Fisch­ster­ben im Klei­nen Jas­mun­der Bod­den: Was ist pas­siert und was fol­gen sollte


Kleiner Jasmunder Bodden Rügen
Was muss passieren, dass es nicht wieder zu einem Fischsterben kommt? © WWF

Was ist am Bod­den passiert?

Im Dezem­ber 2021 gab es ein Fisch­ster­ben im Klei­nen Jas­mun­der Bod­den. Das Gewäs­ser liegt inmit­ten der Insel Rügen und hat über den Gro­ßen Jas­mun­der Bod­den eine Ver­bin­dung zur Ost­see. Es wur­den cir­ca 30 Ton­nen toter Fisch ein­ge­sam­melt. Dabei war das gesam­te Arten­spek­trum betrof­fen, jedoch über­wie­gend aus­ge­wach­se­ne Weiß­fi­sche, wie Brasse/Blei. Fisch­krank­hei­ten wur­de kei­ne fest­ge­stellt. Das Fisch­ster­ben ent­wi­ckel­te sich über meh­re­re Tage. Die Rah­men­be­din­gun­gen las­sen auf eine stoff­li­che Ver­gif­tung schlie­ßen. Bis­her konn­ten aber kei­ne exter­nen Quel­len nach­ge­wie­sen wer­den, aus denen Gif­te austreten.

Tote Fische am Kleinen Jasmunder Bodden Rügen im Dezember 2021
Tote Fische am Klei­nen Jas­mun­der Bod­den Rügen im Dezem­ber 2021

Wie ist der öko­lo­gi­sche Zustand des Boddens?

Der Klei­ne Jas­mun­der Bod­den ist gemäß Was­ser­rah­men­richt­li­nie ein eutro­phes Gewäs­ser in schlech­tem öko­lo­gi­schem Zustand. Das Brack­was­ser wird über Bäche mit Süß­was­ser gespeist. Der Salz­was­ser-Aus­tausch wird durch einen Bahn­damm mit Schleu­se limi­tiert. In der Ver­gan­gen­heit gelang­ten durch indus­tri­el­le und kom­mu­na­le Abwäs­ser sowie land­wirt­schaft­li­che Ent­wäs­se­run­gen gro­ße Men­gen an Stick­stoff und ande­rer Schad­stof­fe in den Bod­den. Fol­gen­de Stof­fe über­schrei­ten noch heu­te die Grenz­wer­te: Queck­sil­ber, Pen­tab­rom­di­phe­nyl­ether, Bifen­ox. Im Früh­jahr 1990 gab es hier bereits ein Fisch­ster­ben mit über 200 Ton­nen toter Fische, über­wie­gend Weiß­fi­sche. Ursa­che war die Mas­sen­ent­wick­lung einer ein­zelli­gen gif­ti­gen Alge auf­grund von Nährstoffüberangebot.

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Wel­chen Grund ver­mu­ten wir?

Das Nähr­stoff­über­an­ge­bot ist wei­ter­hin ein öko­lo­gi­sches Pro­blem. Dazu füh­ren zwei Prozesse:

  1. Grün­deln­de Weiß­fi­sche wir­beln bereits natür­lich gebun­de­nen Nähr­stof­fe am Boden kon­ti­nu­ier­lich wie­der auf.
  2. Neue Nähr­stof­fe aus angren­zen­den nähr­stoff­rei­chen (eutro­phen) Gewäs­sern rei­chern sich fort­wäh­rend an. So kommt es in Spit­zen­zei­ten am Tete­ler Bach zu Ein­lei­tun­gen von schlecht geklär­ten Was­ser einer Klär­an­la­ge. Durch den Sai­ser Bach ent­wäs­sern die eutro­phen Wos­te­wit­zer Tei­che und der Karower Mühl­bach die inten­siv land­wirt­schaft­lich genutz­te Flä­chen des Ein­zugs­ge­bie­tes. Eine Schleu­se behin­dert den Aus­tausch des Was­sers im Bod­den. Das Sys­tem ist nahe­zu geschlossen.

Dies alles för­dert die Pro­duk­ti­on von Bio­mas­se. Vor allem in Form von Algen, mit­tel­bar aber auch von Fisch bis zu einer Ober­gren­ze. Für den natür­li­chen che­mi­schen und bio­lo­gi­schen Abbau von Bio­mas­se wird Sau­er­stoff benö­tigt. Dar­über hin­aus wird auch durch die vie­len Weiß­fi­sche der Sau­er­stoff ver­at­met. Bei die­ser schlech­ten öko­lo­gi­schen Lage kommt es sehr schnell lokal zu Sau­er­stoff­ar­mut. Beson­ders wenn sogar die inter­ne Zir­ku­la­ti­on zum Erlie­gen kommt. Etwa wenn der Bod­den im Win­ter zufriert.

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Wenn es dann noch zu inten­si­ven zusätz­li­chen Nähr­stoff­ein­flüs­sen kommt, kann dies das Fass zum Über­lau­fen brin­gen. Im Gewäs­ser ist nicht mehr genug Sau­er­stoff und die Stick­stoff­ver­bin­dun­gen wer­den zu Nitrit und/oder Ammo­ni­um redu­ziert (Deni­tri­fi­ka­ti­on). Irgend­wann wird eine Kon­zen­tra­ti­ons­schwel­le erreicht, die zusam­men mit Sau­er­stoff­man­gel und ande­ren Fak­to­ren auf die Fische toxisch wirkt. Es kommt zu einem aku­ten Fisch­ster­ben. Die alten gro­ßen Fische mit respi­ra­to­ri­schen Pro­ble­men ster­ben even­tu­ell ver­mehrt. Mischt sich bei ver­bes­ser­ten Umwelt­be­din­gun­gen (Sturm/Abtauen der Eis­de­cke) wie­der das Was­ser, wer­den die toxi­schen Kon­zen­tra­tio­nen schnell oxidiert.

Weg sind sie damit aber nicht: Sie blei­ben den­noch im Gewäs­ser. Als Nähr­stoff­ba­sis für zukünf­ti­ge Algenblüten.

Was muss passieren?

Wir müs­sen den Zustand des Klei­nen Jas­mun­der Bod­den ver­bes­sern. Das schrei­ben ja auch die Was­ser­rah­men­richt­li­ni­en recht­lich bis 2027 vor. Grund­vor­aus­set­zung ist, dass sich alle Betei­lig­ten auf  Maß­nah­men ver­stän­di­gen, die einen guten öko­lo­gi­schen Zustand nach­hal­tig för­dern. Bei die­sen prak­ti­schen Schrit­te müs­sen wir die Ursa­chen im hydro­lo­gi­schen Ein­zugs­ge­biet und die nach­ge­ord­ne­ten Gewäs­ser mit­den­ken — damit so etwas wie das Fisch­ster­ben eben nicht mehr vorkommt.

Fischsterben am Jasmunder Bodden: Probeentnahme durch den WWF
Fisch­ster­ben am Jas­mun­der Bod­den: Pro­be­ent­nah­me durch den WWF © WWF

Aus unse­rer Sicht sind fol­gen­de Maß­nah­men wich­ti­ge Schrit­te zur Verbesserung:

  • Ist­zu­stand-Ana­ly­se: Um den öko­lo­gi­schen Zustand zu ver­bes­sern, müs­sen wir wis­sen, war­um der Zustand schlecht ist und wie schlecht er ist. Wir müs­sen abstim­men, wel­che Para­me­ter unter­sucht wer­den sol­len, die bei der Ent­wick­lung der Maß­nah­men hel­fen. Das sind unter ande­rem: Sedi­ment­ana­ly­se, Strömungs‑, Sali­ni­tät- und Pegel­ana­ly­se der Schleu­se und eine Unter­su­chung der Gesund­heit des Fischbestands.
  • Was­ser­pro­be-Ein­satz­grup­pe: Bei einem Fisch­ster­bens müs­sen wir schnell und umfäng­lich Pro­ben neh­men. Es braucht eine breit­ge­fä­cher­te Stoff­ana­ly­se, um unmit­tel­ba­re Gefah­ren für Mensch und Natur aus­zu­schlie­ßen und um die Grün­de ermit­teln zu kön­nen. Dafür soll­te eine Ein­satz­grup­pe bereit ste­hen, um inner­halb von 24 Stun­den fest­ge­leg­te Para­me­ter direkt zu mes­sen. Die Situa­ti­on im Gewäs­ser kann sich sehr schnell ver­än­dern. Im Nach­hin­ein ist es kaum mehr rekonstruierbar.
  • Ein­lauf­kon­trol­le: Die Zuläu­fe in den Bod­den soll­te län­ger­fris­tig sys­te­ma­tisch beprobt und zen­tral aus­ge­wer­tet wer­den. Dann kön­nen wir Nähr­stof­fe und Pes­ti­zid­ein­trä­ge über das Jahr bezif­fern. So kön­nen kri­ti­sche Umwelt­si­tua­tio­nen im bes­ten Fall posi­tiv gema­nagt werden.
  • Klär­an­la­ge Ber­gen: Zusätz­li­che unab­hän­gi­ge Prü­fun­gen der Nähr­stoff­frach­ten ober­halb und unter­halb der Abläu­fe der tech­ni­schen Anlage.
  • Ein­lauf-Vor­klä­rung: Bei hoher Nähr­stoff­fracht brau­chen wir natur­na­he Vor­klä­rung-Kon­struk­tio­nen­/Pflan­zen­klär­an­la­gen, um die Nähr­stoff­zu­fuhr wei­ter zu verringern
  • Ver­bin­dung Gro­ßer und Klei­ner Jas­mun­der Bod­den: Die ursprüng­lich brei­te natür­li­che Ver­bin­dung zwi­schen den bei­den Bod­den wur­de durch den Bau eines Bahn­damms, Stra­ßen­brü­cke und Wassersperrwerk/Schleuse fast voll­stän­dig geschlos­sen. Die Wiederherstellung/Restoration des ursprüng­li­chen Zustan­des könn­te die öko­lo­gi­sche Situa­ti­on stark ver­bes­sern. Die­se Opti­on soll­te ernst­haft geprüft wer­den, auch wenn dies hohe Fol­ge­kos­ten durch einen Brü­cken­bau erzeu­gen würde.

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