Neo­zoen in Deutsch­land – 10 Arten, die sich bei uns (zu) wohl fühlen


Was bedeutet Neozoen?
Flamingos, Nandus, Wildhunde und Wollhandkrabben: Nezoen in Deutschland © IMAGO / imagebroker

Über die Fel­der Meck­len­burg-Vor­pom­merns weht eine typisch nord­deut­sche Bri­se, als mit lan­gen Bei­nen und Schrit­ten eini­ge Strau­ßen­vö­gel die Land­stra­ße que­ren, die man sonst in wär­me­ren Gefil­den ver­mu­ten wür­de. In Süd­ame­ri­ka genau­ge­nom­men. Denn es sind Nan­dus. Ursprüng­lich in Bra­si­li­en, Argen­ti­ni­en oder Para­gu­ay behei­ma­tet, bei uns ein­ge­schleppt und damit Neo­zoen in Deutsch­land.

Neo – was?

Ein Neo­zoon oder meh­re­re Neo­zoen sind Tie­re, die der Mensch in Lebens­räu­me gebracht hat, in denen sie vor­her nicht vor­ka­men. Absicht­lich oder unab­sicht­lich. Als blin­de Pas­sa­gie­re in Schif­fen oder Flug­zeu­gen, als Nutz- und Zucht­tie­re zum Bei­spiel für Pelz­tier­far­men – oder indi­rekt durch den Bau von Kanä­len, die eigent­lich getrenn­te Gewäs­ser mit­ein­an­der verbinden.

Wie die Nan­dus nach Meck­len­burg kamen

Wie verbreiten sich Neozoen?
Aus­bre­cher: Nan­dus wer­den hier­zu­lan­de für Federn und Haut gezüch­tet © IMAGO / BildFunkMV

Bis zu andert­halb Meter groß kön­nen die flug­un­fä­hi­gen Schreit­vö­gel wer­den: Vor gut 20 Jah­ren bra­chen sechs Nan­dus aus einem Gehe­ge bei Lübeck aus. Ihre Züch­ter bezwei­fel­ten, dass sie in der art­frem­den Umge­bung über­le­ben wür­den. Aber das taten sie. Und sie ver­mehr­ten sich – auf über 500 Tie­re zwi­schen Rat­ze­bur­ger See und Schaal­see. Die Bau­ern der Regi­on beklag­ten enor­me Schä­den an ihren Fel­dern. Doch gefähr­den die gefrä­ßi­gen, neu­en Vögel zum Bei­spiel auch unse­re Insek­ten­welt? Damit wären sie eine inva­si­ve Art.

Neo­zoon gleich inva­si­ve Art?

Nicht in jedem Fall. Als inva­siv gilt eine ein­ge­wan­der­te Art, wenn sie ein­hei­mi­sche Arten und Öko­sys­te­me bedroht. Zum Bei­spiel auch, weil ihr hier die natür­li­chen Fein­de feh­len. Die Nan­dus ste­hen auf der Grau­en Lis­te der Arten, bei denen man das noch nicht weiß, die aber Poten­ti­al zur inva­si­ven Art haben. Nach lan­ger Dis­kus­si­on darf die streng geschütz­te Art zur Bestands­re­gu­lie­rung bejagt wer­den. Da unse­re Win­ter den Tie­ren jedoch zuset­zen, könn­ten die Nan­dus in Deutsch­land even­tu­ell wie­der aussterben.

Sind Neozoen und invasive Arten das Gleiche?
Jun­ge Nord­ame­ri­ka­ni­sche Wasch­bä­ren im Leip­zi­ger Auwald © IMAGO / Star Media

Wasch­bä­ren: Mit die erfolg­reichs­ten Neo­zoen in Deutschland

Der Wasch­bär stammt ursprüng­lich aus Nord­ame­ri­ka und wur­de 1927 für die Pelz­zucht nach Deutsch­land ein­ge­führt. Kurz dar­auf setz­te ein Forst­meis­ter zwei Wasch­bär­paa­re am hes­si­schen Eder­see aus, damit sie sich für die Jagd ver­meh­ren. Das taten sie. Am Ende des zwei­ten Welt­krie­ges ent­ka­men außer­dem eini­ge Dut­zend Tie­re aus einer Pelz­farm bei Straus­berg, eini­ge Kilo­me­ter öst­lich von Berlin.

Die anpas­sungs­fä­hi­gen Alles­fres­ser ver­brei­te­ten sich schnell und kön­nen auch in Städ­ten über­le­ben. Schät­zungs­wei­se 1,3 Mil­lio­nen Wasch­bä­ren gibt es inzwi­schen bei uns in Deutsch­land. Sie fres­sen Obst, Nüs­se, Käfer, Krö­ten, Fische, aber auch Sumpf­schild­krö­ten und ihre Eier, sowie als gute Klet­te­rer Vögel, die sehr weit oben nis­ten. Inwie­weit die Wasch­bä­ren unse­ren hei­mi­schen Arten damit scha­den und ob es Sinn macht, sie wie­der zurück­zu­drän­gen, ist hoch umstritten.

Zum Ver­wech­seln: Kein Wasch­bär, son­dern ein Wildhund

Welche Neozoen gibt es in Deutschland?
Mar­der­hund — eng­lisch Racoon Dog, also Wasch­bär­hund © IMAGO / blickwinkel

Ihre Gesichts­zeich­nung ähnelt der von Wasch­bä­ren und so ist ihr eng­li­scher Name auch Rac­coon Dog, also Wasch­bär­hund. Bei uns hei­ßen sie Mar­der­hun­de und leben als Neo­zoen in unse­ren Wäl­dern und Feucht­ge­bie­ten, seit sie als Pelz­tie­re nach Russ­land gebracht, dann zu Hauf in der Ukrai­ne aus­ge­setzt wur­den und sich bis nach Süd­eu­ro­pa ausbreiteten.

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Ursprüng­lich stam­men die Wild­hun­de aus Ost­asi­en. Im Gegen­satz zum Wasch­bä­ren leben sie viel ver­steck­ter. Und sie haben kei­nen gerin­gel­ten Schwanz.

Welches sind die exotischsten Neozoen in Deutschland?
Rosa Fla­min­gos im Zwill­bro­cker Venn in Nord­rhein-West­fa­len © IMAGO / imagebroker

Rosa Neo­zoen im Müns­ter­land: Fla­min­gos aus den Anden

Es ist die nörd­lichs­te Fla­min­go­ko­lo­nie der Welt, die seit etwa 30 Jah­ren Nord­rhein-West­fa­lens Moor- und Hei­de­land­schaft an der nie­der­län­di­schen Gren­ze besie­delt. Abge­se­hen von eini­gen Euro­päi­schen Fla­min­gos, die aus Süd­frank­reich her­ge­flo­gen sein könn­ten, besteht die Kolo­nie haupt­säch­lich aus Chi­le­fla­min­gos aus Süd­ame­ri­ka. Unklar ist bis heu­te, wie sie hier­her­ge­kom­men sind. Ver­mut­lich sind sie aus Zoos oder pri­va­ter Hal­tung entwichen.

Gelb­kopf­ama­zo­nen: Bun­te Papa­gei­en in Stuttgart

Was ist ein Neozoon? Was sind Neozoen?
Gelb­kopf­ama­zo­ne im Rosen­stein­park in Stutt­gart © IMAGO / blickwinkel

Eben­falls exo­tisch, bunt gefie­dert und erstaun­li­cher­wei­se in unse­ren Brei­ten eta­bliert ist eine Popu­la­ti­on von Gelb­kopf­ama­zo­nen in Stutt­gart. Die Papa­gei­en­art kommt ursprüng­lich aus Mexi­ko und Zen­tral­ame­ri­ka, kann die mensch­li­che Stim­me nach­ah­men und ist in ihrer Hei­mat vom Aus­ster­ben bedroht. Den Ursprung der Neo­zoen-Popu­la­ti­on in Stutt­gart bil­de­ten eine ent­flo­ge­ne und eine aus­ge­wil­der­te Gelb­kopf­ama­zo­ne in der 1980er Jahren.

Hals­band­sit­ti­che: Häu­fi­ge Neo­zoen bei uns in Deutschland

Wie viele Neozoen gibt es in Deutschland?
Hals­band­sit­ti­che in Spey­er © IMAGO / imagebroker

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Weit häu­fi­ger und inzwi­schen in vie­len deut­schen Städ­ten ver­brei­tet sind die grü­nen Hals­band­sit­ti­che, deren Bestän­de eben­falls auf ent­flo­ge­ne Vögel zurück­ge­hen. Sie ste­hen als poten­ti­ell inva­siv unter Beob­ach­tung, weil sie mit hei­mi­schen Arten um Nah­rung und Nist­plät­ze konkurrieren.

Frem­de Was­ser­rat­ten: Nut­ria und Bisam

Die Nut­ria, auch Biber­rat­te genannt, stammt aus Süd­ame­ri­ka, die Bisam­rat­te aus Nord­ame­ri­ka. Bei­de wur­den für die Pelz­zucht nach Euro­pa ein­ge­führt, doch häu­fig aus­ge­setzt, als die Nach­fra­ge sank und die Prei­se fielen.

Wie viele Neozoen gibt es in Deutschland?
Nut­ria (links) und Bisam­rat­te © IMAGO / HJS / blickwinkel

Nut­ri­as wer­den gute 60 Zen­ti­me­ter lang und leben heu­te an vie­len deut­schen Gewäs­sern, vor allem ent­lang des Nie­der­rheins und im Spree­wald. Mehr als 100.000 Nut­ri­as wur­den zuletzt in einer Jagd­sai­on erlegt — 57 Mal mehr Tie­re als noch vor 20 Jahren.

Bisam­rat­ten sind nur etwa halb so groß und gel­ten vie­ler­orts als Schäd­lin­ge, weil sie zum Bei­spiel Dei­che schädigen.

Woll­hand­krab­ben: Neo­zoen-Inva­si­on aus China

Wollhandkrabbe: Invasives Neozoon in Deutschland
Woll­hand­krab­be: Ihr Name kommt von ihren behaar­ten Sche­ren © agefotostock

Sie gehört zu den gefähr­lichs­ten Neo­zoen der Welt. Denn die Chi­ne­si­sche Woll­hand­krab­be ist wan­der­lus­tig, anpas­sungs­fä­hig und sehr ver­meh­rungs­freu­dig. Die gro­ßen Kreb­se stam­men aus Chi­na und Korea und sind vor gut hun­dert Jah­ren ver­mut­lich im Bal­last­was­ser von Schif­fen zu uns nach Deutsch­land gekom­men: Bei Leer­fahr­ten oder wenig Ladung glei­chen Fracht­schif­fe ihre Sta­bi­li­tät mit Hil­fe von Was­ser­tanks aus.

Woll­hand­krab­ben leben im Süß­was­ser, wan­dern zur Fort­pflan­zung aber zum Meer und sie­deln heu­te in allen Nord- und Ost­see-Zuflüs­sen. Sie sind Nah­rungs­kon­kur­renz für vie­le hier hei­mi­sche Arten — auch Fische – und gel­ten des­halb als inva­siv und Bedro­hung für die Fische­rei. Durch das Gra­ben von Gän­gen beschä­di­gen sie außer­dem Däm­me und Dei­che und haben bei uns in Deutsch­land bereits Schä­den von min­des­tens 80 Mil­lio­nen Euro verursacht.

Läs­ti­ge Neo­zoen: Asia­ti­sche Marienkäfer

Invasives Neozoon: Asiatischer Marienkäfer
Hel­ler und mehr Punk­te: Asia­ti­scher Mari­en­kä­fer © IMAGO / NurPhoto

Eben­falls stark inva­siv sind die Asia­ti­schen Mari­en­kä­fer. Sie unter­schei­den sich von den hier hei­mi­schen Mari­en­kä­fer-Arten durch eine gelb­li­che­re Fär­bung und mehr Punk­te. Für uns Men­schen wer­den sie zur Pla­ge, wenn sie im Herbst in gan­zen Trau­ben in der Woh­nung hän­gen. (Und sie kön­nen bei­ßen, wobei man das zwar spürt, es aber nicht gefähr­lich ist.)

Für unser Öko­sys­tem kön­nen sie eine Gefahr wer­den, weil sie – gefrä­ßi­ger und ver­meh­rungs­freu­di­ger – die hei­mi­schen Arten ver­drän­gen. Die Asia­ti­schen Mari­en­kä­fer wur­den einst zur bio­lo­gi­schen Schäd­lings­be­kämp­fung nach Euro­pa geholt und sind das bes­te Bei­spiel dafür, was der Mensch mit sei­nem Ein­grei­fen in die Natur anrich­ten kann.

Hier könnt Ihr alles zum Asia­ti­schen Mari­en­kä­fer noch ein­mal genau­er nachlesen
Was ist ein Neozoon und was sind Neophyten und Neobiota?
Och­sen­frosch, Mink und Nil­gans © IMAGO / age­fo­to­stock / blick­win­kel / Beautiful-Sports

Vom rie­si­gen, bis zu einem Kilo schwe­ren Ame­ri­ka­ni­schen Och­sen­frosch über Asia­ti­sche Busch­mü­cken und Süß­was­ser­qual­len bis hin zu Nil­gän­sen aus Afri­ka und dem Mink, dem Ame­ri­ka­ni­schen Nerz, gibt es ins­ge­samt bei uns in Deutsch­land min­des­tens 1100 gebiets­frem­de Tierarten. 

Neo­zoen, Neo­phy­ten und Neo­bio­ta: Eine Begriffsklärung

Neben den Neo­zoen — also ein­ge­schlepp­ten Tie­ren, zu denen übri­gens auch Wür­mer und Para­si­ten gehö­ren — gibt es die Neo­phy­ten, die ein­ge­schlepp­ten Pflanzen.
Dazu gehört zum Bei­spiel der Rie­sen­bä­ren­klau aus dem Kau­ka­sus, der durch Hob­by­gärt­ner ver­brei­tet wur­de, gif­tig ist und zu Ver­bren­nun­gen und Atem­not füh­ren kann. Extrem viel Mühe macht die Besei­ti­gung der eben­falls gefähr­li­chen Ambro­sia. Oder das Indi­sche Spring­kraut aus dem Hima­la­ya, das als Zier­pflan­ze ein­ge­führt wur­de und nun hei­mi­sche Arten an unse­ren Bächen verdrängt.
Der Ober­be­griff für Neo­zoen und Neo­phy­ten zusam­men ist Neo­bio­ta.

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1 Kommentar

  1. Markus Weimar
    5. Juni 2022
    Antworten

    Super schön beschrie­ben und lehr­reich – der Mar­der­hund war mir zuvor unbekannt.
    Bei den frem­den Pflan­zen (Neo­phy­ten) hat es jeder sel­ber in der Hand sei­ner Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den. Es muss nicht gleich um das Ver­nich­ten der Pflan­zen gehen (wie in der Schweiz), aber ein nicht-sel­ber-aus­brin­gen unter­stützt die rich­ti­ge Sache auch.

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