Wie Gül­le die Ost­see tötet


Algen in der Ostsee durch Überdüngung durch Gülle
Todeszone in der Ostsee durch Algenwachstum © Norman-Kuring-NASA

Gül­le stinkt. Gül­le ist unap­pe­tit­lich. Und es wird viel zu viel Gül­le auf den Acker gekippt, gera­de auch in Deutsch­land. Die Nitra­te aus der Gül­le belas­ten das Grund­was­ser. Sind viel­leicht sogar krebs­er­re­gend. Damit nicht genug: Die per­ma­nen­te Über­dün­gung ist für die Ost­see die schlimms­te Bedro­hung über­haupt. Wer sich auch nur ent­fernt für die Ost­see oder deren Fische inter­es­siert, der muss sich für viel weni­ger Gül­le auf den deut­schen Äckern aussprechen.

Gül­le erstickt die Ostsee

Im Mai 2019 wur­den die emp­foh­le­nen Fisch­fang­men­gen für Dorsch in der öst­li­chen Ost­see durch die Wis­sen­schaft ver­öf­fent­licht. Die Ana­ly­sen der Fische­rei­bio­lo­gen zeich­nen eine pre­kä­re Situa­ti­on. Der Bestand des öst­li­chen Dorschs ist in einem so kri­ti­schen Zustand, das selbst bei einer sofor­ti­gen Schlie­ßung der Fische­rei für den Zeit­raum von fünf Jah­ren kei­ne Erho­lung zu erwar­ten ist. Der Bestand ist außer­halb siche­rer bio­lo­gi­scher Gren­zen. Neben der zu hohen Fische­rei der letz­ten 20 Jah­re spielt der schlech­te Umwelt­zu­stand der Ost­see hier eine Rol­le: Sau­er­stoff­man­gel, Schad­stoff­be­las­tung, Erwär­mung, Nah­rungs­man­gel und Para­si­ten­be­fall. Die Dor­sche wer­den immer mage­rer und immer klei­ner. Es ster­ben der­zeit drei­mal mehr Dor­sche durch den schlech­ten Zustand der Ost­see als durch die Fischerei.

Todes­zo­nen, dop­pelt so groß wie Dänemark

Klar, die Pro­blem­la­ge der Ost­see ist viel­fäl­tig. Aber das größ­te Pro­blem ist die Über­dün­gung durch einen viel zu hohen Nähr­stoff­ein­trag der Land­wirt­schaft. Vor allem Nitra­te füh­ren zu einer Sau­er­stoff­zeh­rung.  In den tie­fe­ren Berei­chen der Ost­see gibt es eine der glo­bal größ­ten „dead zones“. Das sind Gebie­te, in denen es über­haupt kei­nen Sau­er­stoff mehr gibt. Es sind geschätz­te 60.000km², etwa dop­pelt so groß wie Däne­mark. Erd­er­hit­zung und mas­si­ve Über­dün­gung arbei­ten hier Hand in Hand. Die­se Erkennt­nis­se sind nicht neu.

Fische­rei an der Ost­see zahlt den Preis für die ver­fehl­te Landwirtschaftspolitik

2008 haben sich die EU-Län­der dazu ver­pflich­tet bis 2020, die Ost­see in einen guten Umwelt­zu­stand zu brin­gen. Von die­sem Ziel sind wir Licht­jah­re ent­fernt. Jah­re­lang wur­de über Maß­nah­men ver­han­delt, stets mit dem Ziel mög­lichst wenig öko­no­mi­sche Ein­schnit­te vor­zu­neh­men. Jetzt zahlt die Fische­rei die Zeche für die ver­fehl­te Landwirtschaftspolitik.

Anfang August 2019 hat die EU-Kom­mis­si­on als Not­fall­plan einen sofor­ti­gen Fang­stopp für den öst­li­chen Dorsch ver­hängt. Aller­dings nicht ohne Aus­nah­men. Die pas­si­ve Fische­rei, also die mit Stell­net­zen, von Boten die kür­zer als 12 Meter sind darf wei­ter statt­fin­den. In Deutsch­land ist das etwa die Hälf­te der gesam­ten Fische­rei auf den öst­li­chen Dorsch. Wie wirk­sam soll eine sol­che halb­ga­re Maß­nah­me ange­sichts der Kri­se sein?

Über Dün­ger kann man strei­ten. Mit der Natur nicht.

Eine gesun­de Ost­see mit aus­rei­chend Fischen ist nun mal die Grund­vor­aus­set­zung für jed­we­de Fische­rei. Die Poli­tik kann alle Maß­nah­men für einen guten Umwelt­zu­stand auch wei­ter­hin ver­han­deln. ‑So wie die Dün­ge­ver­ord­nung. Nur mit der Natur selbst kann man nicht verhandeln.

Ent­schei­dend für die Dorsch-Fische­rei in der öst­li­chen Ost­see wird nicht sein, ob alle öko­no­mi­schen und sozia­len Aspek­te bei der Beschrän­kung der Gül­le-Aus­brin­gung mit­ein­be­zo­gen wur­den. Ent­schei­dend wird nur sein, ob die Ost­see am Ende wie­der Luft bekommt.

Es muss viel weni­ger Gül­le sein. Punkt.

Ich bin als Mee­res­schüt­ze­rin völ­lig einig mit mei­nen Kol­le­gen aus dem Berei­chen Land­wirt­schaft und Süß­was­ser (und der EU):  Wir brau­chen weni­ger Dün­ger auf deut­schen Fel­dern, damit weni­ger Nitrat ins Grund­was­ser und ins Meer kommt. Die aktu­el­len Vor­schlä­ge der Bun­des­re­gie­rung kön­nen nur ein Anfang sein. Wir haben viel weit­ge­hen­de­re For­de­run­gen, schon lan­ge. Unter ande­rem eine deut­li­che Sen­kung der Nutz­tier­be­stän­de. Lest hier nach.

Ob Deutsch­land wie befürch­tet mas­si­ve Stra­fen der EU zah­len muss wegen zu laschen Dün­ge­ge­set­zen darf die poli­ti­sche Ent­schei­dung nicht lei­ten. Eine gesun­de Ost­see, öko­lo­gisch und damit öko­no­misch wert­voll für Anwoh­ner, Tou­ris­ten und Fischer, soll­te es poli­tisch Wert sein, das Pro­blem Gül­le schnell zu lösen.

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3 Kommentare

  1. 27. September 2019
    Antworten

    thanks for your gre­at artic­le I was like it. it gives me some inform.

  2. Ulrich Stolarczyk
    30. September 2019
    Antworten

    Zu hohe Kon­sum­an­sprü­che, zu hohes Bevöl­ke­rungs­wachs­tum bei schon hohem Welt­be­völ­ke­rungs­be­stand. Ohne kla­re Beschrän­kun­gen, d.h. Ver­bo­te wird es nicht gehen. Nur Frei­wil­lig­keit reicht nicht. Not­wen­dig, schar­fe Kon­trol­len, auf dem Meer, an Land — über­all dort, wo Men­schen die Natur aus­beu­ten. — und weg vom Fleisch, damit ist Umwelt­zer­stö­rung u. Tier­qual ver­bun­den, selbst den Zurück­ge­blie­be­nen wird dies klar­wer­den müs­sen! Die extrem hohe Zahl getö­te­ter Tie­re ist nicht mehr trag­bar, aus mora­li­schen u. Umweltschutzgründen.

  3. Ric
    7. Dezember 2019
    Antworten

    Guten Tag,
    ich fin­de es sehr ein­sei­tig alle Schuld der Gül­le und damit den Bau­ern zu geben. Natür­lich wer­den eini­ge auch nicht unschul­dig sein, aber mir fehlt der Hin­weis, das z. B. Klär­an­la­gen eben­falls deut­lich betei­ligt sind an dem Nähr­stoff­über­schuss in Ober­flä­chen­ge­wäs­sern sind, denn die Tat­sa­che, das Mit­tel- und Schwach­be­las­te­te Abwäs­ser bei z. B. Stark­re­gen unge­klärt abge­las­sen wer­den, was etwa 20 mal pro Jahr geschieht, ist zusam­men mit den nor­mal tole­rier­ten Wer­ten schon eine Num­mer von 2016 laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt 70653 t Stick­stoff (N) und 6413 t Phos­phor ℗ in Ober­flä­chen­ge­wäs­ser wie Flüs­se und Meere.
    By the way, auf Fleisch zu ver­zich­ten senkt Kli­ma­schäd­li­che Gase um 1% in Deutsch­land, es gibt grö­ße­re Hebel..

    Mit ande­ren Wor­ten, nur die Bau­ern anzu­f­ein­den ist zu kurz gedacht, Grund­was­ser­wer­te spie­geln die Dün­gung vor 50–80 Jah­ren, sie als „aktu­el­len“ Maß­stab zu neh­men ist also wiedersinnig. 

    Wir müs­sen alle zusam­men­ar­bei­ten, da hilft es nicht, wenn wir einen Schul­di­gen haben, wir müs­sen alle Schul­di­gen finden.
    Und gemein­sam an einer Lösung arbei­ten, ohne Anfein­dun­gen oder wer­den Sie ger­ne angefeindet?

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