auf einen Meister hoffen, der uns von unserer Not befreit.
Umso wichtiger ist die Prävention: Wir müssen die Ökosysteme um uns herum in ihrer Vielfalt und ihrer vollen Funktion erhalten! Dafür müssen wir Artenvielfalt in ihren ursprünglichen Lebensräumen erhalten, existierende Lebensräume schützen und miteinander verbinden. Und wir müssen mit aller Kraft gegen die menschengemachte Klimakrise vorgehen und die Erderhitzung begrenzen. Schließlich sind die durch uns weltweit veränderten Umweltbedingungen oft erst der Grund für vermeintlich Tierplagen – ob durch Massenvermehrung oder durch erfolgreiche biologische Invasionen.
Liebe Gesa Labahn,
Danke für diesen informativen, gut lesbaren / verständlichen Artikel, den ich auf meine Petition-Seite gesetzt habe -
Da kann man viel lernen —
https://www.change.org/p/tauben-untern-rettungsschirm-ins-bundestierschutzgesetz/u/31541985
Liebe Grüße Cornelia Merkel