Die meisten Meeresbiologen haben einen Traum: Einmal im Leben das Great Barrier Reef sehen. Das größte Riff der Welt ist so etwas wie unser Mekka. Im August 2001 hatte der WWF meine Kollegen und mich zur Jahrestagung nach Australien eingeladen. Genauer gesagt nach Townsville in Queensland. Hier sitzt die Schutzgebietsbehörde GBRMPA (Great Barrier Reef Marine Park Authority). Das große Riff ist der größte lebende Organismus der Erde und endlich konnte ich es mit eigenen Augen sehen.
#SOSreef — Weltnaturerbe oder Industriegebiet: Unterschreibe unsere Petition an die Delegierten der UNESCO-Konferenz
Streng verboten: die Regeln im Schutzgebiet

Am Tag nach der Ankunft lud uns John Day vom GBRMPA zu einem Ausflug auf die benachbarte Insel Magnetic Island ein. Diese Insel ist vor allem bei Backpackern bekannt und beliebt. Ich, ganz Tourist, hob ein paar Korallenbrösel vom Strand auf, wollte sie mir schon in die Tasche stecken, als mich John belehrte: “Strictly forbidden”. Nicht nur wegen der Bestimmungen des Artenschutzabkommens und möglicher Konflikte mit Zöllnern. Auch wegen des geochemischen Gleichgewichts ist es im Schutzgebiet verboten, abgestorbenes Korallenmaterial zu entnehmen. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können.
Josh Laughren vom WWF Kanada erwies sich unterdessen als Reptilienfan. Ständig fuchtelte er mit einem Stock im Unterholz herum, immer in der Hoffnung, eine Death Adder, eine der giftigsten Schlangen des Kontinents, zu finden. Mehr nach meinem Geschmack waren da schon eher die Koalas, die auf den Eukalyptusbäumen hockten. Wusstet ihr, dass sie wie Hustenbonbons riechen?

“Muss ich sterben?” “Vielleicht!”
Unsere Wanderung endete in einer kleinen Bucht. Natürlich wollten wir uns das Riff unter der Meeresoberfläche anschauen. Taucherbrillen sollten ausreichen, um über das Randriff hinwegzuschwimmen. Für die anderen zumindest. Mein Bade-Spaß endete nach zehn Sekunden. Mein Unterarm brannte urplötzlich so heftig, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Meine Haut warf rote Quaddeln und der ganze Arm war taub.
Der erste Gedanke: Hoffentlich war es nicht die tödliche Seewespe! Ich fragte John: “Am I gonna die?” Seine Antwort: “Maybe”. Grinsend beruhigte er mich, es wäre keine Quallensaison. Er tippte daher auf eine stark nesselnde Koralle. Beide Arten sind ja nahe Verwandte. Von einer benachbarten Yacht holte er Essig zum Einreiben. Nach ein paar Stunden verging zum Glück die Taubheit, doch die Brandflecken konnte ich, nunmehr “Märtyrer der Meere”, noch während der ganzen Tagung vorweisen.
WWF-Strategie: Fischerei und Meeresschutzgebiete
Und diese verlief sehr erfolgreich. Wir erarbeiteten eine komplette neue Meeresschutzstrategie des WWF mit den beiden Säulen “Fischerei” und “Meeresschutzgebiete”. Nach anstrengenden Sitzungen wartete am Ende eine Fahrt mit dem Katamaran ins äußere Riff auf uns. Die Spezialisten erklärten alles, was wir über die Umweltprobleme und das Management des Schutzgebiets wissen sollten.
Schließlich der Moment, auf den die meisten gewartet hatten: Tauchen und Schnorcheln im größten und bedeutendsten Riff der Welt. Es war einzigartig und keiner von uns wird diesen Tag jemals vergessen. Ich als Tauchmuffel schnorchelte an der Wasseroberfläche entlang und blieb von weiteren Nesselangriffen verschont.
Die Bedrohung des Weltnaturerbes

Das Große Barriereriff ist die Heimat von fast 450 verschiedenen Korallenarten, mehr als 7000 Arten anderer wirbelloser Tiere und 1500 Fischarten. Auch seltene Seekühe und Meeresschildkröten leben hier. Mein persönliches Highlight war die Fahrt in einem Glasboot, bei dem man im Trockenen die faszinierende Unterwasserwelt beobachten konnte. Als wir am Abend die Rückfahrt unterbrachen, um auf einer Insel noch bisschen zu feiern und dort von Scharen rosafarbener Kakadus begrüßt wurden, dachte ich nie im Leben daran, dass wir es 14 Jahre später mit einer derartigen Bedrohung für das Riff zu tun haben würden.
UNESCO-Tagung in Bonn
Am 28. Juni entscheidet die UNESCO in Bonn, ob das Weltnaturerbe Great Barrier Reef endlich besser geschützt wird. Genauer gesagt: Die australische Regierung plant, den Kohlehafen von Abott Point massiv zu erweitern. Ursprünglich sollten der ausgebaggerte Schlamm einfach ins Meer verklappt werden. Ich glaube, jeder kann sich vorstellen, welche Folgen dies für ein extrem sensibles Ökosystem gehabt hätte. Das Großschutzgebiet galt lange als weltweite Ikone des Meeresschutzes, nicht zuletzt wegen seiner vorbildlichen Verwaltung. Zeitweise stand jedoch sogar sein Status als Weltnaturerbe der UNESCO auf dem Prüfstand. Zum Glück sind die politischen Weichen inzwischen anders gestellt worden.
Mr. Abbott, retten Sie das Riff!
Ich kann nicht in Worte fassen, wie ich mich bei dem Gedanken fühle, dieses Paradies könnte eines Tages durch uns Menschen zerstört werden. Ob der australische Regierungschef Tony Abbott — Nomen est Omen — überhaupt weiß, wie es im Riff aussieht und was dort kreucht und fleucht? Ich meine nicht aus dem Fernsehen, sondern ob er es mit eigenen Augen gesehen hat? Wer einmal durch dieses glasklare Wasser die biologische Vielfalt des Riffs geschaut hat, kann doch beim besten Willen nicht in Kauf nehmen, dass es durch feinkörnigen Hafenschlamm getrübt wird und dieser sich auf die Korallenstöcke legt. Premierminister Abbott, bitte fahren Sie doch mal mit dem Glasboot raus. Sie werden anschließend alles dafür tun, dieses Riff zu schützen. Da bin ich mir sicher.
Kein Kommentar