Was geht denn beim ESC, beim Eurovision Song Contest? Gewöhnliche Popmusik muss sich immer, sonst würde sie niemand hören, um die immergrünen Themen drehen: Liebe in all ihren Formen und Anerkennung. Beim Eurovision Song Contest muss es immer um Populäres gehen, um Pop eben — aber die Bandbreite der Themen ist vielfältiger. Am Ende geht’s dort, wie am Samstag, 22. Mai, im Finale und den beiden Vorrunden am 18. und 20. Mai, um Punkte und Plätze. Zu gewinnen ist schwierig, wobei es traditionell allen teilnehmenden Ländern vor allem darauf ankommt, nicht Letzter zu werden: Wie peinlich wäre das denn?
Klima im ESC, geht das?
Aber geht beim ESC Politisches, Klimapolitisches, sind Lieder zu bringen möglich, die einen umweltpolitischen Kern haben? Ein bisschen wenigstens. Direkt Politisches ist verboten, Propaganda und direktes Politmarketing ist strikt untersagt. Deshalb ist für den ESC in Rotterdam auch Weißrussland nicht am Start. Das eingereichte Lied war eine Hymne auf die Politik von Diktator Lukaschenko.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!
Aber für die Umwelt, ginge das nicht? Werden das nicht schlimmstenfalls Weltverbesserungsschnulzen? Pop darf ja eine Atmosphäre nicht verströmen: Oh, wichtig, zuhören, schwerpolitisch! Umweltthemen also? Schwer, ganz und gar schwer. Klimafragen sind komplizierte Fragen — und deshalb eignen sie sich nur selten für Pop. Man kann es natürlich probieren. Finnland hat 1982 ein Lied entsandt, es war die Zeit der großen Friedensbewegung, das die Nuklearbombe ablehnte. Das fiel durch, was auch an der eher scheppernden Musik gelegen haben mag. Gewonnen hat damals die Deutsche Nicole mit „Ein bisschen Frieden“. Man konnte lernen: Politische Botschaft müssen menschlich verpackt werden — und positiv. „Schwerter zu Pflugscharen“ wäre als Wortmonstrum schon gescheitert, aber „Ein bisschen Frieden“ ließ sich gut singen, das hat’s gebracht.
Beim ESC hat es jedoch immer wieder Lieder weit nach vorn gebracht, die mehr als nur Liebe „transportieren“. Sehr oft geht es dann um das „Universum“, um die „Sonne“, um die kalte Pracht des Geldes, wie der Italiener Mahmood vor zwei Jahren beim ESC in Tel Aviv, als er von „Soldi“ sang oder vielmehr rappte.
Der erste Umweltsong — von 1971
Das erste Umweltschutzlied, der allererste Eurovisionssong, der offen und klar den Klimawandel zum Kern der Botschaft machte, war von einer Deutschen gesungen, exakt vor 50 Jahren, beim ESC in Dublin. 1971 war dies Katja Ebstein mit „Diese Welt“.
Im Text heißt das dann so:
„Sternenklare Nächte / Und die Luft ist wie Jasmin. / Flüsse wie Kristall so klar / Und Wälder saftig grün: / Kann es das noch geben / Oder ist es schon zu spät / Daß für alle überall / Dieser Traum noch in Erfüllung geht.“ Und im Chorus heißt es dann: „Diese Welt / Hat das Leben uns geschenkt./ Sie ist dein / Sie ist mein / Es ist schön auf ihr; / Was werden soll / Liegt an dir.“
Noch expliziter die zweite Strophe, getextet von Fred Jay:
„Rauch aus tausend Schloten / Senkt sich über Stadt und Land. /Wo noch gestern Kinder war’n / Bedeckt heut Öl den Strand. / In den Düsenriesen / Fliegen wir dem Morgen zu; / Wie wird dieses Morgen sein / Sinnlos oder voller Sonnenschein.“
Die Ebstein, in den siebziger Jahren eine der wichtigsten und dank ihrer Hippiekulturprägung klügsten Popschlagersängerin in Deutschland, sagte später: „Das Thema der Umweltverschmutzung lag ja längst in der Luft, nur hat man das im Pop nicht so bemerkt. ‚Diese Welt‘ hat das zum Ausdruck gebracht.“
Folge uns in Social Media
Ebstein wurde beim ESC mit diesem Lied sehr gute Dritte. Offen ist, ob die Jurys in jenem Jahr die sprachlich ja nicht ganz unkomplizierte Message überhaupt verstanden. Und gut möglich, dass der vorzügliche Gesang der Ebstein zu vielen Punkten beitrug- aber das Umweltthema war damit dem ESC auf der Agenda, vor allen anderen Foren der Popmusik.
Klima auf die Agenda!
In dieser Weise ausdrücklich ist das Umwelt- und Klimathema nie wieder prominent geworden beim ESC. Klima und Pop — das ist ein Verhältnis, in dem man sehr vorsichtig sein muss: Das Eurovisionsfestival ist ja schließlich vor allem dies — europäische Unterhaltung für 150 Millionen in vier Dutzend Ländern. Es wird Zeit, dass sich Texter des Pop wieder mehr riskieren als Liebe und ihre Spielarten singen zu lassen. Dass es geht, den Klimawandel auf die Agenda zu packen, hat schließlich Katja Ebstein bewiesen. Nur Mut!
#voicefortheplanetMenschen auf der ganzen Welt erheben ihre Stimme und fordern den Schutz des Planeten. #VoiceForThePlanet trägt Ihre Stimme zu den entscheidenden Umwelt- und Klimakonferenzen der Vereinten Nationen. Mitmachen, unterschreiben!
Kein Kommentar