Als erstes kamen die Affen. In Lapbouri,einer thailändischen Stadt nördlich von Bangkok, zogen rivalisierende Banden von Tempelaffen randalierend durch die Straßen. Der Grund: Die Tiere werden normalerweise von Touristen gefüttert, doch die blieben wegen Corona aus. Als Folge entbrannte ein Streit um die verbliebenen Nahrungsquellen. Das Video von den Affenhorden verbreitet sich weltweit.
Es blieb nicht das einzige Filmchen dieser Art. Die Pandemie sorgte dafür, dass sich an vielen Orten der Welt inzwischen Tiere tummeln, mit denen dort normal nicht unbedingt zu rechnen ist. An Füchse und Habichte, die in der Stadt mehr Nahrung finden, hatte man sich ja schon genauso gewöhnt wie an Rotten von Wildschweinen, die die Vorgärten umwühlen oder Nachtigallen, die es vermehrt in urbane Gegenden zieht. Jetzt aber häufen sich die Berichte über ungewöhnliche tierische Besucher. Weniger Schiffslärm und ungetrübtes Wasser lockte Haie in italienische Häfen. Vor der französischen Küste wurden Finnwale, die zweitgrößten Wale der Welt, gesichtet. Und Argentinien meldete 300 Kilo schwere Seelöwen, die sich auf den Molen der Hafenstadt Mar del Plata herumlümmeln.
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Corona Tiere: Hirsche in London, Kojoten in San Francisco
Das Leben kommt aus dem Meer, aber nicht nur von dort. Londoner Dammwild aus den Stadtparks begibt sich auf Wanderschaft in die Vorstädte. Madrids Pfauen erkunden die Umgebung des Retiro Parks und in San Francisco durchstöbern Kojoten die Mülltonnen. Weil viele Orte aufgrund der strikten Ausgangssperren weitgehend menschenleer sind und es viel weniger Verkehr gibt, wagen sich immer mehr Tiere in bewohnte Gebiete. Wenn walisische Ziegen die sorgsam gepflegten Blumenbeete plündern, hat das erst in erster Linie anekdotischen Charakter. Aber es wagen sich auch nicht ganz ungefährliche Spezies in bewohnte Gebiete.

In Santiao de Chile wurden junge Pumas gesichtet, die durch die Straßen streifen und in Tel Aviv beobachtet man Schakale, die ihr Revier Schritt für Schritt erweitern. Vor allem wenn die Tiere auf der Suche nach Nahrung sind, scheinen Konflikte vorprogrammiert. Man kennt das Phänomen von Eisbären, die wegen des ausbleibenden Packeises auf Müllhalden nach Fressbarem suchen und angrenzenden Siedlungen manchmal gefährlich nahekommen.
Nicht nur schön — wenn gefährliche Tiere näherkommen
Nicht nur Eisbären sollte man besser nicht zu nahe kommen. Gerade das Zusammenleben von Mensch und Tier in der Stadt ist alles andere als konfliktfrei. Wenn Spechte frisch isolierte Hausfassaden zu Bruthöhlen umfunktionieren, Biber Apfelbäume im Vorgarten umlegen oder Greifvögel das eine oder andere Meerschweinchen stibitzen, dürfte das zu verschmerzen sein. In Indien oder Afrika sind die Konflikte von ganz anderem Kaliber, existenzbedrohend und enden oft genug tödlich. Elefanten können in nur einer Nacht die Ernten ganzer Dörfer vernichten. Auch mit Pavianen oder Schimpansen, die in Ortschaften auf Nahrungssuche gehen ist nicht zu spaßen. Gut möglich, dass Mensch-Tier-Konflikte, durch die Pandemie zunehmen werden.
Nur Besucher in Corona-Zeiten?
Ob sich die zuletzt beobachteten neuen Stadtbewohner sich längerfristig ansiedeln werden, ist eher unwahrscheinlich. Ausgeschlossen ist es in Einzelfällen nicht. Wenn der Lockdown gelockert wird, dürfte es den meisten tierischen Besucher in den Städten zu laut, zu schmutzig und zu gefährlich werden. Andererseits haben sich auch in der Vergangenheit einige Arten als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen. Invasive Arten wie Nilgänse, Waschbären, Sumpfkrebse und Halsbandsittiche konnten sich auch in deutschen Städten etablieren. Weil sie andere Arten verdrängen, macht ihre Verbreitung Naturschützer Sorgen.
Corona Gewinner Tier?
Insgesamt ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Metropolen der Welt durch Corona zum Großstadtdschungel werden. Dennoch gibt es tierische Gewinner der Corona-Krise. Die findet man allerdings eher außerhalb der Städte. Einer davon könnte der Bartgeier sein. Keine Bergsteiger, keine Mountainbiker, keine Gleitschirmflieger. In den Pyrenäen und den Alpen ist weitgehend Stille eingekehrt. Gute Bedingungen, dass in diesem Jahr viele Greifvogelpaare in Ruhe ihre Brut aufziehen können und viele Küken flügge werden.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen Welt
Der „Hausarrest“ der Menschen tut vielen Tieren gut. Es ist wie eine Art Schonzeit für viele Arten. Thailand vermeldet eine Rekord-Geburtenrate bei Lederschildkröte, weil Touristen und Eierdiebe die Nester der Meeresschildkröten in diesem Jahr weitgehend verschont haben. Ähnliche Meldungen kommen aus dem Norden Brasilien. Dort profitierten Unechte Karettschildkröten von menschenleeren Stränden.

Corona ist kein Verbündeter des Naturschutzes
Andererseits liegen viele Artenschutzprojekte brach, auch unsere. Ausbleibende Touristen gefährden zugleich die Existenzgrundlage von Wildhütern und Mitarbeitern in Naturschutzgebieten. Das zeigt sich unter anderem in Namibia. Die Not der Menschen trifft auch direkt den Naturschutz. Es ist zu befürchten, dass viele Menschen versuchen werden, sich und ihre Familien mit Wilderei und illegalem Wildtierhandel über Wasser zu halten. Wir erhalten aus vielen Ländern und Projektgebieten Hinweise darauf, dass die Wilderei wieder zunehmen könnte. Die Not der Menschen trifft direkt den Naturschutz und drängt im schlimmsten Fall bedrohte Arten wieder an den Rand des Aussterbens.
COVID-19 kann manchen Arten ein wenig mehr Platz geben — doch die Pandemie ist nicht wirklich ein Verbündeter des Naturschutzes.
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