„Was meinen Sie, lohnt sich der Aufwand dreistelliger Euromillionen für den Gipfel“? fragt mich ein Journalist am ersten Gipfeltag. Meine Antwort: „Wenn etwas richtig Gutes rauskommt, soll es meinetwegen eine Milliarde kosten — wenn’s schlecht läuft, ist jeder Euro zu viel!“.
So, und am Ende stehe ich da und muss einsehen, dass der Wert des Treffens wohl erst in einigen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten zu ermessen ist.
Das war der G7-Gipfel 2015 in Elmau: Ein „Familienfoto“ der Staatschefs vor Alpenpanorama auf grüner Wiese, Kameraklicken wie tausend Zikaden, ein Schloss, 3.000 Journalisten und ein paar NGOs im Eisstadion, unablässiges Helikopter-Donnern, Demonstrationen und ein gigantischer Zaun. Und am Ende steht eine 19-seitige Abschlusserklärung.
Was war gut?
Die G7-Staaten wollen ihren Treibhausgasausstoß bis 2050 so stark reduzieren, dass sie – angelehnt an wissenschaftliche Empfehlungen — ihren Anteil beitragen, die Erderwärmung unter 2° C zu halten – allerdings unter der Bedingung, dass die anderen Staaten sich ihnen anschließen.
Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts soll der komplette Abschied von fossilen Brennstoffen erfolgen. Der führende deutsche Klimawissenschaftler Prof. Schellnhuber empfiehlt bereits 2070 als das geeignete Datum.
Die richtige Richtung:
Entwicklungsländer sollen beim Ausbau der erneuerbaren Energien massiv unterstützt werden.
Überraschungsthema Meeresschutz:
Die G7 senden ein wichtiges Signal; sie wollen die Meere stärker schützen. Sie setzen sich für ein bisher noch fehlendes, globales Abkommen ein, dass den Schutz der Umwelt vor dem herandrängenden Tiefseebergbau unterhalb von 800 m unter dem Meeresspiegel regelt.
Auch die dramatische Vermüllung der Weltmeere soll endlich angegangen werden – und das sogar mit der Ankündigung eines konkreten Aktionsplans und nicht nur mit weiteren Untersuchungen.
Ein guter Anfang:
Unternehmen sollen für ihre Produkte entlang der Handels- und Lieferketten — also von der Rohstoffgewinnung bis zum Endkunden — in die Verantwortung genommen werden, aber noch zu unverbindlich, und bei zu geringer Berücksichtigung von Umweltaspekten sowie zu begrenzt auf Textilien. Der WWF hatte zumindest Erweiterungen auf kritische Mineralien und Agrarrohstoffe gefordert.
Was fehlt?
Eine klare Zusage, wann die G7-Staaten endlich ihrer Verpflichtung nachkommen werden, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für die Entwicklungshilfe auszugeben. 2002 hatten sich die Industrieländer dazu bis 2015 verpflichtet. Aber kaum ein Land hat dies bisher erreicht. So kann kein Vertrauen geschaffen werden. Sowohl für die Vereinbarung der globalen Nachhaltigkeitsziele auf dem UN-Gipfel im September in New York als auch für die Verhandlungen auf dem Klimagipfel im Dezember in Paris ist das ein fatales Signal an den globalen Süden.
Entwicklungsländer brauchen finanzielle Hilfe beim Schutz vor Klimarisiken. Die #G7 müssen Verantwortung übernehmen. #natureiswatchingyou
— WWF Deutschland (@WWF_Deutschland) June 8, 2015
Was geht gar nicht?
Im gleichen Atemzug über die Entfesselung des Freihandels und über die Förderung verantwortlicher Handels- und Lieferketten zu diskutieren, erscheint schizophren. Und neue Foren zum Ressourcenschutz anzukündigen, statt in eine mutige Ressourceneffizienzrevolution einzusteigen, ist einfach zu wenig. Es zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung ihre geplante Kohleabgabe, mit der das deutsche Klimaziel erreicht werden sollte, fallenlassen wird. Das war‘s dann mit der als G7-Präsidentin in Elmau wiederauferstandenen Klimakanzlerin!
Fazit
Wenn wir von 100 Prozent ausgehen, den die G7 auf diesem Gipfel hätten beschließen müssen, um ihren Anteil zur „Rettung der Welt“ zu bringen, hätten wir vorher ein Drittel für realistisch gehalten und waren am Ende überrascht, dass das Ergebnis gefühlt bei über der Hälfte liegt.
Grund genug vielleicht, um sich über ein halbvolles Glas zu freuen. Nur: Wenn wir die zweite Hälfte in den kommenden Jahren nicht schaffen, war vielleicht alles vergeblich.
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